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Warum die Forderung nach einem harten Shutdown falsch ist

Zur Kritik des Aufrufs #ZeroCovid

Von Alex Demirović

Eine Person mit Maske fährt eine Rolltreppe hinab
Ein Ende der Pandemie ist eine Illusion. Alles spricht dafür, dass die Welt mit dem Virus wird leben müssen. Foto: Silvision / Flickr, CC BY-ND 2.0

Der Aufruf #ZeroCovid hat innerhalb weniger Tage eine enorme Resonanz erhalten. Weit mehr als 45.000 Menschen haben ihn unterzeichnet, in den Medien wurde er vielfach erwähnt. Viele meiner Freund*innen haben ebenfalls unterschrieben. Es gab in Vorbereitung des Aufrufs eine Reihe spannender Diskussionen in der Rosa-Luxemburg-Stiftung oder im wissenschaftlichen Beirat von Attac.

Ich habe mich dann doch nicht entscheiden können, den Aufruf zu unterschreiben. Mit einer gewissen Sorge sehe ich, zu welchen Verwerfungen die unterschiedlichen Einschätzungen der Pandemie auch innerhalb der Linken führen können. Aber allein pragmatisch lässt sich der Aufruf auch nicht betrachten, obwohl es sich ja eben »nur« um einen Aufruf handelt, der zudem einige richtige Zusammenhänge herstellt und richtige Forderungen stellt. Einige meiner Kritikpunkte will ich hier festhalten:

1. Ein europäischer Lockdown ist nicht realistisch

Der Aufruf kritisiert die herrschende Strategie »flatten the curve« als gescheitert und fordert – einer Stellungnahme von Naturwissenschaftler*innen in Lancet folgend –, dass nun in einer gleichzeitigen europaweit zu verfolgenden Strategie Kontakte so weit wie möglich heruntergefahren werden sollten, damit das Virus alsbald aus unserem Leben völlig verdrängt ist. Ein Ende der Pandemie wird gefordert – so als könne der Staat das verfügen und als gäbe es die Pandemie nur, weil politisch falsch gehandelt wurde. Vergleiche mit China, Taiwan, Südkorea oder Kuba legen so etwas nahe. Aber auch dort zirkuliert das Virus und ist die Pandemie nicht zu Ende, sondern kann immer wieder ausbrechen.

Für Deutschland allein wäre es nicht möglich, sich derart zu isolieren. Entsprechend wird eine europaweite Entscheidung für einen radikalen Lockdown gefordert. Das ist voraussetzungsvoll. Denn die Entscheidung müsste auf der Ebene der EU fallen und dann durch einzelstaatliche Entscheidungen umgesetzt werden. Ein solcher Prozess ist langwierig und angesichts der politisch sehr unterschiedlichen Regierungen eher unwahrscheinlich.

Ein radikaler Lockdown würde bedeuten, Grenzen, Häfen, Flughäfen zu schließen und alle Ankommenden Tests und Quarantänemaßnahmen zu unterwerfen.

Es würde auch bedeuten, die Grenzen, Häfen und Flughäfen rigoros zu schließen und alle Ankommenden Tests und Quarantänemaßnahmen zu unterwerfen. Die Konsequenz daraus wäre eine strikte Reise- und Migrationskontrolle. Im Sommer hat dies nicht funktioniert und erwies sich als bürokratische Machtfantasie. Wollte man dies ändern, wäre ein enormer Ausbau der entsprechenden Behörden und ein intensives Kontrollregime notwendig.

2. Ein Ende der Pandemie ist nicht möglich

Der Aufruf zielt auf »Beendigung«, gegen »kontrolliertes Weiterlaufen« der Pandemie – was faktisch auf eine Ausrottung des Virus hinausläuft. Dass dies gelingen könnte, erscheint nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens eher unwahrscheinlich. Alles spricht dafür, dass die Weltgesellschaft mit dem Virus wird leben müssen. Zumal dann, wenn ein nennenswerter Teil der Menschen sich nicht impfen lassen wird.

Aber der Aufruf ist auch nicht so radikal, denn wenn die Inzidenzen deutlich abgesenkt sein werden und die Infektionsketten durch die Gesundheitsämter wieder verfolgt werden können, soll wieder gelockert werden. Auch wenn das im Aufruf abgelehnt wird, so ist das ja in etwa die Politik der »kontrollierten Pandemie«, die die Regierungen in Deutschland, Österreich, Frankreich oder der Schweiz – anders als USA, Schweden oder Brasilien – verfolgt haben. Dies bedeutet aber, dass nach einer Lockerung das Virus alsbald wieder verbreitet wird.

Nicht nur ist die Forderung von ZeroCovid also inkonsequent, sie ignoriert auch die Ungleichzeitigkeit, die entsteht. Denn in manchen Regionen Deutschlands oder Europas können die Zahlen sehr hoch, in anderen sehr niedrig sein. Es gibt also Gründe, regional ungleich zu handeln und ungleichzeitig zu öffnen und zu schließen. Die Jo-Jo- und Ping-Pong-Effekte, gegen die der Aufruf Stellung bezieht, lassen sich nicht vermeiden. Besser wäre es, das solidarische Handeln darauf auszurichten.

3. Ein harter Lockdown kann nur polizeilich durchgesetzt werden

Zu Hause bleiben, Kontakte vermeiden, Masken tragen, Tracing Apps nutzen – das sind in etwa die empfohlenen Rezepte des Aufrufs. Das ist alles nicht neu. Das Problem, wie das in der alltäglichen Praxis umzusetzen, wie die entsprechende Disziplin zu erreichen ist, wird nicht angesprochen. Aber das ist eine Schlüsselfrage. Denn im Alltag haben sich in den vergangenen Monaten viele nicht an die Maßnahmen gehalten und sie unterlaufen; oder sie haben sich absichtsvoll darüber hinweggesetzt, weil sie die Maßnahmen für überzogen halten und ohnehin nicht an die Existenz des Virus als Krankheitserreger glauben.

Die Konsequenz, dass der Staat zu stärkeren polizeilich Maßnahmen greifen müsste, wird nicht ausgesprochen. Sollen die Polizei und Security-Dienste verstärkt werden? Soll es Internierungen in Quarantäne-Lagern geben? Der Aufruf wendet sich offensichtlich an den Staat. Aber dieser Staat sollte nicht in seiner autoritären Tendenz verstärkt werden.

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4. Die geforderte Solidarität ist zwiespältig

Der Aufruf macht sich für Solidarität stark. Das ist gut, denn damit macht er deutlich, dass es nicht um einen Befehl des Staates geht, sondern um Maßnahmen, die von Bürger*innen aus Einsicht gewünscht und getragen werden, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Aber das sollte eigentlich auch gesagt werden: Die »solidarische Pause« bedeutet eben, auf Kontakte zu verzichten, zu Hause zu bleiben, Familienangehörige, Freund*innen, Kolleg*innen nicht zu sehen.

Der Aufruf läuft also genau darauf hinaus, das »Leben« weiterhin und radikal einzuschränken, bis die Zahlen sinken. Auf die Paradoxie der Situation hat Angela Merkel schon vor Monaten hingewiesen: Solidarisch sein bedeutet, sich zu isolieren und Distanz zu halten. Aber das ist genau das, was nicht nur viel Leid erzeugt, sondern auch Ärger, Verzweiflung, Protest. Aktionismus, Radau, schockieren, illegale Partys, Straße erobern – das kommt aus rechten und irrationalen Zusammenhängen. Die Linke bietet Wissenschaftlichkeit, Vernunft, Isolation an (vgl. Widmer in der WOZ, 14.1.2021). Da es sich um einen Aufruf aus linken Zusammenhängen handelt, stellt sich das Problem, wie mit dem Widerspruch umzugehen ist, nicht nur dahingehend, dass die Linke sich so emphatisch an den Staat wendet, sondern auch hinsichtlich des Protests eine Ordnungsrolle wahrnimmt.

5. Die Kapitalinteressen sind vielschichtiger, als der Aufruf behauptet

Die radikale Geste des Aufrufs verpufft. Sie besteht ja darin, die Regierung dazu zu bringen, endlich gegen die Unternehmen den Schutz der Beschäftigten durchzusetzen. Wenn überhaupt, wurde eher über Büros und Homeoffice gesprochen. Doch das hat sich schon vor der Veröffentlichung des Aufrufs geändert, in Medien und Talkshows wurde genau dieses Thema verhandelt.

Die Ausrichtungen der Regierungen an der Wirtschaft und am Profit ist mit Sicherheit ein entscheidender Gesichtspunkt. Aber dieser selbst ist komplex. Für den Profit kann es sinnvoll sein, die Arbeit in den Unternehmen weiterhin aufrecht zu erhalten – solange Lieferketten oder Absatzmärkte funktionieren. Aber auch, wenn viele (ältere) Menschen erkranken oder sterben, kann es gut fürs Geschäft sein: etwa das der Pharmaindustrie, Medizingerätehersteller, Rentenversicherungen, Logistik- oder InfoCom-Unternehmen.

Kapitalinteressen sind konfliktreich. Der Staat tritt nicht für das Kapitalinteresse im Allgemeinen ein, denn das gibt es nicht.

Aus dem Blickwinkel des Profits kann es aber auch riskant sein, die wirtschaftlichen Transaktionen aufrecht zu erhalten. Angehörige des Managements und viele Lohnabhängige können (teilweise schwer und langfristig) erkranken oder sterben (auch wenn die Risiken ungleich verteilt sind). Für den Profit kann es sinnvoll sein, die Betriebe zu schließen: Der Markt wird bereinigt, angesichts geringer Nachfrage lassen sich Kosten vermeiden, staatliche Unterstützung kassieren und die Lohnabhängigen, mit Kurzarbeitsgeld an die Unternehmen gebunden, gleichzeitig gesundheitlich schützen, um sie dann, wenn die Wirtschaft wieder anzieht, sofort in die Produktion zurückzuholen. Es ist eine widersprüchliche Bewegung: Wann sind die Verluste größer oder niedriger, wann die unmittelbaren Kosten höher? Mit welchen langfristigen Wettbewerbsvorteilen oder Kosten ist zu rechnen? Kapitalinteressen sind unterschiedlich und durchaus konfliktreich. Der Staat tritt nicht für das Kapitalinteresse im Allgemeinen ein, denn das gibt es nicht.

Auch unter diesem Aspekt verspricht der Aufruf zur »solidarischen Pause« mehr als gehalten werden kann. Viele Betriebe können nicht geschlossen werden. Es gibt die stoffliche Seite zu bedenken, also die Nahrungsmittelindustrie und der entsprechende Einzelhandel, die Logistik, die Produktion von Ersatzteilen, der öffentliche Verkehr, die Alten- und Pflegeheime, die pharmazeutische und medizinische Versorgung. Auch Parlamente, Verwaltung oder Medien sollten weiter funktionieren. Der Aufruf will auch die Betreuung für Kinder gewährleisten. Allenfalls ein Teil der Wirtschaft kann pausieren. Gerade unter stofflichen Gesichtspunkten wären alternativ zur Schließung andere Maßnahmen denkbar: Verzicht auf Leistungsverdichtung und Überstunden, mehr Beschäftigte einstellen, Abstände gewährleisten, Schutzkleidung, kürzere Arbeitszeiten.

6. Die Gefahren für die Demokratie fallen unter den Tisch

Merkel hat recht, wenn sie betont, dass das Virus eine Zumutung für die Demokratie ist. Es hätte seit Februar 2020 genügend Gründe gegeben, die Politik von Bundes- und Landesregierungen zu kritisieren. Von Parlamenten in früheren Jahren erarbeitete Empfehlungen für Pandemien wurden nicht umgesetzt. Die Parlamente waren nur wenig oder gar nicht an Diskussionen und Entscheidungen beteiligt oder haben sich temporär selbst aufgelöst. Einseitig wurden Religionsgemeinschaften begünstigt oder Demonstrationen kritischer Akteure benachteiligt. Die Ministerpräsident*innen haben vielfach nach partei- oder landespolitischen Gesichtspunkten gehandelt. Gesundheitsminister Spahn hat absichtsvoll oder irrtümlich viele Fehler gemacht und öffentlich die Unwahrheit gesagt: die Krankheit mit einer Grippe verglichen, den Nutzen von Masken bestritten; er behauptete, es gäbe ausreichend Intensivbetten oder Schutzkleidung, die Gesundheitsämter würden besser ausgestattet, die Krankenhäuser unterstützt, die materielle Situation der Pflegekräfte deutlich verbessert, der Impfstoff käme früher. Wenig ist geschehen.

Öffentliche Unterstützung für Kleinunternehmen, Gaststätten oder Kultur gab es zu wenig oder gar nicht. Die Schulen wurden in den Sommer- und Herbstmonaten nicht ausreichend auf eine zweite Welle vorbereitet. Im Frühjahr wurde zu früh gelockert, vor Weihnachten zu lax geschlossen. Mit dem Lockdown light ab dem 2. November 2020 gab es keine regionale oder funktionale Differenzierung bei den Schließungen, obwohl sie aus infektiologischer Sicht möglich gewesen wären. So könnten Museen, Kinos oder Restaurants nach einer in der Schweiz durchgeführten Verbreitungsstudie vermutlich geöffnet bleiben.

In der ersten Welle der Pandemie gab es viel Unterstützung und Solidarität von unten. Aber das wurde öffentlich nicht oder wenig gestützt. Bei den Schutzregelungen werden immer wieder konventionelle Bilder von Haushalt, Familie oder Alten in Anspruch genommen. Auch im Aufruf spielt diese aktive Form der Solidarität keine weitere Rolle.

Zur Demokratie gehören die Praktiken der Öffentlichkeit. Die Politik hat sich an die Querdenker*innen ängstlich angebiedert und auf sie Rücksicht genommen. Die Medien haben mitgespielt. Über jede kleine Ansammlung von Corona-Leugner*innen wurde ausführlich berichtet, in den Talkshows endlos diskutiert. Dort waren auch immer wieder die oft kenntnisreichen Epidemiolog*innen, Infektiolog*innen, Virolog*innen zu hören, von denen viel zu lernen war. Sie unter Ideologieverdacht zu stellen, wie das auch in der Linken geschieht, ist unangemessen. Aber es wäre sachlich geboten gewesen, Rassismusexpert*innen, Wissenschaftssoziolog*innen, Demokratieforscher*innen, Medien- und Kommunikationswissenschaftler*innen, Katastrophenforscher*innen, Ökolog*innen oder politische Ökonom*innen zu Wort kommen zu lassen. Der kulturindustrielle Öffentlichkeitsbetrieb erweist sich für die Praxis einer offenen demokratischen Diskussion offensichtlich als ungeeignet. Angesichts des verbreiteten und nicht immer unberechtigten Misstrauens hätte dieser Frage im Aufruf mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen.

Im Aufruf spielt die Demokratie nur eine marginale Rolle. Allenfalls die Beteiligung der Beschäftigten wird angemahnt. Es ist mehr nötig.

Die gesellschaftliche Linke, die LINKE oder die Bewegungsorganisationen haben wenig getan, diese konventionelle Vorstellungswelt kaum angegriffen, Solidarität wenig organisiert und die Straße und die Plätze weitgehend den »Corona-Rebellen«, Querdenker*innen und Rechtsradikalen überlassen. Es gab immerhin die Proteste von Antifagruppen oder von Fridays for Future und jüngst den kritischen Bäuer_innen, die andere Themen auf die Agenda setzten. Hieran wäre anzuknüpfen mit weiteren Aktivitäten.

Im Aufruf spielt die Demokratie leider nur eine marginale Rolle. Allenfalls die Beteiligung der Beschäftigten wird angemahnt, aber diese orientieren sich oftmals partikularistisch. Es ist mehr nötig. Breite Willensbildung von unten, Ausbau der kommunikativen und kritischen Infrastruktur für demokratische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse, für neuartige Repräsentations- und Delegationsverfahren sollten Gegenstand weiter gehender Diskussion sein. Es stellt offensichtlich eine Herausforderung dar, demokratisches Entscheiden und Handeln auch in tiefen Krisen zu ermöglichen und zu sichern.

7. Der Verweis auf die Wissenschaft ersetzt keine Politik

Ich vermute, dass viele den Aufruf unterschrieben haben, weil sie noch weitere Erkrankungen und den Tod vieler Menschen durch die Pandemie befürchten und die Regierung nachdrücklich an ihre Verantwortung erinnern wollen. Sie haben wahrscheinlich damit keine bestimmte Vorstellung von »Naturgesetz« oder »Staat« unterstützen wollen. Dennoch ist es vielleicht sinnvoll, ganz kurz darauf einzugehen. Denn einige der Initiator*innen argumentieren ja mit der Naturgesetzlichkeit des Virus. Seine Wirkungen seien zu akzeptieren, es gäbe nichts abzuwägen. Doch so einfach ist es nicht.

All die Naturwissenschaftler*innen, die uns in den vergangenen Monaten gelehrt haben, was es mit dem Virus auf sich hat, haben auch bestätigt, dass wissenschaftliche Erkenntnis selbst durch Erfahrung und Forschung immer wieder korrigiert werden muss und von einem »wissenschaftlichen Konsens« kaum die Rede sein kann. Das Virus ist ein von uns erkanntes Virus, mit dem wir als Tiere unfreiwillig im Stoffwechsel leben und noch lange leben werden.

Wir sind aber nicht einfach seine Opfer, sondern können auf der Basis von überprüfbarem Wissen handeln. Das ist mit Blick auf Viren menschheitsgeschichtlich eine eher neue Erfahrung. Wir behalten unsere Freiheit und treffen Entscheidungen, die entweder autoritär, liberal, sozialdarwinistisch oder autonom-sozialistisch sein können. Eine Null-Reduktion ist nicht zu erwarten, der Aufruf sagt es selbst, es geht um Eindämmung. Aber wie diese verfolgt wird, wo die Grenze verläuft, ist nicht naturwissenschaftlich festgelegt. Das hängt von den Kräften in der Gesellschaft ab; wir verhandeln gesellschaftlich, welche Zahl von Infizierten uns tragbar erscheint: 50, 25, 7 oder 1 pro 100.000.

Im Sommer 2020 lag die Inzidenz bei 5–7 Personen/100.000. Die Zahl 1 zu erreichen würde auf einen sehr langen und wahrscheinlich nicht lebbaren Lockdown hinauslaufen. Es ist eine politische Entscheidung auf der Grundlage einer Güterabwägung, die stoffliche Versorgung, den Erhalt des Produktionsapparats, die kapitalistischen Gewinne, die Freiheit der Individuen, die demokratischen Rechte, das psychische Wohlbefinden, Krankheiten und Tod in ein Verhältnis setzen muss.

Der Rückgriff auf an sich geltende Naturgesetze erscheint mir eine autoritäre Gefahr zu beinhalten, wenn wir an mögliche weitere Pandemien oder an die noch weit größeren Herausforderungen ökologischer Krisendynamiken denken. Eine solche Unterwerfungshaltung sollte nicht eingeübt werden. Gesellschaftliche Verhältnisse, Demokratie und wissenschaftliches Wissen sollten in dieser kritischen Perspektive weiterentwickelt werden, so dass sie in und durch Krisen nicht außer Kraft gesetzt werden.

Alex Demirović

ist Sozialwissenschaftler, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac und Fellow der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Der am 14. Januar veröffentlichte Aufruf »ZeroCovid: Das Ziel heißt Null Infektionen! Für einen solidarischen europäischen Shutdown« hat viele Reaktionen ausgelöst. Hier erscheinen linke Kommentare zur Initiative. Eine Begründung der #ZeroCovid-Forderung von Verena Kreilinger und Christian Zeller findet sich hier.