Was ist der Mar-a-Lago-Accord?
Von Lene Kempe

US-Präsident Donald Trump und seine Berater stecken bekanntlich voller verrückter Ideen. Eine davon geistert seit einigen Wochen unter dem Namen Mar-a-Lago-Accord durch die Medien. Er habe sich bei der Namensgebung »einer gewissen poetischen Freiheit« bedient, schreibt Stephen Miran, Vorsitzender des Council of Economic Advisers und Architekt dieses potenziellen neuen Währungsabkommens. Sein 41-Seiten-Papier möchte er in einer Reihe sehen mit dem Bretton-Woods-Abkommen (1944), dem Plaza- (1985) oder dem Louvre-Accord (1987): Abkommen mit Ortsnamen, die ausgehend von den USA jeweils zu einer Neuordnung der globalen Weltwährungs-, Handels- und Finanzarchitektur führten.
Einen solchen Eingriff hält Miran auch heute für notwendig. Denn die USA sehen sich innerhalb des Welthandelssystems auch deswegen benachteiligt, weil der US-Dollar seit gut 80 Jahren die Rolle einer Leitwährung innehat, was wiederum dessen Wert konstant in die Höhe treibt. Der hoch bewertete Dollar führt dazu, dass amerikanische Industrieprodukte auf den Weltmärkten verhältnismäßig teuer sind. Das wiederum hat über Jahre jenes von Trump beklagte Exportdefizit der USA vergrößert und zugleich Importe aus dem Ausland für US-Kund*innen attraktiver gemacht. Weil der starke US-Dollar allerdings auch eine beliebte Anlage- und Handelswährung ist, kann die USA dieses Defizit bis heute mit enormen Staatsschulden gegenfinanzieren: Statt US-Industrieprodukten kauft die Welt Dollars in Form von Staatsanleihen.
Der Mar-a-Lago-Plan sieht nun vor, aus diesem Kreislauf auszubrechen und statt einer immer weiterwachsenden Verschuldung die industrielle Basis des Landes neu aufzubauen. Damit US-Produkte auf den Weltmärkten preislich konkurrieren können, will Miran den Dollar abwerten – allerdings in einem kontrollierten Umfang und ohne zu riskieren, dass Anleger*innen im großen Stil aus dem Dollar »fliehen«. Deswegen soll etwa die Europäische Zentralbank oder die Bundesbank dazu gebracht werden, nur einen Teil ihrer US-Währungsreserven zu verkaufen, um den Dollar zu schwächen. Die verbliebenen Währungsvorräte sollen in hundertjährige Anlagen umgewandelt werden, die nicht mehr handelbar wären und für die der amerikanische Fiskus überdies keine Zinsen mehr zahlen würde – so zumindest Mirans Idee. Überzeugt werden sollen die Handelspartner davon unter anderem durch Androhung hoher Zölle sowie dem Wegfall von Sicherheitsgarantien.
Es scheint durchaus im Bereich des Möglichen, dass Trump versucht, auch das globale Währungssystem grundlegend umzustrukturieren.
Während deutsche Medien »Mafia-Methoden« beklagen, bereitet sich die EZB laut Handelsblatt auf Szenarien vor, in der die Fed als Stütze des Weltfinanzsystems ausfällt. Auf die US-Zentralbank sei kein Verlass mehr, sagen EZB-Ökonom*innen. Bis dato gilt das Mar-a-Lago-Papier allerdings eher als eine Ideensammlung, die in Trump-nahen Kreisen herumschwirrt, denn als konsistenter Plan der Regierung. Auch die Umwandlung von Währungsreserven in jene »Century Bonds« ist bislang zumindest offiziell nicht Teil der Verhandlungen über die Zölle. Und dennoch: Es scheint durchaus im Bereich des Möglichen, dass Trump versucht, nicht nur den Welthandel, sondern auch das globale Währungssystem grundlegend umzustrukturieren.
Es wäre historisch zumindest kein Neuland. So reagierte US-Präsident Richard Nixon 1971 mit der faktischen Aufkündigung des Bretton-Woods-Abkommens auf eine ähnliche Konstellation: Innerhalb des damaligen Systems fester Wechselkurse bestimmten andere Staaten den Wert ihrer Währungen im Verhältnis zum US-Dollar, die USA wiederum verpflichtete sich, in Umlauf gebrachtes Geld jederzeit in Gold einzutauschen – was die weltweite Dollarmenge begrenzte. Das System geriet jedoch zunehmend in Schieflage, weil die USA deutlich mehr Waren importierten oder im Ausland investierten und so immer mehr Geld in die Weltmärkte pumpten, insbesondere während des Vietnamkrieges, als die US-Rüstungsausgaben in astronomische Höhen schossen. Zugleich konnten aufsteigende Industrienationen wie Japan, Deutschland und Frankreich wachsende Exportüberschüsse anhäufen. Vor allem Deutschland profitierte dabei erheblich von einer unterbewerteten D-Mark.
Als die USA die Umtauschverpflichtung in Gold 1971 aufkündigten, bedeutete das den Übergang zu freien Wechselkursen – ein grundlegender Systemwandel, der unter anderem dazu führte, dass Kapitalverkehrskontrollen endgültig aufgegeben und Wechselkurse zum Spekulationsobjekt wurden. Die Wall Street als Dollar-Anlageplatz, aber auch Finanzmarktakteure wie Ratingagenturen und Hedgefonds gewannen an Macht und Bedeutung. Und letztere könnten dem Mar-a-Lago-Plan schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Denn Agenturen wie Moodys müssten eine erzwungene Umwidmung von US-Staatsanleihen in »Century Bonds« als Zahlungsausfall der USA und damit als eine Vorstufe des Staatsbankrotts werten, sagen Ökonom*innen. Und: Schon jetzt hat der Dollar gegenüber dem Euro deutlich abgewertet. Aus US-Sicht wäre es also vermutlich besser, der Mar-a-Lago-Plan bleibt im Bereich der Poesie.