analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 689 | Ökologie

Grüne Klimakiller

Mit der Räumung von Lützerath könnte der Glaube an den liberalen Klimaschutz schwinden

Von Guido Speckmann

Eine Abbruchzange rückt auf das Dorf Lützerath vor, im Vordergrund ein behelmter Polizist.
Räumung und Abbruch sind vollzogen, aber Lützerath wird ein Symbol des Widerstands bleiben. Foto: Moritz Heck

Lützerath, der kleine Weiler im rheinischen Kohlerevier, ist mit dem Beginn der Räumung endgültig zum Symbol geworden. Zum Symbol des Widerstands – und zum Symbol einer verfehlten Energiepolitik, die auf billige und klimaschädliche fossile Brennstoffe setzt. Dabei jedoch das Greenwashing-Kunststück vollbringt, sich als Vorreiter in Sachen Energiewende zu inszenieren.

Zugegeben: Ökostrom wurde mal in Deutschland stark ausgebaut, aber ab 2010 wieder ausgebremst. Strom ist aber nicht alles. Spätestens, seitdem kaum noch Gas aus Russland fließt, ist allgemein bekannt: Geheizt wird überwiegend mit Erdgas, eine ökologische Wärmewende ist nötig.

Die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges dient denn auch als Argument für den Deal, den die grünen Wirtschaftsminister*innen in Bund und NRW nutzten, um Lützerath den Schaufelradbaggern preiszugeben: Um die Energiesicherheit in dieser Krisenzeit zu sichern, werde die Kohle unter Lützerath benötigt. Dabei gibt es Studien, die zu gegenteiligen Schlüssen kommen. Zur Beruhigung der eigenen Klientel sieht der grüne Deal mit RWE vor, fünf andere Dörfer zu bewahren und den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Dafür aber darf RWE in den nächsten Jahren sein Geschäft mit der Kohle intensivieren. Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, müsste die Kohleförderung in NRW aber streng limitiert werden.

Die Grünen haben sich einer liberalen Version des Klimaschutzes verschrieben, die nicht mit dem Imperativ des Kapitalismus bricht: Kapitalakkumulation.

Den Klimaaktivist*innen ist es gelungen, dies mit ihrem Protest in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken – und das in einer Zeit, wo das Eintreten für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen von Teilen der Politik und Medien als »Klimaterrorismus« denunziert wird.

Denunziationen dieser Art scheinen ein schlechtes Gewissen auszudrücken: Denn die Energiekrise wurde nicht genutzt, um den Ausbau erneuerbarer Energien endlich massiv voranzutreiben. Stattdessen werden in Rekordtempo LNG-Terminals errichtet, die den Ausfall des russischen Gases bei Weitem überkompensieren.

Schon 1990 hatte eine Enquete-Kommission der Bundesregierung empfohlen, bis 2005 die Kohleverstromung deutlich herunterzufahren. Das Gegenteil passierte. Nun reiht sich eine Bundesregierung unter grüner Beteiligung in diese fossile Kontinuität ein. Ist es nicht erstaunlich, dass die Klimaschutzpartei so einen Deal mitträgt? Ehrlich gesagt nein, denn die Grünen haben sich einer liberalen Version des Klimaschutzes verschrieben, die nicht mit dem Imperativ des Kapitalismus bricht: Kapitalakkumulation. Was klimapolitisch machbar ist, steht stets unter dem Vorbehalt, dass es den Profitinteressen des Kapitals nicht schaden darf. Die aber laufen hinaus auf mehr Ressourcenverbrauch und mehr Emissionen.

Die Grünen haben in Lützerath gezeigt, dass sie den Kampf gegen die Erderhitzung dem Profitstreben unterordnen und somit effektiven Klimaschutz verhindern. Wenn sich diese Erkenntnis auch unter grünennahen Klimaaktivist*innen durchsetzt, hätte die Räumung des Symbols Lützerath doch noch einen Wert.

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.

Unterstütz unsere Arbeit mit einem Abo

Yes, du hast bis zum Ende gelesen! Wenn dir das öfter passiert, dann ist vielleicht ein Abo was für dich? Wir finanzieren unsere Arbeit nahezu komplett durch Abos – so stellen wir sicher, dass wir unabhängig bleiben. Mit einem ak-Jahresabo (ab 58 Euro, Sozialpreis 38 Euro) liest du jeden Monat auf 36 Seiten das wichtigste aus linker Debatte und Praxis weltweit. Probeabo gibt es natürlich auch.