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Pétrole non merci!

Die Erschließung neuer Öl- und Gasreserven im Kongobecken durch multinationale Unternehmen stößt auf Widerstand

Von Leon Maack

Ein Mann läuft über eine von Erdöl zerstörten Landschaft
Welchen Schaden Ölmultis anrichten können, zeigt das Beispiel Shell in Nigeria. Nun droht auch Gemeinden in der DR Kongo und in Uganda die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Foto: Friends of the Earth International / Flickr , CC BY-SA 2.0 Deed

Seit Juli 2022 sind multinationale Konzerne dazu eingeladen, im Kongobecken um Lizenzen für die Erkundung und Ausbeutung von Öl- und Gasreserven zu buhlen. Die von der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) ausgeschriebenen Areale überlappen sich mit Schutzgebieten wie dem Virunga-Nationalpark und dem größten Torfmoor der Tropen, in dem mehr als 30 Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert sind. Das entspricht etwa den weltweiten CO2-Emissionen eines Jahres. Der tropische Regenwald, der aktuell einer der bedeutendsten Kohlenstoffsenken des Planeten ist, würde, wenn das Kongobecken der Förderung fossiler Brennstoffe anheimfällt, schnell zur Kohlenstoffquelle werden und damit die Klimakrise weiter anheizen.

Die Petrodollars, die sich die kongolesische Regierung von den Konzessionen verspricht, sollen unter anderem in den Bau von Schulen und Stromleitungen fließen. Ob der Teil der Gewinne aus den Ölgeschäften, der überhaupt innerhalb der Landesgrenzen verbleibt, tatsächlich der Bevölkerung zugutekommt, darf bezweifelt werden.

Die DR Kongo ist neben fossilen Brennstoffen außerdem reich an für die Elektronikindustrie unverzichtbaren Bodenschätzen wie Coltan und Kobalt. Diese werden seit Jahrzehnten unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut. Das Geschäft mit den Mineralien hat bislang jedoch nicht zum erhofften wirtschaftlichen Aufschwung geführt.

Kampagne gegen Rohstoffausbeutung

Ob Wirtschaftswachstum und Rohstoffausbeutung überhaupt eine Politik für gesellschaftlichen Fortschritt sein können, stellen Umweltaktivist*innen in der Region infrage.

Die nationale Kampagne »Pétrole Non Merci« wendet sich gegen den Verkauf der Öl- und Gasblöcke der DR Kongo. Aktivist*innen reisen durchs Land und bauen ein Netzwerk auf, um in der gesamten Republik gewaltfreie Aktionen und koordinierte Aufstände durchzuführen. Sie erreichen Teile der ländlichen Bevölkerung, die von der Regierung nicht über ihr Vorhaben informiert wurden. Obwohl das Gesetz der DR Kongo vorschreibt, dass vor einem Projekt mit derartigen Auswirkungen auf die Umwelt die örtliche Bevölkerung konsultiert werden muss, berichten die Menschen vor Ort, dass sie zu der Öl- und Gasauktion nicht befragt wurden. Denn der Versuch, die Zustimmung der indigenen Gemeinschaften für die Auktion einzuholen, könnte diese erheblich stören.

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Bei vielen Menschen, die in den für die Konzessionen ausgeschriebenen Gebieten leben, stoßen die Pläne der Regierung auf Ablehnung. Sie wissen, dass der versprochene Trickle-Down-Effekt eine Lüge ist und das Geschäft mit Öl und Gas ihnen nicht zugutekommt, sondern ihre Lebensgrundlagen zerstört. Wer in die betroffenen Regionen reist und sich verdächtig macht, in die Ölgeschäfte involviert zu sein, wird, wie die Journalistin Josephine Moulds für die britische Investigativplattform Bureau of Investigative Journalism berichtet, nicht selten mit Zurufen wie »Diebe!«, »Wir weigern uns!« und »Raus hier!« begrüßt.

Schon frühere Versuche der kongolesischen Regierung, die fossilen Brennstoffreserven des Landes auszubeuten, sind gescheitert. Lokaler Widerstand und die Aussicht auf schlechte Presse führen auch diesmal dazu, dass Bieter*innen für die Ölblöcke bislang rar sind. Aufgrund mangelnden Interesses seitens der großen Ölkonzerne wurde der Auktionsprozess mehrmals verschoben. Das französische Erdölunternehmen TotalEnergies zum Beispiel hat erklärt, nicht mitbieten zu wollen. Was nicht heißt, dass der französische Konzern nicht an Ölvorkommen in der Region interessiert wäre. Bereits seit 1968 fördert es in der benachbarten Republik Kongo Öl. Aktuell ist Total außerdem direkt hinter der kongolesischen Grenze zu Uganda in ein Megaprojekt involviert.

Ausbau fossiler Infrastruktur

Anfang des Jahrtausends führten Ölfunde unter dem Albertsee an der Grenze zwischen Uganda und der DR Kongo zu bewaffneten Konflikten zwischen den Nachbarstaaten. Auch Ölkonzerne, allen voran Total und die China National Offshore Oil Corporation (CNOOC), machen keinen Hehl aus ihrem Interesse an den Ölvorkommen. Durch die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) soll Öl vom Albertsee im Westen Ugandas zum Hafen von Tanga an der Ostküste Tansanias transportiert werden. Mit über 1.400 Kilometern Länge ist die Pipeline eines der größten im Bau befindlichen Projekte für fossile Brennstoffe weltweit. Während Uganda und Tansania jeweils 15 Prozent der Anteile an dem Projekt halten, liegen 62 Prozent von EACOP in den Händen von Total und dank einer EACOP Sonderregelung ist dem Ölriesen zudem eine Steuerfreiheit von zehn Jahren vergönnt.

Schon der Bau der EACOP ist ein Skandal: Menschen, die entlang der Trasse enteignet wurden, berichten, dass sie für den Verlust ihres Landes nicht ausreichend entschädigt wurden. Zudem soll die Pipeline die Wanderrouten vieler Tiere abschneiden. Von Tansania aus wird das Öl zu Raffinerien in Übersee transportiert. Während die Rohstoffausbeutung in Ostafrika stattfindet, soll der Großteil der Wertschöpfung in den kapitalistischen Zentren erfolgen.

Der Bau der EACOP ist in Zeiten der Klimakrise ein aberwitziges Projekt.

Der Bau der EACOP ist in Zeiten der Klimakrise ein aberwitziges Projekt, das riesige neue fossile Infrastruktur schafft. Einmal fertig gestellt, ist die langfristige Nutzung der Ölpipeline vorprogrammiert, auch wenn Total scheinheilig von einer »Übergangsphase« fabuliert. Dass heute noch derartige Investitionen in fossile Infrastruktur getätigt werden, legt nahe, dass Investor*innen entweder keine ernsthafte Klimapolitik erwarten oder ein unerschütterliches Vertrauen in ihre eigene Lobbymacht haben und meinen, einer fortschrittlichen Klimapolitik trotzen zu können.

Dieses Vertrauen wäre alles andere als unbegründet: In manchen bilateralen Investitionsabkommen oder Freihandelsabkommen ist festgeschrieben, dass wenn durch Umweltauflagen Profite gemindert werden, ein betroffenes Unternehmen wegen der Minderung des Börsenwertes Klage erheben und Entschädigung vom Staat verlangen kann. Solange Kapitalinteressen gegenüber Klimaschutz bevorteilt werden, dürfen fossile Konzerne weiterhin auf profitable Geschäfte hoffen.

Ohne Greenwashing geht’s nicht

Ölgeschäften zum Trotz ist Total bestrebt, sich ein grünes Image zu verpassen. Da Desinformationskampagnen, die Zweifel am menschengemachten Klimawandel säen sollen, einer breiten Öffentlichkeit heute kaum mehr zu vermitteln sind, hat der Konzern das Ziel »Netto-Null-Emissionen« bis 2050 ausgerufen. Dass die Erdölförderung und der Bau der EACOP in einem »für Biodiversität besonders sensitiven Gebiet« stattfinden, kann jedoch nicht einmal Total leugnen. Der Konzern hat verkündet, den entstandenen Biodiversitätsverlust zu kompensieren und macht in seiner Erklärung die kleinbäuerliche Landnutzung der Lokalbevölkerung für die Beeinträchtigung der Artenvielfalt verantwortlich. Ausgleichsmaßnahmen, die bei fossilen Konzernen schwer in Mode sind, da sich ihr destruktives Geschäftsmodell ohne solchen Ablasshandel kaum noch rechtfertigen ließe, sollen am Ende sogar »Nettogewinne« für die Biodiversität bringen. Wenn es nach Total geht, sind ihre Geschäfte für Mensch wie Natur ein Segen.

Protesten gegen fossile Projekte wie die EACOP begegnet die ugandische Regierung seit Jahren mit verschärfter Repression, unter anderem mit einer Anti-Protest-Gesetzgebung, die eine polizeiliche Genehmigung für jede Versammlung von mehr als drei Personen vorschreibt. Protestierende werden bei Demos willkürlich festgenommen.

Jüngst konnten Aktivist*innen jedoch einen Etappensieg erringen: Ein Gericht in der ugandischen Hauptstadt Kampala hat die Klage gegen Student*innen, die gegen die EACOP demonstriert hatten, verworfen. Die Prozesse wurden lange verschleppt, um die Angeklagten zu zermürben und andere Kritiker*innen der Pipeline von Protesten abzuschrecken. Der Kriminalisierung von Aktivist*innen wird das Gerichtsurteil jedoch sicher keinen Abbruch tun.

Dass Widerstand gegen das fossile Kapital auf dem afrikanischen Kontinent mitunter lebensgefährlich sein kann, wissen Aktivist*innen schon lange. Die jüngsten Gedenkveranstaltungen für die Ogoni 9 haben das schmerzlich in Erinnerung gerufen. Nach einem Schauprozess, der für internationale Empörung sorgte, wurden am 10. November 1995 neun Umweltaktivist*innen der Ogoni in Nigeria, die sich mit gewaltfreien Protesten gegen die Ausbeutung des Nigerdeltas durch das niederländisch-britische Erdölunternehmen Shell gewehrt haben, hingerichtet. Über Jahrzehnte hat Shells Öl- und Gasförderung in den Ogoni-Gemeinden zu einer großflächigen und anhaltenden Verschmutzung von Wasser und Boden geführt, die bis heute nicht bereinigt wurde. Die neuen Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe in der DR Kongo und Uganda sind auf dem besten Wege, die Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung, die Shell im Nigerdelta zu verantworten hat, zu wiederholen.

Leon Maack

hat Kulturwissenschaften und Philosophie studiert. Derzeit macht er einen Master in Transformationsstudien.

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