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Auf Kosten der Reichen

Würden Vermögende so wenig Energie verbrauchen wie Arme, bräuchte es keine Gaspreisbremse

Von Guido Speckmann

Ein karg eingerichteter Raum mit Heizung und einem leeren Stuhl davor
Trotz Heiligenbild ist diese Heizung wohl kalt geblieben. Foto: Dominik Kuhn/Unsplash

Es sind so krasse Unterschiede, dass man sie sich immer wieder vor Augen halten muss: Das reichste Prozent der Deutschen verbraucht im Jahr rund 400 Gigajoule Gas, Strom und Ölprodukte. Der Durchschnittsverbrauch einer in Deutschland lebenden Person liegt bei nur 87 Gigajoule. Das reichste Zehntel verbraucht jährlich ungefähr so viel Energie wie die ärmsten 40 Prozent. 

Angenommen, die reichen Personen würden so viel Energie nutzen wie die ärmere Hälfte in Deutschland, würde der Energieverbrauch um fast ein Drittel geringer sein; die Preise würden sinken. Dann müsste über Gasrationierungen, kalte Wohnzimmer und sozialen Sprengstoff kaum noch geredet werden. Zugleich wäre klimapolitisch endlich einmal richtig was getan. Denn ähnlich krass wie der Energieverbrauch geht der Anteil an den CO2-Emissionen mit steigenden Einkommen einher: je reicher, desto mehr Energiekonsum und desto mehr Ausstoß von Treibhausgasen. 

Diese krassen Unterschiede werden von der Kommission Erdgas und Wärme der Bundesregierung ignoriert. Würde die Regierung ihre Vorschläge umsetzen, was als wahrscheinlich gilt, subventionierte sie einmal mehr den Energiekonsum der Reichen, obwohl diese höhere Energiekosten locker aus ihren Ersparnissen zahlen können. Von einer »Krisenpolitik für Besserverdienende« spricht zu Recht der Co-Chef der Linkspartei. Es werden erneut Abermillionen verschwendet, die locker ausgereicht hätten, Gering- und Mittelverdienende sowie Transferbeziehende ihre existenziellen Sorgen zu nehmen – wenn denn das Geld gezielt und sozial gestaffelt an sie ausgezahlt würde.

Das reichste Zehntel verbraucht jährlich ungefähr so viel Energie wie die ärmsten 40 Prozent. 

Die vorgeschlagene Übernahme des Gasabschlags im Dezember würde immerhin eine merkliche Entlastung darstellen. Das Verbraucherportal Verivox geht davon aus, dass die Gaspreisbremse die jährliche Gasrechnung für eine vierköpfige Familie in einem Einfamilienhaus um 1.360 Euro entlastet. Anstatt 4.100 Euro müssten nun 2.740 bezahlt werden. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt in einer Wohnung beträgt die Ersparnis 670 Euro.

Aber: Nicht nur die Kosten für Wärmeenergie steigen, sondern auch für Strom, Heizöl und Nahrungsmittel, für den Lebensunterhalt generell. Die Regierung geht von einer Inflationsrate von sieben Prozent für das nächste Jahr aus. Die aktuellen Lohnforderungen der wichtigsten Gewerkschaften – ver.di fordert 10,5 Prozent im öffentlichen Dienst, die IG Metall acht Prozent – werden auf einen Reallohnverlust hinauslaufen, weil die Abschlüsse in der Regel unter den Forderungen liegen. Und Geringverdienende profitieren davon ohnehin kaum. Trotz der Entlastungen und Gaspreisbremse sind also weitere gezielte Maßnahmen nötig. Und zwar auf Kosten der Reichen. Damit könnte man neben dem energie- und klimapolitischen Ziel sogar noch ein drittes erreichen: eine gleichere Gesellschaft. 

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.

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