Von Hollywood bis Nairobi
Wie Arbeitskämpfe gegen den zunehmenden Einfluss von KI aussehen können
Von Paul Dziedzic
Der erste Schuss im Kampf der Arbeiter*innen gegen den KI-Kapitalismus fiel im Mai 2023 in Hollywood. Da war der mittlerweile weltberühmte Chatbot von OpenAI, ChatGPT, gerade mal fünf Monate alt. Zwei Monate waren vergangen, seitdem ein KI-generiertes Bild des Papstes in einer dicken weißen Daunenjacke und einem großen, glitzernden Kreuz um den Hals viral ging. Dass, wie in einer Studie der Arbeitsorganisation ILO errechnet, jeder vierte Job von KI ersetzt werden könnte, dafür hatten besonders diejenigen eine Antenne, die in der kreativen Industrie arbeiten – wie die Genoss*innen der Schauspieler*innengewerkschaft SAG-AFTRA und der Gewerkschaft der Autor*innen der Film- und Fernsehindustrie Writers Guild of America, die in den Streik traten. (ak 695) Denn nicht nur wurden sie bereits seit Aufkommen der Streamingdienste schlechter bezahlt, nun befürchteten die Arbeiter*innen, dass ihre Bildnisse geklaut und Autor*innen durch KI ersetzt werden würden. Nachdem Hollywood fünf Monate stillgelegt worden war, ließ sich die Industrie auf Absicherungen gegen den Einsatz von KI ein.
So fulminant dieser erste Knall war, so prekär bleibt die Situation für andere, deren Arbeit weniger Sichtbarkeit genießt. Beispielsweise die der Content-Moderator*innen für Social-Media-Plattformen, die beim Sichten von Beiträgen täglich mit psychisch belastenden Inhalten von extremer Gewalt konfrontiert werden. Nebenbei trainieren sie schon ihre Ablöse, die KI. Für ByteDance, Betreiber der Videoplattform TikTok, war trotz hoher Einnahmen die Zeit gekommen, seine Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen. In Berlin sollte es 150 Content-Moderator*innen treffen, die sich im Sommer gegen ihre Entlassung zu Wehr setzten. Trotz monatelangem Streik und medialer Aufmerksamkeit konnten sie die Entscheidung der Tech-Plattform nicht rückgängig machen, aber immerhin Abfindungen aushandeln.
Gegen ausbeuterische Jobs
Wo Arbeiter*innen gewerkschaftlich organisiert sind, kämpfen sie schon jetzt in einzelnen Betrieben dafür sich abzusichern und Verträge mit Klauseln zu KI zu ergänzen. Dass KI die Jobs ganz ersetzt, sehen die Autor*innen der ILO-Studie übrigens nicht, sie sprechen vielmehr von einem »Wandel«.
Diesen Trend erlebten die Mitarbeiter*innen am Nairobi-Standort eines ominösen Unternehmens namens Sama schon vor ChatGPT. Sama stellt für große Unternehmen wie Meta oder OpenAI »Trainingsdaten« für KI-Entwickler*innen bereit. Angelockt wurden die Mitarbeiter*innen, die in Kenia und unterschiedlichen Ländern in Afrika rekrutiert wurden, mit einem komfortablen Job in einem seriösen Tech-Unternehmen. Dort angekommen stellten sie fest, dass sie in einem ausbeuterischen Arbeitsverhältnis mit einer Bezahlung von unter zwei US-Dollar gelandet waren. Ihre Arbeit bestand aus dem Moderieren von Social-Media-Posts, andere mussten Aufnahmen, Bilder und Texte sichten und diese für KI-Firmen »etikettieren« (labeln). Für die Angestellten war die Arbeit psychologisch extrem belastend, bei einigen wurden posttraumatische Belastungsstörungen oder Angststörungen diagnostiziert. Das Unternehmen feuerte Arbeiter*innen, die eine Betriebsgewerkschaft gründen wollten, und bot keine psychische Unterstützung für die traumatisierten Kolleg*innen. Über die Arbeitsbedingungen bei Sama berichteten mehrere Medienhäuser, unter anderem das US-Magazin Time sowie die britische Zeitung The Guardian. Mittlerweile haben einige Ex-Angestellte die Firma auf Schadensersatz verklagt.
Wer ihre Unzufriedenheit mit beschissenen Jobs übrigens am lautesten artikuliert, ist bekanntermaßen die Gen Z (in bürgerlichen Medien dafür verschrien). In Indonesien war die Wut auf schlechte (Tech-)Arbeit einer der Schlachtrufe während der Gen Z Revolte. Denn das Land verzeichnet zwar Wachstum, aber eben nicht an guter Arbeit. Immerhin war der Auslöser der Revolte der Tod von Affan Kurniawan durch die Polizei. Kurniawan arbeitete für einen online Lieferdienst. Auch in Kenia geht die Jugend immer wieder auf die Straße. Vielleicht ist es kein Zufall, dass am höchsten Gericht nun darüber entschieden werden muss, ob Tech-Multis wie Meta dort im Zusammenhang mit ausgelagerter Arbeit wie der von Sama verklagt werden können. Denn auch dort ist die Jugend wütend über den Zustand der Arbeit. Es zeigt sich auch hier, dass es sich gegen die Zustände zu kämpfen lohnt und dass es wichtig ist, Tech-Unternehmen die Maske des Magischen und Übermächtigen zu entreißen.

Maik Banks
macht sequentielle Kunst und arbeitet zurzeit an einer Comic-Biografie über die Anarchistin Emma Goldman. Maik hat die Illustrationen zu diesem Schwerpunkt angefertigt und zeichnet auch sonst regelmäßig für ak und andere Medien. Online ist er zu erreichen unter www.maikbanks.com, auf Instagram unter @maikbanks und für Patreon-Unterstützer*innen auf www.patreon.com/maikbanks.