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|ak 691 | Umwelt |Reihe: FAQ. Noch Fragen?

Was sind und was bringen E-Fuels?

Von Guido Speckmann

Bild einer Tanksäule mit unterschiedlichen Optionen (von links nach rechts: Euro 95, Euro 95 E-Fuel, Diesel b-Fuel und Diesel
Ein Etikett für's Gewissen, nicht aber für's Klima: E-Fuel. Foto: Michiel1972 / Wikimedia, CC BY-SA 3.0

Eigentlich haben es alle längst begriffen: Synthetische Kraftstoffe oder E-Fuels sind kein Ökosprit, mit dem man Autos klimaneutral betanken kann. Bis auf die FDP – und Porsche, teils auch BMW. Die glauben, der technische Fortschritt werde es schon richten, der Verbrenner brauche lediglich einen anderen Kraftstoff, dann können die Deutschen weiter ohne schlechtes Gewissen über die Autobahn brettern. Für diesen Irrglauben setzt Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sogar ein zentrales Element des Green Deal der EU aufs Spiel, mit dem die Union bis 2050 klimaneutral werden will: das Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035.

Die letzte Abstimmung darüber im Ministerrat war nur noch Formsache. EU-Parlament und EU-Kommission hatten das Vorhaben bereits durchgewunken, auch Deutschland hatte in einer ersten Probeabstimmung zugestimmt. Doch dann kam Wissing und kündigte Widerstand gegen das Verbot von Diesel und Benzin in der entscheidenden Sitzung Anfang März an. Da auch Italien und einige osteuropäische Länder Bedenken anmeldeten, blieb der schwedischen Ratspräsidentschaft nichts anderes übrig, als den Tagesordnungspunkt zu streichen. Wiedervorlage ungewiss.

Zur Begründung verwies Wissing darauf, dass die EU-Kommission nicht wie geplant eine Prüfung vorgelegt habe, wie nach 2035 Verbrennerfahrzeuge mit E-Fuels zugelassen werden können. Dass dieser Prüfauftrag in dem von ihm nun blockierten Gesetz zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor steht, übersieht der Minister geflissentlich. Ursprünglich hatte seine Partei das Gesetz sogar als Erfolg gefeiert, weil es die Option für synthetische Kraftstoffe offen hält.

Doch was sind E-Fuels und wie werden sie hergestellt? Die Basis sind Wasser und Strom. Mit Strom spaltet man Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Der Wasserstoff wird mit Kohlendioxid kombiniert, das aus der Luft oder aus der Industrie stammen kann. So entsteht Kraftstoff. Stammt der Strom aus erneuerbaren Quellen und das CO2 aus der Atmosphäre, Biomasse oder Industrieabgasen, sind die E-Fuels klimaneutral.

Ein Auto, das mit E-Fuels betrieben wird, ist im Grunde – wie übrigens auch ein herkömmlicher Verbrennungsmotor – eine Heizung auf vier Rädern.

Doch hier beginnt das Problem. Synthetische Kraftstoffe sind noch nicht im Einsatz. Und das hat Gründe. Erstens ist die Herstellung von E-Fuels extrem energieintensiv. Weil sie so intensiv ist, geht bei den Umwandlungsschritten viel Energie verloren. Nur etwa zehn bis 15 Prozent des eingesetzten Stroms dienen am Ende dazu, das Auto anzutreiben. Der Löwenanteil verpufft als Wärmeenergie. Ein Auto, das mit E-Fuels betrieben wird, ist im Grunde – wie übrigens auch ein herkömmlicher Verbrennungsmotor – eine Heizung auf vier Rädern.

Ein batteriebetriebenes Elektroauto hingegen kann 70 bis 80 Prozent der eingesetzten Energie für die Fortbewegung nutzen. Es kann mit der gleichen Menge Strom fünfmal so viele Kilometer zurücklegen wie ein mit E-Fuels betriebenes Auto. Die Konsequenz: E-Fuels wären, wenn es sie denn flächendeckend gäbe, sehr teuer. Derzeit wird der Preis auf 4,50 Euro pro Liter geschätzt. Prognosen gehen von 2,30 Euro im Jahr 2030 aus.

Das weiß auch die deutsche Autoindustrie und verzichtet fast komplett auf Investitionen in diese ebenso teure wie ineffiziente Antriebsart. Größte Ausnahme: Porsche. Das Unternehmen, das besonders enge Drähte zu FDP-Chef Lindner pflegt, hat im windreichen Chile eine Fabrik aufgebaut, die mit Windstrom E-Fuels herstellen soll. Sie gilt als die erste der Welt und wurde vom Wirtschaftsministerium mit acht Millionen Euro gefördert. Fast alle anderen Konzerne planen den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, in Deutschland wollen sie sogar schon vor 2035 die Produktion von Verbrennungsmotoren einstellen. Audi-Chef Markus Duesmann beklagte sich sogar über Wissings überraschende Intervention, weil nun eine monatelange Hängepartie drohe, obwohl man Planungssicherheit für Investitionen in E-Autos brauche.

Fazit: Für den großflächigen Einsatz im Individualverkehr sind E-Fuels keine Alternative. Die Vorteile werden durch den schlechten Wirkungsgrad und die hohen Herstellungskosten mehr als aufgezehrt. Denkbar ist, dass E-Fuels dort eingesetzt werden, wo Batterien keine Alternative sind: in der Luft- und Schifffahrt und unter Umständen auch bei Lkw.

Warum setzen sich die FDP und Wissing dennoch für diese unrealistische Technologie ein? Zum einen aus naivem Technikoptimismus, der die Klimakrise abwenden will, zum anderen wegen der Wahlschlappen bei den Landtagswahlen, die klare Signale an die Wählerklientel erfordern. Gut allerdings, dass die Porsche-Fahrer*innen numerisch nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.