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|ak 691 | Feminismus

»Die Republikaner wollen uns umbringen«

Wie sie mit einem kleinen Fonds dafür kämpft, im erzkonservativen Texas den Zugang zu Abtreibungen aufrechtzuerhalten, erzählt Makayla Montoya Frazier

Interview: Kornelia Kugler

Eine junge Frau mit zwei Zöpfen steht in einer Wohnung, uf ihrem Shirt steht "Advocates for Youth", im Hintergrund ein paar Pflanzen und Katzenfiguren
»Die Leute verdienen, dass es ihnen gut geht bei einer Abtreibung«, sagt Makayla Montoya Frazier. Mit dem Buckle Bunnies Fund versucht sie seit 2020, diesem Ziel näher zu kommen. Foto: Kornelia Kugler

Makayla Montoya Frazier ist 23 Jahre alt und lebt in San Antonio, Texas. Kurz nach ihrem 19. Geburtstag hatte Montoya Frazier ihre erste Abtreibung. Das war 2018, damals waren Schwangerschaftsabbrüche in Texas noch legal möglich. Seitdem hat sich vieles geändert. Im Jahr 2021 trat die Senate Bill 8 in Kraft, auch bekannt als »Heartbeat Act«. Seither sind Abtreibungen in Texas nach der sechsten Schwangerschaftswoche verboten, Bürger*innen können jede*n verklagen, der*die eine solche Abtreibung durchführt oder »Beihilfe« leistet. Im Juni 2022 kippte der Oberste Gerichtshof der USA das Recht auf Abtreibungen auf Bundesebene, seitdem haben viele republikanisch regierte Staaten Abtreibungen illegalisiert. (ak 684) Schon 2020 hatte Montoya Frazier mit einer Handvoll Freund*innen den Buckle Bunnies Fund gegründet, einen Fonds, der Schwangeren helfen soll, an eine Abtreibung zu kommen. Was sich durch die neuen Gesetze verändert hat, und wie sie im erzkonservativen US-Süden für das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung kämpft, erzählt Montoya Frazier im Interview.

Wie bist du dazu gekommen, einen Abtreibungsfonds ins Leben zu rufen?

Makayla Montoya Frazier: Ich bin in San Antonio geboren. Mein politisches Bewusstsein ist stark davon geprägt, dass mein Vater den größten Teil meiner Kindheit im Gefängnis war. Wir wussten also aus erster Hand, dass das Gefängnissystem niemandem hilft. Das war das Bewusstsein, mit dem ich und meine Geschwister aufgewachsen sind: Viele Dinge laufen schlecht, und wenn du willst, dass sich was ändert, musst du dich selbst dafür einsetzen. Mit Politik habe ich als Sex Work Organizerin angefangen. Ich habe meine Freund*innen im Strip Club organisiert, um bessere Arbeitsbedingungen zu fordern, denn am Ende sind wir alle Arbeiter*innen. Dann wurde ich schwanger. Ich war damals 18, wusste nicht, welche Kliniken Abtreibungen anbieten, oder an wen ich mich wenden soll. Ich war schon im dritten Monat, als ich den Tatsachen ins Auge geschaut habe, vorher habe ich einfach so getan, als wenn das Problem nicht da wäre, wenn ich nichts davon weiß.

Wenn du jung bist, achtest du sowieso nicht wirklich auf deine Periode, oder?

Absolut! Ich habe in der Zeit Drogen genommen und viel getrunken, im Strip Club gearbeitet, es gab einfach kaum Nährstoffe in meinem Körper. Deshalb dachte ich, wenn ich meine Periode mal nicht kriege, ist das völlig normal. Trotzdem wusste ich eigentlich, dass ich schwanger war. Ich musste mich permanent übergeben, meine Brüste waren riesig – das war das Beste daran –, also war klar: Ich brauche einen Schwangerschaftstest. So bin ich im CPC gelandet.

CPC?

Crisis Pregnancy Center. Das sind Einrichtungen, mit denen christliche Rechte versuchen, Schwangere dazu zu bringen, das Kind zu bekommen. Sie bieten kostenlose Schwangerschaftstests und Ultraschalluntersuchungen an und locken dich so in ihre Fänge. Mein Bruder zum Beispiel hat mit 15 ein Mädchen geschwängert. Sie hat das Kind bekommen, und im CPC gab es die Windeln umsonst – aber nur, wenn sie regelmäßig zum Unterricht kamen. Unsere Familie hatte kein Geld, deshalb mussten sie da mitmachen. Ich habe also direkt miterlebt, wie mein Bruder von diesen Leuten dazu getrieben wurde, das Baby zu bekommen. Er hat nicht mal wirklich an das Zeug geglaubt, was sie ihm erzählt haben, aber er brauchte Hilfe.

In Deutschland wird die Anti-Abtreibungsbewegung auch von Teilen der Kirche, aber vor allem von der extremen Rechten unterstützt.

So ist es hier auch, auch wenn das vielen Leuten nicht bewusst ist. Die Proud Boys und andere Nazigruppen hängen sich sehr rein in die Bewegung. Ebenso christliche Gruppen. Im Endeffekt unterscheiden sie sich nicht allzu sehr. Beide lieben die Vorstellung, Leuten ihre Rechte wegzunehmen.

Wie ging es mit deiner Schwangerschaft weiter?

Ich wusste ja so gut wie nichts über Abtreibungen. Ich wollte nur die Untersuchung im CPC, um zu sehen, wie weit ich schon bin. Den Test habe ich bekommen, aber sie haben mir das Ergebnis erst gesagt, nachdem ich eine zweistündigen »Beratung« mitgemacht habe. Darin ging es um meine Optionen, das Kind zu bekommen, meine Vergangenheit und darum, was Abtreibungen sind. Allerdings waren das lauter Falschinformationen: Abtreibungen könnten mich umbringen, ich könnte Brustkrebs kriegen, eine der Abtreibungspillen würde dazu führen, dass das Baby elendig verhungert, und andere Gruselgeschichten. Am Ende bekam ich einen Strampelanzug und die Nachricht: Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger! Das war an meinem 19. Geburtstag. Kein guter Zeitpunkt.

Christen und Nazis lieben die Vorstellung, anderen Leuten ihre Rechte wegzunehmen.

Diese Center entstehen jetzt überall?

In Texas gibt es mindestens 100, allein in San Antonio zwölf – und das sind nur die, die ich kenne. Es gibt auch CPCs, die etwas versteckter arbeiten und sich als etwas anderes ausgeben. Viele der Adoptionsagenturen und -programme werden auch mit dem »Alternatives to Abortion«-Geld finanziert.

Ist das Geld, das der Bundesstaat gibt?

Genau. 100 Millionen Dollar waren es im letzten Jahrzehnt, jetzt haben sie den Betrag auf 102 Millionen für die nächsten zwei Jahre erhöht.

Was hast du nach der Untersuchung gemacht?

Mir war sofort klar: Ich brauche eine Abtreibung. Der Typ, mit dem ich damals zusammen war – ich hatte null Interesse, mit ihm zusammenzubleiben. Und ich hatte nicht den geringsten Wunsch, ein Baby zu kriegen. Ich habe also angefangen, Geld zu organisieren, habe meine Freund*innen bei den DSA gefragt, ob sie Abtreibungsfonds kennen. Damals waren Abtreibungen allerdings kein großes linkes Thema, niemand kannte einen. Von dieser Erfahrung war ich krass gepisst. Ich dachte, es kann doch nicht wahr sein, dass es so wenig Unterstützung gibt. Ich bin weiß, die Klinik ist quasi um die Ecke, ich war noch locker im Zeitrahmen für legale Abtreibungen – ich hatte also eigentlich keine großen Hürden abgesehen vom Geld, und trotzdem war es so schwierig! Drei Monate nach meiner Abtreibung wurde die Klinik geschlossen. Einfach, weil genug Leute jeden Tag dafür demonstriert hatten. Das hat mich so aufgeregt! Und dann, genau ein Jahr später, bin ich wieder schwanger geworden. Die Klinik gab es nicht mehr. Also musste ich mich nach Alternativen umsehen. So habe ich von Abtreibungspillen erfahren. Allerdings hatte ich ausschließlich Misoprostol. (1) Es war furchtbar.

In Polen, wo Abtreibungen auch illegalisiert sind, wird das auch viel gemacht. Weil Misoprostol als Medikament gegen Krämpfe oder nach OPs verschrieben wird, ist es weniger auffällig.

Hier genauso. Ich hab es aus Mexiko bekommen. Hier kann man es nicht ohne Rezept kaufen, in Mexiko kriegt man es für 30 Dollar in jeder Apotheke. Aber es war immer noch zu kompliziert. Also habe ich angefangen, mich richtig zu informieren, wie man Abtreibungen am besten selbst machen kann. Erst da wurde mir klar, dass es noch viel mehr Leute gibt, die diese Arbeit machen und Schwangere bei selbstorganisierten Abtreibungen begleiten, und dass das etwas ist, was ich auch machen wollte. Weil auch die Abtreibungskliniken nicht perfekt sind. Du hast dort nur sehr wenig Betreuung – und es ist teuer. In Texas gab es zu der Zeit nur einen Abtreibungsfonds. Von denen hatte ich zwar 80 Dollar bekommen, aber die Abtreibung hat 900 gekostet. Und dann, ziemlich zu Beginn der Covid-19-Pandemie, hat unser Gouverneur Greg Abbott Abtreibungen ausgesetzt. Mit der Begründung, dass es nicht medizinisch notwendige, optionale Eingriffe seien, wie Schönheitsoperationen. Was verrückt ist, weil ich während Covid mehrmals meine Lippen habe machen lassen. Das war natürlich kein Problem.

War das der Auslöser, den Buckle Bunnies Fonds zu gründen?

Ja. Ich hatte das Gefühl, dass Jüngere bei den existierenden Abtreibungsfonds oft nicht so mitgedacht werden. Also dachte ich, ich suche mir andere in meinem Alter, und wir stellen Geld für Leute zur Verfügung, die zu ihren Abtreibungen in andere Bundesstaaten fahren müssen. Und wenn sie lieber mit Pillen abtreiben wollen, können wir ihnen auch dabei helfen. Es gab am Anfang viel Skepsis uns jungen Leuten gegenüber, aber wir haben uns durchgebissen.

Wie denkst du allgemein über selbstorganisierte Abtreibungen? Klar, Autonomie ist wichtig, denn der Staat kann dir deine Rechte so schnell wegnehmen. Auf der anderen Seite ist es so einsam, wenn du ganz allein vor der Aufgabe stehst.

Buckle Bunnies hat mittlerweile etwa 2.000 selbstorganisierte Abtreibungen unterstützt. Wir arbeiten inzwischen auch als Doulas. (2) Es haben schon so viele Leute hier auf meinem Sofa übernachtet, während sie ihre Abtreibung hatten. Ich glaube, das ist die Zukunft, dass man auch persönliche und emotionale Betreuung erhält von Menschen, die das gleiche durchgemacht haben. Die Leute, von denen wir die Doula-Skills lernen, erzählen uns die ganze Zeit, dass es um Mitgefühl und emotionale Unterstützung geht und darum, den Leuten Würde und Menschlichkeit zu geben. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich diese Dinge in einer medizinischen Situation mal erlebt hätte. Deshalb ist Doula Care so wichtig für uns, gerade jetzt, wo viele Leute ausschließlich mit Misoprostol abtreiben müssen, denn das ist hart. Und es klappt auch nicht immer. Am Anfang war ich überrascht, als ich das gehört habe, aber inzwischen kenne ich eine Menge Leute, bei denen es nicht funktioniert hat. Ja, es ist toll, dass es diese Option gibt, aber die Leute verdienen, dass es ihnen gut geht bei einer Abtreibung, darum müssen wir uns kümmern.

Wir sind die einzigen in Texas, die noch Abtreibungen finanziell unterstützen. Wer Geld für eine Abtreibung braucht, muss jetzt zu uns kommen.

Wie ist die juristische Situation für Menschen, die ihre Abtreibung selbst machen, jetzt?

Völlig unklar. Wenn du im Gesundheitsbereich auf jemand böswilligen triffst und die Person eine Meldung macht, oder wenn dich Bekannte oder deine Familie verpfeifen, dann kannst du Probleme kriegen. Das macht es so einsam. Viele wissen nicht, wem sie trauen können. Eine der beängstigendsten Dinge bei selbstorganisierten Abtreibungen, die Leute dazu bringt, medizinische Hilfe zu suchen, wodurch sie dann gemeldet werden, sind die Symptome. Die meisten wissen nicht, was auf sie zukommt, und dann denken sie, sie bluten zu stark oder zu wenig, oder die Krämpfe sind zu stark oder zu schwach und so weiter. Abtreibungen sind für alle anders. Das ist schwer zu verstehen und zu vermitteln. Wenn du keine erfahrene Person hast, die dich begleitet, bekommst du Angst und gehst zum Arzt. Das ist der Moment, wo du juristische Probleme kriegen kannst. Auch deshalb wäre mehr Doula-Arbeit so wichtig.

In vielen Bundesstaaten, in denen Abtreibungen noch legal sind, entstehen gerade Start-ups, bei denen du Pillen bestellen oder dich telefonisch beraten lassen kannst. Andere wie Aid Access (3) von Rebecca Gomperts gibt es schon länger. Wie wichtig ist dieses Angebot?

So viele Leute bestellen sich ihre Pillen bei Aid Access. Meistens bestellen sie sie ohne die Tele-Beratungsoption, weil es dann billiger ist. Oft melden sich Leute bei uns, die bei Aid Access Pillen bestellt haben, und dann nicht wissen, wie es weitergeht. Sie wollen nur jemanden, der für sie da ist. Ich versuche immer, das möglich zu machen, denn die Alternative ist, dass sie googlen, widersprüchliche Informationen finden und es dann bleiben lassen. Denn ehrlich gesagt, eine Abtreibung per Pille selber zu machen, erfordert viel Mut.

Gibt es hier auch Leute, die versuchen, mit den Pillen ein Geschäft zu machen? Oder Fake Pillen schicken?

Ja, das wird offenbar gerade ein größeres Problem. Ich habe schon von Leuten gehört, dass ihre Pillen fake oder abgelaufen waren. Sie bestellen sie auf allen möglichen Wegen, auch von dubiosen Online-Apotheken. Oder der Versand braucht zu lang, und wenn die Pillen endlich ankommen, hättest du schon wieder eine andere Dosis gebraucht. Wir versuchen, von den Abortion Funds aus Mexiko zu lernen. Sie haben so viel Erfahrung, denn dort waren Abtreibungen so lange kriminalisiert, dass sie die Unterstützung für selbstorganisierte Abtreibungen perfektioniert haben. Dort gibt es für viele Probleme, die wir jetzt haben, schon lange Lösungen. Ich kenne wirklich keine besseren als die mexikanischen Organisationen. Und sie sind so bereit, ihre Erfahrungen zu teilen: »Tut mir so Leid, dass du jetzt unter diesen Umständen arbeiten musst, Honey, hier ist alles, was ich weiß.« Es ist mir so unangenehm, dass US-Organisationen oft so bedacht darauf sind, ihr Wissen zu schützen und ihr Revier zu markieren. Es geht oft mehr um das Geld und die Politik der Non-Profits als um die eigentliche Care-Arbeit.

Eine Person von einem anderen Fonds erzählte, dass sie sich damit auch selbst finanziert, weil sie die Arbeit sonst nicht machen könnte. Aber an diesem Non-Profit-Aktivismus gibt es auch Kritik, oder?

Oh ja! Du hast Recht, es ist zweischneidig. Aber je stärker du dich professionalisierst, desto mehr musst du darauf achten, dich an die Gesetze zu halten. Ich denke, man sollte Menschen nicht bei ihren Abtreibungen helfen, um Geld damit zu verdienen. Das setzt eine Dynamik in Gang, die du nicht kontrollieren kannst. Wir haben oft darüber diskutiert, auch weil uns so viele geraten haben, ein Non-Profit zu werden. Aber wir haben uns dagegen entschieden.

Was ist euer juristischer Status?

Nichts. Wir sind Individuen.

Du sprichst sehr offen über Abtreibungen und trittst mit deinem Namen auf. Wie ist das für dich?

Zum Glück kriege ich momentan nicht so viele Drohungen. Ich hatte schon sehr früh mit heftiger Onlinebelästigung zu tun, schon beim Sex Worker Organizing. Ich finde, es hilft, sich bewusst zu sein, wer die Gegner sind und wozu sie fähig sind. Aber klar, manchmal macht einen der Gedanke fertig, dass irgendjemand da draußen durchdrehen und einem etwas antun könnte.

Wie groß ist eure Szene?

Buckle Bunnies sind nur fünf Leute. Wir sind die einzigen in Texas, die noch Abtreibungen finanziell unterstützen. Alle anderen haben ihre Aktivitäten pausiert, oder, sofern sie ihre Arbeit wieder aufgenommen haben, aufgehört, Abtreibungen zu finanzieren.

Warum?

Weil sie der Meinung sind, dass es zu gefährlich ist. Auch weil Leute wie Jonathan Mitchell, der Kopf hinter all den Klagen und Gesetzesverschärfungen, versuchen, alle Einrichtungen, die in Texas Abtreibungen unterstützen, in einem Verfahren zu verklagen. Er ist ein Fanatiker.

Ich finde es auffallend, wie planvoll die Republikaner vorgehen.

Ja, ich verstehe nicht, warum die Demokraten so entspannt sind. Denn wie die Republikaner es machen, ist wirklich kreativ und detaillversessen, das muss man ihnen lassen, sie gehen den kleinsten Dingen nach. Es gibt jetzt einen Gesetzesentwurf, den sie durchbringen wollen und werden, der die Pharmacist Discretion zurückbringen wird. Das bedeutet, wenn ein Apotheker dir keine Verhütungsmittel oder Abtreibungspillen oder keine Pille danach geben will, muss er nicht. Wegen seiner religiösen Überzeugung. Das werden sie vermutlich dieses Jahr in Texas wieder einführen.

Ein Cap mit der Aufschrift "Abortion Pills" liegt auf einer Kommode.
Selbstorganisierte Abtreibungen mit Pille sind in mehreren US-Bundesstaaten inzwischen die einzige Möglichkeit, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Texas will jetzt auch diese Möglichkeit einschränken. Foto: Kornelia Kugler

Denkst du, in Texas werden jetzt viele ungewollte Babys auf die Welt gebracht? Oder finden die meisten irgendwie einen Weg?

Bei Buckle Bunnies können wir noch keinen Rückgang beim Bedarf nach Abtreibungen feststellen, aber das liegt auch daran, dass die anderen Fonds die Finanzierung eingestellt haben. Wer in Texas Geld für eine Abtreibung braucht, muss jetzt zu uns kommen. Aber ja, statistisch soll es weniger Abtreibungen geben. Es ist beängstigend, daran zu denken.

Ich finde so hart an vielen Geschichten über ungewollte Schwangerschaften, wie oft sie mit Gewalt verbunden sind, mit sexueller Gewalt, Gewalt in der Partnerschaft, auch ökonomischer Gewalt.

Abtreibungen könnten so gut helfen, intergenerationelle Gewaltgeschichten zu durchbrechen. Ich habe so oft von Leuten, die sich an uns gewandt haben, gehört: Ich brauche eine Abtreibung, aber mein Freund darf es nicht wissen. Dann wirfst du noch ein Kind in diesen Mix, und die Gewalt eskaliert. Oder die schwangere Person will sich trennen – das sind exakt die Momente, wo es am wahrscheinlichsten ist, von seinem Partner ermordet zu werden: wenn du schwanger bist, oder wenn du dich trennen willst. Die Republikaner wollen uns wirklich umbringen.

Ist die Pille danach noch möglich in Texas?

Ja, aber man bekommt sie eigentlich nur in der Apotheke. Daran kann ab September die geplante Pharmacists Discretion etwas ändern. Nicht komplett, aber es ist der erste Schritt, um es schwieriger zu machen. Deshalb verteilen wir gerade die Pille danach kostenlos, vor allem an junge Leute, High School Kids.

Was denkst du, wie es von hier aus weitergehen wird?

Ich hoffe natürlich, dass die Liberalen irgendwann aufwachen und auch anfangen, Detailarbeit zu machen und krasse Gesetze auf den Weg zu bringen. Aber ich glaube nicht wirklich daran. Ich denke außerdem, dass sich viel mehr Leute mit selbstorganisierten Abtreibungen auseinandersetzen und auch eine gute Begleitung ins Leben rufen müssen.

Und wie macht ihr weiter?

Ich will ein Community Center aufmachen. Wir würden gern ein paar medizinische Leistungen anbieten, auch unsere Doula-Qualitäten verbessern, und wenn wir dann Windeln, Ultraschall und Schwangerschaftstests kostenlos anbieten können, kriegen wir die Leute vielleicht weg von den CPCs, das wäre so toll! Dann könnten wir Leuten helfen, echte Lebensentscheidungen zu treffen.

Kornelia Kugler

ist Filmemacherin und Teil des queerfeministischen Filmkollektivs Systrar Productions.

Anmerkungen:

1) Misoprostol bewirkt Kontraktionen in der Gebärmutter und wird für Schwangerschaftsabbrüche am besten in Kombination mit Mifepriston eingesetzt.

2) Eine Doula ist eine nicht medizinisch ausgebildete Geburts- oder Abtreibungshelferin.

3) Aid Access ist eine Non-Profit-Organisation, die Abtreibungsmedikamente in den USA und weltweit vertreibt.

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