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|ak 674 | Diskussion |Reihe: Planwirtschaft

Ökosozialismus oder Barbarei

Planwirtschaftsdebatte schön und gut: Aber die Dramatik der Entwicklung zwingt dazu, so schnell wie möglich praktisch zu werden. Ein Rück- und Ausblick

Von Philip Broistedt und Christian Hofmann

Zeichnung einer Frau, die mit einer Axt eine große unsichtbare Hand abhackt
First things first. Aber wenn dem Markt sein unsichtbares Handwerk gelegt ist, wie geht es dann weiter? Illustration: Janik Söllner

Die Klimakrise sei so weit fortgeschritten, dass alle Hoffnungen und Vorstellungen einer schrittweisen sozialökologischen Transformation bereits überholt seien, stellt Christian Zeller in ak 673 fest. Er fordert deshalb »eine Debatte über die Strategie zu einem umfassenden gesellschaftlichen Umbruch hin zu einer Gesellschaft, die gemeinsam entscheidet, mehr teilt und weniger produziert«. Diese Gesellschaft nennt er ökosozialistisch.

Was das Ziel, die große Erzählung oder die konkrete Utopie anbelangt, bietet die ak-Reihe Planwirtschaft zumindest teilweise Anknüpfungspunkte und Überschneidungen zu dieser tatsächlich dringend benötigten Debatte. Die große Erzählung wäre eine Gesellschaft, in der, nach Marx, die assoziierten Produzent*innen die kapitalistische Profitmaximierung überwunden haben und ihren Stoffwechsel mit der Natur rational regeln. Nennen wir diese Gesellschaft im Sinne Zellers einstweilen Ökosozialismus.

Die Diskussion um die Planwirtschaft wurde im Frühjahr 2020 mit unserem Beitrag »Mit Plan gegen die Klimakrise« eröffnet. Als Erwiderung auf bürgerliche Wissenschaftler*innen, die die destruktiven Folgen des Marktes problematisierten, brachten wir die Frage des Werts und seiner Aufhebung durch Planung der Produktion ins Spiel. Seither sind neun weitere Beiträge erschienen, die fast ausnahmslos die ökologische Krise als Ausgangspunkt nehmen, um sich für (mehr) geplantes Wirtschaften auszusprechen. Unisono: Das Kapitalverhältnis samt Profitmaximierung muss überwunden werden, um die ökologische Katastrophe abzuwenden. An seine Stelle müssen Formen geplanten Wirtschaftens treten; neben teils deutlichen Differenzen ist das eine erste wichtige Gemeinsamkeit der Diskussionsbeiträge.

Eine Schwierigkeit der Debatte ergab sich aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts. »Das Stichwort ›Planwirtschaft‹ ruft zu Recht negative Erinnerungen wach: Überzentralisierung, Ineffizienz, Autoritarismus, Bürokratismus«, betont Jakob Heyer. Obwohl die Welt heute eine andere ist als 1917 und sich mit den Produktivkräften auch die Möglichkeiten von Planung weiterentwickelt haben, ist die Geschichte des Staatssozialismus noch immer die größte Hypothek, die auf all jenen lastet, die heute das Kapitalverhältnis infrage stellen wollen.

In keinem Artikel gab es den Wunsch, einen Schritt zurück zum Staatssozialismus zu machen.

Wie mit diesem Problem umgehen? Erste Möglichkeit: die Geschichte zunächst ignorieren, um mutig nach vorne zu blicken. Oder aber, wie Bernd Gehrke insistiert, die Historie »kritisch und produktiv mit dem Blick nach vorn aufarbeiten«. Diese unterschiedlichen Ansätze sollten eine Gemeinsamkeit der bisherigen Beiträge nicht verdecken: In keinem Artikel gab es den Wunsch, einen Schritt zurück zum Staatssozialismus zu machen. Die Abgrenzung zum Staatssozialismus spiegelt auch die Dringlichkeit der ökologischen Frage wider, die die meisten Autor*innen umtreibt. Die Pläne im 20. Jahrhundert zielten darauf ab, das »kapitalistische Ausland erst einzuholen und dann zu überholen«. Die Folgen für die Menschen und das Natur-Mensch-Verhältnis sind dann ebenso verheerend wie unter freien Marktbedingungen. Ein Plan allein reicht also nicht und ist für sich genommen auch etwas anderes als geplantes, ökosozialistisches Wirtschaften jenseits des Kapitalverhältnisses. Dass geplantes Wirtschaften nur die notwendige, aber nicht die hinreichende Voraussetzung für einen rationalen Stoffwechsel mit der Natur darstellt, ist evident und sollte als weiterer gemeinsamer Grundzug der Diskussion anerkannt werden.

Damit es leichter wird, trotz der unterschiedlichen theoretischen Bezüge in der Planwirtschaftsdebatte aufeinander einzugehen und sowohl Gemeinsamkeiten als auch Differenzen herauszuarbeiten, folgt hier ein Versuch, die bisherige Diskussion in drei Felder zu sortieren.

1. Was wäre Grundlage der Planung?

Im Header zur Planwirtschaftsdebatte auf akweb.de heißt es: »Der erste Versuch mit Planwirtschaft hat nicht so gut geklappt. Doch jetzt gibt es Computer, Algorithmen und jede Menge neuer Planungstools, von denen Unternehmen so fleißig Gebrauch machen, als hätten sie noch nie von der unsichtbaren Hand des Marktes gehört.« Auch in den Debattenbeiträgen wird immer wieder darauf hingewiesen, wie viel und effektiv bereits heute innerhalb der konkurrierenden Unternehmen geplant wird, am eindrücklichsten durch Leigh Phillips und Michal Rozworski am Beispiel von Walmart. Sie schlussfolgern, dass es die neue Technologie uns ermöglicht, »eine Diskussion über das Wie – und nicht über das Ob« von Planung zu führen.

Bei aller Technikbegeisterung sollte aber César Rendueles Einwand berücksichtigt werden: »Tatsächlich haben die Kommunikationsmöglichkeiten in den letzten beiden Jahrzehnten rasant zugenommen.« Doch dieses gewichtige Argument mache den Anhänger*innen der Marktutopie möglicherweise zu viele Zugeständnisse. »Wer die liberalen Begriffe der Debatte akzeptiert, misst den technologischen Instrumenten beim Aufbau einer sozialistischen Alternative zu große Bedeutung bei. Auf diese Weise wird die Suche nach einem digitalen Substitut des Markts zur zentralen Frage, anstatt einfach nur ein interessantes Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.«

Die neuen Technologien als Hilfsmittel und als Form, was wäre dann der Inhalt? Georg Fülberth hat hier auf Paul Cockshott und Allin Cottrell verwiesen. »Neue mathematische Methoden und hohe Rechnerleistung machten es ihrer Meinung nach möglich, den Preis von Waren nicht länger aufgrund des Auspendelns von Angebot und Nachfrage auf dem Markt zu ermitteln, sondern ihn auf den Input von Arbeit, die für ihre Herstellung nötig ist, zurückzuführen.« Der Inhalt wäre hier der »Input von Arbeit«. Unser Vorschlag der Arbeitszeitrechnung geht in eine ähnliche Richtung, auch wenn wir weder das Vokabular noch Fülberths positive Referenz auf Cockshott und Cottrell teilen: »Würden die Produktionsmittel der Gesellschaft gehören, könnte man mit den zur Verfügung stehenden Arbeitskräften sowie den natürlichen und menschengemachten Ressourcen rational planen. Die Produkte würden dann nicht mehr als Waren produziert, und die geplante Arbeit wäre nicht mehr Quelle von Wert. Schließlich könnte eine allgemeine Arbeitszeitrechnung die geleistete Arbeitszeit direkt messen, anstatt den Umweg über den Markt und das Wertverhältnis zu gehen.«

Jörg Nowak merkte hierzu an, dass es eine Übereinkunft bräuchte, »was als Arbeitszeit zählt«: »Wenn diese Maß der Verteilung von Wohlstand sein soll, muss ›Arbeitszeit‹ definiert und erfasst werden. Zählt dann unbezahlte Haus- und Sorgearbeit dazu oder nicht?« Wäre letzteres der Fall, hieße dies »ein minutiöses Kontrollsystem einzuführen«, gibt er kritisch zu bedenken und liefert stattdessen einen alternativen Lösungsvorschlag: »Hier sind in vielen Bereichen kollektive Modelle möglich wie Küchen und Wäschereien in Nachbarschaftseinheiten auf Basis entlohnter Arbeit.«

Auch wenn die meisten Autor*innen nicht nur in dieser Debatte schnell dabei sind, über Verteilung zu diskutieren, sollte nicht vergessen werden, dass der Clou der Arbeitszeitrechnung darin bestehen würde, dass die allgemein-durchschnittliche Arbeitszeit als Rechen- und Kalkulationseinheit der Produktion dienen soll. Der Aufwand (zumindest an Arbeit) zur Herstellung der Produkte könnte festgestellt – und dem erwarteten Nutzen – gegenübergestellt werden. Dies bei Abwesenheit von Privatbesitz an Produktionsmitteln und ohne Lohnarbeit. Am Ende des Produktionsprozesses stünde nicht mehr die Ware, sondern das Produkt. Das Ware-Wert-Verhältnis wäre aufgehoben. Wie die Produkte, die für den individuellen Konsum bestimmt sind, verteilt werden, ist erst eine sich daran anschließende Frage.

Geplantes Wirtschaften ist nur die notwendige, aber nicht die hinreichende Voraussetzung für einen rationalen Stoffwechsel mit der Natur.

Dass der Staatssozialismus dies in Theorie und Praxis nicht geleistet hat, kann kaum geleugnet werden. Die staatssozialistischen Planungsmodelle würden aber in Bezug auf den grundlegenden Widerspruch der Warenproduktion auch dann nicht erfolgreicher, wenn sie demokratischer und partizipativer gestaltet wären. So argumentiert zumindest Simon Sutterlütti, der sich für das Modell der Commons starkmacht: »Aufgrund der Lohnarbeit teilt Staatswirtschaft ein zentrales Merkmal mit Marktwirtschaft: den Widerspruch von Gebrauchs- und Tauschwert. In einer Arbeitsgesellschaft mag Arbeiterinnen und Betrieben der Gebrauchswert ihrer Produkte am Herz liegen, aber sie müssen sich am Tauschwert orientieren. Arbeit dient vorrangig der individuellen Existenzsicherung. Dies schafft einen Widerspruch: Der Planstaat fordert gute Produkte, ehrliche Zahlen und Produktivitätssteigerung. Die zur Arbeit genötigten Betriebe interessieren hohe Zuwendungen, Minimierung des Aufwands und steigende Boni. Der Widerspruch von Tausch- und Gebrauchswert erscheint im Staatssozialismus als Widerspruch von (demokratischem) Staat und Betrieb, wobei der Staat keineswegs vollständig den Gebrauchswert-/Bedürfnisstandpunkte vertritt.« Überschrieben sind Sutterlüttis Zeilen mit »Kritik des (demokratischen) Staatssozialismus«, und als solche könnten wir sie beispielsweise sehr gerne mit unterschreiben. Oder soll diese Kritik auch gegen die Theorie der Arbeitszeitrechnung gelten, die es in staatssozialistischer Theorie und Praxis nicht gab? Dann müsste dies diskutiert werden.

Sutterlütti plädiert für »bewusst-kollektive Planung im Commonismus«. Es geht um »Quasi-Verträge«, die komplexe Re-/Produktionsketten ermöglichen. »Diese komplexe Signalwelt erlaubt die dezentrale Selbstorganisation der Betriebe und feste Absprachen und Planung zwischen ihnen.« Aber auch hier bleiben Fragen offen, wie Samuel Decker feststellt: Bei diesem Ansatz sei nicht vollständig geklärt, woher die produzierenden Commons Rohstoffe, Produktionsmittel und Arbeitskräfte erhalten oder wer ihnen diese gesellschaftlichen Ressourcen zuteilt. Wir würden an dieser Stelle darauf insistieren, dass die Produktion eine Rechen- und Kalkulationseinheit benötigt. Dies sah übrigens auch der Rätekommunist Anton Pannekoek so, auf den Sutterlütti sich in seinem Beitrag kritisch positiv bezieht.

Decker wiederum hat einen anderen theoretischen Bezugspunkt: Er bezieht sich auf Daniel E. Saros und dessen Buch »Information Technology and Socialist Construction«. »Demzufolge erhalten alle Endverbraucher*innen durch eine individuelle Identifikationsnummer Zugang zu einem sozioökonomischen Interface (dem ›General Catalog‹), in dem sie ihre Bedürfnisse in einer bestimmten Zeitperiode angeben. Diese Bedürfnisse verwandeln sich in ›Punkte‹, nach denen den sozialistischen Unternehmen Produktionskapazitäten zugeteilt werden – vergleichbar mit der Verwandlung von monetärer Nachfrage in Kapital. Viele Punkte führen auch zu einer hohen Verfügbarkeit von Produktionsmitteln und Arbeitszeit – und umgekehrt.« Dabei ist wichtig, dass die »Punkte« sich nicht wieder in Kapital verwandeln; »vielmehr verschwinden sie einfach mit der Einlösung des entsprechenden Bedürfnisses. Es gibt also noch Arbeit und Einkommen, aber keine Märkte mehr und kein Kapital«.

Für eine vertiefende Diskussion wäre es vor allem wichtig, mit welcher Fragestellung die Theorien der gesellschaftlichen Rechnungsführung wie der Arbeitszeitrechnung, der Commons oder dem General Catalog analysiert werden sollen. Allen dreien geht es offensichtlich um Produktion für Bedürfnisse statt Profit, sprich Verwertung des Werts (Marx). Anders als die meisten der in der Ökologiebewegung hegemonialen Postwachstumsdebatten müssten wir dann den Wert und seine Aufhebung in den Blick nehmen. Sinn und Zweck von direkt gemessener Arbeitszeit ist ja gerade Produktion »ohne Dazwischenkunft des vielberühmten Werts« (Friedrich Engels). Aber auch der Commons-Ansatz, wie Sutterlütti ihn beschreibt, rückt »den Widerspruch von Gebrauchs- und Tauschwert« ins Zentrum. Decker bezieht sich auf die Totalität der Marktbeziehungen: »Der Kapitalismus ist kein statisches Puzzle, aus dem … sukzessive Teile herausgelöst und durch etwas Neues ersetzt werden können«. Und sogar Gehrke, der vor allem auf Problematiken hinweist, stellt fest: Ein neues Äquivalenzverhältnis beim Austausch von Arbeit könne kein Wertverhältnis mehr sein. Von diesem Ausgangspunkt sollte man sich unseres Erachtens bei der Frage, wie genau geplant werden soll, wie also Bedürfnisse in eine Planung übersetzt werden könnten und was Grundlage einer solchen Planung wäre, leiten lassen.

2. Politische Formen und die Frage von (De-)Zentralität

Wie planen? – diese Frage könnte sich neben der Rechengröße genauso gut auf die politische Form beziehen, die der Planung zugrunde gelegt wird. Welchen Charakter die Formen von Planung haben, die sich im Kapitalismus entwickeln, beschreiben Phillips und Rozworski am Beispiel Walmart. Sie sprechen von einer diktatorischen Planwirtschaft: »Manager*innen sagen den Arbeiter*innen, was sie tun sollen, Abteilungen realisieren von oben vorgegebene Ziele, und Waren zirkulieren auf Befehl.«

Vermutlich alle Diskutant*innen würden zustimmen, dass eine »echte demokratische Kontrolle der Planung sowohl auf Unternehmens- als auch auf Regierungsebene die nicht verhandelbare Grundlage unserer Utopie sein« muss. Das ist auch unsere Ansicht. In unserem Artikel hatten wir uns allerdings zunächst nur auf bürgerliche Ökologiebewegte eingeschossen und mit der Arbeitszeitrechnung eine andere »Basis der gesellschaftlichen Rechnungsführung« ins Zentrum gerückt. Fragen nach dem Weg und den politischen Formen hatten wir in diesem Artikel ausgeblendet.

Zeichnung einer Fabrik, aus der unsichtbare Pflanzen wachsen
Grüner Kapitalismus, das wird nichts. Aber kann ein grüner Kommunismus funktionieren?
Illustration: Janik Söllner

Diese Leerstelle hat Missverständnisse produziert, an denen wir wohl nicht ganz unschuldig waren: »Die Argumentation von Broistedt/Hofmann verbleibt letztlich im bürgerlichen Verständnis einer ›rationalen Gesellschaft‹; die Planung erscheint so nur noch eine rein technische Angelegenheit zu sein«, so Gehrke. Auch Milo Probst und Florian Skelton kritisieren: »Der Verzicht, die Frage des Subjekts zu behandeln, ist ein wenig verzeihliches Versäumnis. Leider kein Einzelfall in der Debatte um ökologische Planwirtschaft; auch in den Beiträgen dieser Artikelserie finden sich Beispiele.«

Parlamente, Räte, Volksabstimmungen oder Versammlungen auf kommunaler, regionaler, nationaler und transnationaler Ebene: Verfahren, in denen Demokratie und Partizipation ausgeübt werden könnten, sind in der Debatte einige gefallen. Gerade die Frage der Entitäten hat es dabei in sich, wie Jörg Nowak feststellt: »Mit Volksabstimmungen ist aber die Frage der Interessen der Arbeitenden in Konversions-Bereichen nicht annähernd geklärt. Haben diese ein Vetorecht – auch wenn sie bornierte Partikularinteressen vertreten?« Eine heikle Frage vor allem angesichts der ökologischen Katastrophe, wie auch Rendueles ausführt. »Zum ersten Mal steht radikale Politik vor der Aufgabe, eine postkapitalistische Alternative zu schaffen, die nicht auf Wachstum und Überfluss beruht – zumindest nicht in der Form, wie wir sie in der Moderne kannten –, sondern auf einer kollektiven Vorstellung des guten Lebens auf Grundlage einer gerechten, egalitären und realistischen Austerität.« Um diese kollektiven Vorstellungen zu entwickeln und umzusetzen, bedarf es verschiedenster Partizipationsverfahren.

Aber wer entscheidet was auf welcher Ebene, was wird auf welchen Ebenen geplant? Vor allem auf den Unterschied zwischen zentraler und dezentraler Planung wurde in der Debatte verwiesen. Der Ausgangspunkt scheint bei den meisten Diskussionsteilnehmer*innen derselbe: Eine ausschließlich zentrale Planung, die alle Entscheidungen top-down gibt, ist keine Lösung. Auf der anderen Seite dürfte es bei bloß dezentraler, autonomer Planung unmöglich werden, komplexe Produkte herzustellen, Infrastrukturen wie das Internet oder ein Bahnnetz zu betreiben oder wirksame Maßnahmen gegen die Erderhitzung zu ergreifen. Worum es also gehen muss, ist eine Vermittlung zentraler und dezentraler Planungsmomente bei Abwesenheit von Marktbeziehungen.

Wichtig bei der Diskussion um die Momente von zentraler versus dezentraler Planung ist es unseres Erachtens, sich nicht den kapitalistischen Markt durch die Hintertür zurückzuholen. Produktion für einen Markt bringt den Tauschwert hervor. Dies muss unseres Erachtens der Leitgedanke sein, wenn wir die Fragen vertiefen wollen, wie die echte demokratische Kontrolle der Planung aussehen kann und welche Rolle dabei die zentralen und dezentralen Planungsmomente zu spielen hätten.

3. Revolutionäre Realpolitik – revolutionärer Bruch

Die Frage der nächsten Schritte hin zu einer ökosozialistischen Gesellschaft ist verzahnt mit den oben dargestellten Aspekten. Schließlich geht es um Gewichtung und Verhältnis von (sozialökologischer) Bewegung und Staat. Sollen Commons nach und nach von unten entstehen, oder soll von oben, durch Aneignung und Transformation der Instrumente des Staates, der General Catalog installiert werden?

Eines der interessantesten Momente der bisherigen Debatte ist, dass sich kein Beitrag in den eingefahrenen Schemata der linken Staatsdoktrinen bewegt, also pro oder kontra Staat, oder pro oder kontra revolutionärem Staat usw. Die Dramatik der Entwicklung des Überschreitens der globalen materiellen Grenzen zwingt dazu, so schnell wie möglich praktisch zu werden. Wer die ökologische Frage ernst nimmt, kann nicht davon ausgehen, dass wir in den nächsten Jahren in aller Ruhe eine »konkrete Utopie« der Planwirtschaft ausfeilen können. So wichtig diese Debatte ist, es kommt nun darauf an, in die laufende gesellschaftliche Debatte um die anstehende grüne Transformation einzugreifen – auch wenn diese überwiegend noch als Technologiedebatte im Rahmen dieser Gesellschaftsordnung geführt wird.

Wenn die drohende ökologische Katastrophe noch verhindert werden soll, müssen jetzt Maßnahmen umgesetzt werden – und sei es nur, um zunächst Zeit zu gewinnen. In dieser Situation ist tatsächlich »jeder Schritt wirklicher Bewegung wichtiger als ein Dutzend Programme« (Marx).

Es muss gelingen, die heilige Kuh des Bürgertums – die Eigentumsfrage – ins Zentrum zu rücken.

Resümierend schlagen wir vor, die Debatte aufzuteilen. Die hier aufgeführten Fragen der »Grundlagen von Planung« und der »politischen Formen von Planung« bleiben wichtig für die dringend benötigte langfristige Perspektive. Lohnenswert wäre es, die Planwirtschaftsdiskussion als ökosozialistische Debatte fortzuführen. Es sollte dabei nicht nur um ein bisschen mehr Planung hier oder dort gehen, sondern um die große Frage, wie künftig die assoziierten Produzent*innen ihren Stoffwechsel mit der Natur rational regeln könnten, ohne sich über die Hintertür den Tauschwert zurück in die Produktion zu holen.

Unabhängig von der Planwirtschaftsdebatte hat Christian Zeller, wie eingangs bemerkt, eine Strategiedebatte über einen »umfassenden gesellschaftlichen Umbruch« gefordert. Dies ist auch unseres Erachtens die wichtigste Aufgabe der Stunde. Diese Debatte müsste weit über ak und die eigentliche Planwirtschaftsdebatte hinaus geführt werden und das Ziel haben, direkt in die bürgerliche Diskussion um die technologische, grüne Transformation einzugreifen. Dabei müsste es gelingen, die heilige Kuh des Bürgertums – die Eigentumsfrage – ins Zentrum zu rücken und unermüdlich die Notwendigkeit des revolutionären Bruchs zu betonen, als einzige adäquate und realistische Antwort auf die »abrupten Brüche im Klima- und Erdsystem«.

Christian Hofmann

veröffentlichte gemeinsam mit Philip Broistedt »Goodbye Kapital« (2020) und »Planwirtschaft« (2022).

Philip Broistedt

veröffentlichte gemeinsam mit Christian Hofmann »Goodbye Kapital« (2020) und »Planwirtschaft« (2022).