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|ak 674 | Ökologie

Produktion in den Mittelpunkt, nicht Konsum

Laura Meschede erklärt, warum sich Klimabewegung und Belegschaft im Kampf für den Erhalt eines Bosch-Werkes verbündet haben

Interview: Nelli Tügel

Klimabewegung und Beschäftigte müssen sich verbünden, nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es strategisch notwendig ist. Foto: Aaron Karasek

In München droht einem Bosch-Werk die Schließung – unter dem Vorwand des Klimaschutzes. Dagegen haben sich Klimagruppen und Belegschaft zusammengetan. Sie fordern die Umstellung der Produktion auf klimafreundliche und gesellschaftlich notwendige Erzeugnisse. Wie genau die Vernetzung funktioniert und weshalb solche Bündnisse strategisch essenziell sind, erklärt Laura Meschede im Interview.

Am Standort in München Berg am Laim wurden bislang Kraftstoffpumpen für klimaschädliche Diesel- und Benzinmotoren hergestellt. Dieses Werk soll nun geschlossen werden. Als Teil der Klimabewegung protestiert ihr dagegen. Warum?

Laura Meschede: Hinter den Plänen steckt die Lüge, es gebe Entlassungen für den Klimaschutz; eine Lüge, die wir immer wieder hören im Zusammenhang mit der Umstellung auf E-Mobilität. Das ist in mehrfacher Hinsicht Quatsch: Denn oft werden diese Werke nur ins Ausland verlagert, um Löhne zu drücken, so auch in Berg am Laim. Die Einführung der E-Mobilität – die übrigens gar nicht gut für das Klima ist – wird da als Vorwand benutzt: Die Entlassungen gibt es nicht fürs Klima, sondern für den Profit. Zweitens steht hinter dem Protest eine grundlegende Frage: Wer entscheidet, was produziert wird? Aktuell sind es die Eigentümer*innen und Aktionär*innen der Konzerne. Und die entscheiden natürlich einzig anhand der Frage, was ihnen am meisten Profit bringt. Wir wollen klarmachen: So darf das nicht bleiben.

Warum sind E-Autos kein Beitrag zum Klimaschutz?

Elektroautos erhöhen den Stromverbrauch – und Strom kommt noch eine ganze Zeit aus fossilen Energien. Sie benötigen Lithium, massenhaft Ressourcen und Autobahnen, was die Flächenversiegelung verstärkt. Es gibt einfach keinen grünen Individualverkehr. E-Autos sind nicht gut für das Klima, sie sind nur ein weiterer Markt. Es geht weiterhin darum, den Leuten alle fünf Jahre ein neues Auto anzudrehen. Fast alle Käufer*innen von E-Autos kaufen die derzeit als Zweit- oder Drittautos. Allerdings braucht man für die E-Autos weniger Arbeitskräfte. Was macht also die Industrie? Sie lagert die arbeitsintensiven Verbrenner ins Ausland aus, produziert dort weiter, und in Deutschland sollen die weniger arbeitsintensiven E-Autos hergestellt werden.

Foto: Aaron Karasek

Laura Meschede

ist Teil der Initiative Klimaschutz und Klassenkampf. Sie ist 27 Jahre alt, lebt in München und ist seit Jahren für Klimagerechtigkeit aktiv. Laura Meschede arbeitet als Journalistin.

Was sind denn dagegen die Forderungen von euch und der Bosch-Belegschaft?

Es gibt eine Petition, in der bislang knapp zwei Drittel der Beschäftigten die Umstellung der Produktion auf klimafreundliche Produkte fordern. Sie sagen: Nach teils jahrzehntelanger Arbeit in dem Werk haben wir auch ein Anrecht auf das Werk. In diesem Werk kann man fast alles herstellen, die Maschinen sind recht multifunktional verwendbar: Wärmepumpen, medizinisches Gerät – alle möglichen gesellschaftlich nützlichen Dinge könnte man da produzieren.

Und wie habt ihr darauf reagiert?

Wir als Klimaaktivist*innen unterstützen diesen Kampf, wir haben einen Offenen Brief aufgesetzt, den alle wichtigen Münchner Klimagruppen unterzeichnet haben. Die Forderungen sind auch deshalb so wichtig, weil sie einen Ausweg aus einer Gegenüberstellung von zwei falschen Alternativen weisen. So wie wir es bei der Kohle gesehen haben. Den Leuten wird gesagt: Entweder gibt es weiter Kohlekraft, oder ihr werdet arbeitslos. Aber diese Alternativen sind nicht zwingend – nur in der Logik von Kapitalist*innen.

Wie verhält sich die IG Metall in dem Konflikt?

Die IG Metall ist gerade in Verhandlungen, weshalb sie sich öffentlich derzeit gar nicht dazu verhält. Wir arbeiten aber solidarisch mit ihr zusammen, die stehen uns da keinesfalls im Weg. Wenn Bosch die Schließung verkündet, werden wir sicherlich auch noch mehr zusammen machen. Uns ist sehr wichtig, dass es da ein gutes Verhältnis gibt.

Was heißt, wenn Bosch die Schließung verkündet – ist das nicht schon passiert?

Nicht offiziell. Aktuell prüft Bosch drei Szenarien: Auslagerung nach Brasilien, nach Tschechien – oder Erhalt, wobei sie klar sagen, dass sie sich das nicht mehr leisten wollen. Es gibt Kontakt zu Kolleg*innen in Tschechien, die berichten, dass dort bereits die Kapazitäten hochgefahren werden, darauf läuft es also wohl hinaus. Wir erwarten die offizielle Ankündigung für Ende des Monats.

Der Klimabewegung fehlt der Bezug auf die Klasse. Das ist ein Problem.

Es gibt bislang nicht viele Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Klimabewegung und Industriearbeiter*innen. Warum ist die Zusammenarbeit aus eurer Perspektive dennoch wichtig – und warum ist sie auch so schwierig?

Schwierig finde ich sie gar nicht so sehr. Als in der Zeitung stand, dass das Werk geschlossen werden soll, sind wir da hingegangen, haben die Leute angesprochen und gefragt: Denkt ihr auch, dass ihr für Klimaschutz entlassen werdet, und alle haben gesagt: Äh, nee, es ist uns vollkommen klar, dass das nur vorgeschoben ist. Also wie gesagt: So schwierig fand ich das eigentlich nicht …

Aber Moment, warum passiert denn sowas dann nicht öfter?

Weil in der Klimabewegung der Bezug auf die Klasse fehlt. Das ist ein Problem. Die Klasse ist nicht nur aus moralischen Gründen wichtig, sondern vor allem aus strategischen: Der Kampf gegen den Klimawandel ist untrennbar mit der Frage verknüpft, was wir produzieren – und wie. Und Demonstrationen allein können in dieser Frage keinen Druck erzeugen. Bei Fridays For Future hat die Politik gezeigt: Hunderttausend Menschen auf der Straße können einfach ignoriert werden. Das ist bei Streiks anders. Zudem ist es ein genuines Klasseninteresse, gegen den Klimawandel vorzugehen. Die Lohnabhängigen sind diejenigen, die den am stärksten ausbaden werden. Die Spaltung zu überwinden, die aus der Behauptung resultiert, es bestünden unterschiedliche Interessen zwischen Industriearbeiter*innen und Klimabewegung, ist also essenziell für eine Strategie gegen die Klimakatastrophe. Bei der Kohle ist das nicht gut gelungen. Aber es gibt keinen anderen Weg.

Wie genau vernetzt ihr euch jetzt mit den Beschäftigten?

Es gibt gemeinsame Aktiventreffen, bei denen wir sowas besprechen wie die Pressekonferenz, auf der wir mit der Petition an die Öffentlichkeit gegangen sind. Anfang September gab es eine gemeinsame Demonstration. Abgesehen davon sind wir einfach viel am Werk – inzwischen kennen uns da alle. Im Übrigen wird die Auseinandersetzung auch aufmerksam von anderen Belegschaften verfolgt. Im Moment melden sich immer wieder Kolleg*innen aus anderen Werken bei der Bosch-Belegschaft, gerade kam zum Beispiel ein Solidaritätsfoto von Beschäftigen der Leipziger Verkehrsbetriebe bei uns an.

Klimabewegung und Auto-Arbeiter*innen

Mit den Protesten gegen die Internationale Automobilausstellung in München Mitte September haben Teile der Klimabewegung den Kampf mit Deutschlands Klimakillerbranche aufgenommen. (Siehe den Bericht von Anna Dotti auf www.akweb.de.) Allerdings tauchen die etwa 800.000 Beschäftigten der Autoindustrie in den Überlegungen der Bewegung bislang kaum auf, der Kampf bei Bosch in München ist noch eine Ausnahme. Dass die Auto-Arbeiter*innen Klimafragen gegenüber gleichgültig wären, ist ein Mythos, sagt Jörn Boewe. Mit Stephan Krull und Johannes Schulten hat Boewe untersucht, wie Beschäftigte auf den sozial-ökologischen Umbau der Branche blicken. Zu seinen Erkenntnissen haben wir ihn auf www.akweb.de befragt. Schon in unserem Auto-Schwerpunkt in ak 665 (November 2020) hat Lars Hirsekorn, Arbeiter bei VW in Braunschweig, uns erklärt, wie man aus einem Autowerk irgendwas Klimafreundliches machen kann.

Es ist absehbar, dass Kämpfe von Industriearbeiter*innen gegen Werksschließungen und Standortverlagerungen zunehmen werden. Was könnt ihr Menschen raten, die etwas dafür tun wollen, diese Kämpfe mit der Klimabewegung zusammenzuführen?

Vonseiten der Klimabewegung: einfach mal hingehen und mit den Leuten reden. Aber es geht auch um die ganze Ausrichtung: Was dieser Zusammenführung im Weg steht, ist der in Teilen der Klimabewegung verbreitete Fokus auf Konsum statt Produktion. Da gab es schon auch teilweise Skepsis bei den Kolleg*innen, die meinten: Ich fahre aber auch mit dem Auto zur Arbeit. Wir haben dann geantwortet: Ja klar, aber das ist überhaupt nicht unser Punkt. Das ist etwas, wo sich die Teile der Klimabewegung, die sowas mittragen, ganz schön ins eigene Fleisch schneiden.

Inwiefern?

Weil die individuelle Konsumkritik ein Ansatz ist, über den sich erstens die Klimakrise nicht lösen lässt und der sich zweitens sogar gegen die eigentlichen Bündnispartnerinnen richtet, nämlich dann, wenn sie sich so einen »klimafreundlichen« Konsum gar nicht leisten können. Aber wenn man das klar hat, dann steht dem gemeinsamen Kampf nichts im Wege: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das öffentlich gezeichnete Bild – die Industriearbeiter*innen haben unglaublich Bock auf Autos und wollen gar nix anderes herstellen – überhaupt nicht stimmt. Im Kapitalismus suchen sich die Leute ja eh nicht aus, was sie produzieren, die haben da nix mitzureden, sondern arbeiten halt was, das ihnen Geld einbringt.

Nun geht’s in dieser Auseinandersetzung ja letztlich um Konversion – die letzten gewerkschaftlichen Debatten dazu liegen meines Wissens schon einige Zeit zurück. Haben das die Gewerkschaften ausreichend auf dem Schirm?

Das ist noch sehr zurückhaltend. Wenn darüber unter dem Schlagwort Transformation gesprochen wird, geht es meist nur um den Wandel zur E-Mobilität. Es gibt immer wieder Ansätze, die haben es allerdings schwer, weil oft sehr schwammig bleibt, wohin genau man denn umstellen könnte. Und das liegt daran, dass ein zentraler Punkt zu selten auf den Tisch kommt, nämlich die Eigentumsfrage und damit die Frage, wer entscheidet, was produziert wird. Wenn man dabei bleibt, zu überlegen, was gut für dieses oder jenes Unternehmen wäre, geht es letztlich immer nur darum, womit sich weiterhin gute Profite machen lassen – und nicht darum, was gesellschaftlich sinnvoll und notwendig ist.

Nelli Tügel

ist Redakteurin bei ak.