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|ak 718 | Deutschland

An die Front für einen günstigen Führerschein?

Die neue Wehrpflicht wird Ernst, unserem Autor macht das Angst

Von Carl Kniffler

Man sieht ein Werbeplakat der Bundeswehr auf dem steht: Weltfrieden defekt. Handwerker gesucht.
In der Werbung gibt sie sich cool und abenteuerlustig, am Ende geht's aber auch bei der Bundeswehr ums Töten. Foto: Lupus in Saxonia / Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Ich bin zwar gerade einmal 19 Jahre alt, aber trotzdem kommt mir immer häufiger der Gedanke: Früher war alles besser. Denn obwohl ich schon immer schon von Krisen und Kriegen mitbekommen habe, hatte ich nie so wirklich das Gefühl, direkt davon betroffen zu sein. Eher hatte ich den Eindruck, dass Probleme angegangen wurden, wie zum Beispiel die Klimakrise. Heute hingegen haben wir Krieg in Europa und in immer mehr Ländern gewinnt rechte Hetze an Einfluss. Zu allem Überfluss startet gerade auch noch eine Aufrüstungskampagne, zu der die Einführung einer neuen Wehrpflicht gehört, die mir wirklich Angst macht. 

Die Bundesregierung hat mit ihrem Gesetzentwurf für ein »Wehrdienst-Modernisierungsgesetz«, das 2026 in Kraft treten soll, nicht nur über die Zukunft der jungen Generation entschieden, sondern vor allem über unsere Köpfe hinweg. Es wurde beschlossen, die Freiheit junger Menschen einzuschränken, ohne sich dabei um unsere Meinung zu kümmern. Durch Fragebögen und Musterungen wollen sie passende Kandidat*innen finden und mit Anreizen die Leute zum Dienst in der Armee überzeugen. Ich sehe bereits jetzt auf TikTok viele Jugendliche, die zur Bundeswehr wollen, was ich einerseits erschreckend finde, aber andererseits auch irgendwie verstehen kann. Denn: 2.300 Euro netto anstatt drei Jahre lang eine schlecht bezahlte Ausbildung zu machen oder den viel zu teuren Führerschein günstiger zu bekommen, klingt echt verlockend. 

2.300 Euro netto anstatt drei Jahre lang eine schlecht bezahlte Ausbildung zu machen oder den viel zu teuren Führerschein günstiger zu bekommen, klingt echt verlockend. 

Hinzu kommt, dass die Bundeswehr oft wie ein großer Pfadfinder*innenverein dargestellt wird – mit viel Sport und Gemeinschaft. Weniger thematisiert und den meisten daher nicht so bewusst ist, dass es im Ernstfall darum geht, andere Menschen zu töten oder selbst getötet zu werden. Über 400.000 Soldat*innen braucht ein Staat nicht allein zur Abschreckung, sondern um bewusst Menschenleben zu riskieren und Todesopfer einzuplanen. 

Die Bundesregierung will, dass wir »unser Land« schützen und die sogenannten westlichen Werte verteidigen. Aber wollen wir wirklich für einen Staat kämpfen, in dem Rentner*innen Pfandflaschen sammeln und jedes fünfte Kind in Armut lebt? Ich jedenfalls werde auf keinen Fall für irgendwelche Linien auf einer Karte oder Politiker*innen mein Leben riskieren. Denn gegen wen kämpfen wir im Endeffekt? Nicht gegen einen bösen Diktator oder eine gegnerische Regierung, sondern gegen Menschen, mit denen wir eigentlich kein persönliches Problem haben. Der einzige Unterschied zwischen ihnen und uns ist der Fleck Erde, auf dem wir geboren wurden. Diejenigen, die den Konflikt zu verantworten haben, werden selbst niemals an der Front stehen. 

Das neue Wehrdienstgesetz ist genau das falsche Signal. Anstatt sich um tatsächliche Lösungen für die Probleme unserer Zeit zu bemühen, wird durch immer mehr Aufrüstung das Leben junger Menschen riskiert. Wir können uns keine neuen Schulen oder fairen Renten leisten, aber sobald es um Rüstung geht, sind die Mittel auf einmal unbegrenzt. In diesem System sollten wir uns dabei immer auch die Frage stellen, wer davon profitiert, dass Deutschland kriegstüchtig gemacht wird: Solange an Kriegen verdient wird, wird es Kriege geben.

Um eine Sache mache ich mir außerdem Gedanken: Inwieweit ist wohl eine hochgerüstete und stark besetzte Armee eine gute Idee, wenn bereits in wenigen Jahren eine Beteiligung der AfD an der Bundesregierung sehr wahrscheinlich ist? Eigentlich sollten wir aus unserer Geschichte gelernt haben und nie wieder einer rechtsextremen Partei die Möglichkeit geben, durch Regierungsbeteiligung auch Zugang zu einer viel zu starken Armee zu erlangen. Vielleicht ist meine Sorge an dieser Stelle übertrieben, aber so oder so komme ich zum gleichen Schluss. Ich werde auf keinen Fall mein Leben irgendeinem Staat opfern und kann nur hoffen, dass wir doch noch eine Kehrtwende, weg von all der Aufrüstung, hinkriegen.

Carl Kniffler

ist 19 Jahre alt, kommt aus Stuttgart und beginnt gerade ein Studium der Politik- und Sozialwissenschaften. Er interessiert sich neben Politik auch für Kunst.

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