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|ak 699 | Diskussion

»Eine starke Linkspartei gibt es nur als Teil einer starken gesellschaftlichen Linken«

Mehr als 400 radikale Linke haben sich der Linkspartei angeschlossen – sinnvoll oder nicht? Nicht sinnvoll, sagt ak-Autor Lukas Hofmann*

Von Lukas Hofmann

Mehrere Menschen mit roten Schürzen mit der Aufschrift "Wir kochen's hoch. Die Linke" schneiden Gemüse an einem Stand.
Kann die Partei mehr als Salat? Foto: Martin Heinlein / DIE LINKE / Flickr, CC BY 2.0

Statt wählen gehen, Regierung stürzen« – so lautete das Motto einer Demonstration in meiner Heimatstadt anlässlich der Landtagswahlen 2008. Die 50 linksradikalen Jugendlichen auf der Demonstration haben die Regierung natürlich nicht gestürzt. Und ich bin froh, dass sich die radikale Linke seitdem verändert hat. Diese Art von Szenepolitik ist weniger geworden. An ihre Stelle ist ein ernsthaftes Einmischen in die gesellschaftlichen Kämpfe getreten. Aktuell versuchen das Linksradikale, indem sie in die kriselnde Linkspartei eintreten. Das wirft eine Frage auf, die auch schon im abstrusen Demomotto angelegt war: Wie steht es um das Verhältnis von wählen gehen und Regierung stürzen, von parlamentarischer und revolutionärer Politik, von Macht im Staat und Macht gegen den Staat?

Klar ist: Sollte die Linkspartei aus dem Bundestag fliegen, wäre das eine massive Schwächung der gesellschaftlichen Linken. Zu einem starken linken Lager gehört auch eine linke parlamentarische Vertretung. Insofern freue ich mich über den Versuch, das Überleben der Partei zu sichern. Und ich wünsche den Genoss*innen in der Partei viel Erfolg bei einer emanzipatorischen Neuausrichtung in der Post-Wagenknecht-Ära.

Interessanterweise ist aber der linksradikale Aufruf »Wir // Jetzt // Hier« zum massenhaften Eintritt in die Linkspartei gar nicht mit dem drohenden Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde begründet. Die Initiator*innen schreiben, dass die außerparlamentarische Linke in den vergangenen Jahren mit ihren Strategien des Protests, der Blockade und des Streiks gescheitert sei. Als Lehre daraus schlagen sie vor, sich in der Linkspartei als verbindender Organisation zu sammeln: »Für alle, die es ernst meinen (…) kann dieses Zuhause nur in einer antikapitalistischen Partei liegen.«

Und sie haben Recht: Die gesellschaftliche Linke steckt in einer Krise. Wir haben es in den letzten 20 Jahren nicht geschafft, einen gegenhegemonialen Block aufzubauen, der Staat und Kapital ernsthaft herausfordert. Doch woran liegt dieses Scheitern? Unsere Proteste, Blockaden und Streiks haben zu wenig gestört. Wir haben uns zu oft auf Mobilisierung und Medienpräsenz verlassen. Diskursive Gegenmacht reicht aber nicht aus, wir brauchen unterbrechende Gegenmacht. Deshalb sollten sich alle Teile der gesellschaftlichen Linken erneuern. Diese Erneuerung besteht allerdings nicht darin, die Pluralität der linken Akteurslandschaft aufzugeben.

Mit einer Partei als »Zuhause«, der immensen Integrationskraft des Staates ausgesetzt, ist diversity of tactics nicht möglich. Und eine Revolution schon gar nicht. Diese wird nur realistisch, wenn relevante Teile der Linken außerhalb des Staates Macht gegen den Staat organisieren. Wer jetzt in die Linkspartei geht, schwächt die revolutionäre Option. Eine strategische Arbeitsteilung zwischen moderaten und radikalen Linken ist in einer Organisation nicht umsetzbar. Ja, es braucht mehr Verbindung, aber über verschiedene Knotenpunkte, die Kräfte bündeln und das linke Lager orientieren. So entsteht ein produktives Verhältnis zwischen Macht im Staat und Macht gegen den Staat. Um langfristig mächtiger zu werden, brauchen wir die Vielfalt des linken Lagers.

Mit einer Partei als »Zuhause«, der immensen Integrationskraft des Staates ausgesetzt, ist diversity of tactics nicht möglich.

So weit, so abstrakt. Die von mir beschriebene strategische Arbeitsteilung gibt aber auch eine Vorstellung von der Rolle der radikalen Linken für den Erhalt der Partei. Derzeit sind die Menschen, denen wirksamer Klimaschutz wichtig ist, enttäuscht von den Grünen. Ein neues Lützerath, das die Spaltung zwischen den Grünen und ihren ökologisch orientierten Wähler*innen vorantreibt, würde der Linkspartei die Möglichkeit geben, die Stimmen dieser Menschen für sich zu gewinnen und bei der Bundestagswahl 2025 die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. Dafür sollten Linksradikale das tun, was sie am besten können: Kristallisationsmomente in sozialen Bewegungen schaffen. Gesellschaftliche Konflikte zuspitzen. Ungehorsame und unterbrechende Gegenmacht auf der Straße entwickeln.

Eine starke Linkspartei gibt es nur als Teil einer starken gesellschaftlichen Linken, als Ausdruck eines Projekts, einer Wette auf die Veränderung der Welt. Der Platz der radikalen Linken ist daher an der Seite der Partei, nicht in der Partei.

Lukas Hofmann

ist aktiv in der Interventionistischen Linken und twittert (noch) als @hegemonotonie.

* Warum der Eintritt doch sinnvoll ist, argumentiert die Initialgruppe WIR // JETZT // HIER hier.

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