Trumps Zollkrieg
Was bleibt von der linken Kritik an Freihandel und Globalisierung?
Von Guido Speckmann

Der selbsternannte »Tariff Man« und »Dealmaker« hält die Welt weiter in Atem: Mit der Verhängung von Zöllen, insbesondere gegen China, legt US-Präsident Trump die Axt an das neoliberale, weitgehend auf Freihandel basierende Handelssystem, schickt Börsenkurse auf Achterbahnfahrt, schürt Rezessionsängste und Unruhe an den deregulierten Finanzmärkten. Die Folgen sind unabsehbar – auch weil niemand weiß, was Trump als nächstes vorhat und tut. Fest steht aber: Seine Zölle dürften eine Zäsur für den Welthandel bedeuten. Freihandel und Globalisierung sind nicht mehr das Projekt der mächtigsten Volkswirtschaft der Welt.
Freihandels- und Globalisierungskritik galt einmal als links. Das ist ein paar Jahre her. 1999 entlud sich in Seattle der Unmut über den ungezügelten Kapitalismus nach dem Ende der Systemkonkurrenz, die Proteste gegen ein Treffen der Welthandelskonferenz waren der Beginn einer neuen Bewegung. Bereits ein Jahr zuvor war das globalisierungskritische Netzwerk Attac gegründet worden. Es setzte sich zunächst für die Besteuerung von Finanzmarktgeschäften ein, wandte sich dann aber anderen Themen zu: der enormen sozialen Ungleichheit etwa und der Kritik an Freihandelsabkommen.
In Trumps erster Amtszeit sah sich sich linke Globalisierungskritik plötzlich mit rechter Globalisierungskritik konfrontiert und hatte Probleme, ihren emanzipativen Gehalt herauszustellen. Das gilt heute umso mehr.
Letztere waren Trump bereits in seiner ersten Amtszeit ab 2017 ein Dorn im Auge. Plötzlich sah sich linke Globalisierungskritik mit rechter Globalisierungskritik konfrontiert und hatte Probleme, ihren emanzipativen Gehalt herauszustellen. Globalisierungskritik an sich wurde zunehmend mit der rechten Variante gleichgesetzt. Das gilt heute umso mehr. Linke Kritik an freien internationalen Märkten spielt in dem Moment de facto keine Rolle mehr, in dem diese von einem Protagonisten der rechten Globalisierungskritik mit drastischen Zollmaßnahmen infrage gestellt werden. Im Gegenteil: Der Druck auf Linke nimmt zu, das bestehende Handelssystem zu verteidigen, um sich von Trump und Konsorten abzugrenzen oder Chaos auf den Weltmärkten zu verhindern.
Das allerdings wäre vor allem aus zwei Gründen fatal: Zum einen bedeutet Freihandel nichts anderes als die Universalisierung der kapitalistischen Konkurrenzverhältnisse. Diese setzen Wettbewerb und Verdrängung voraus. Im Kapitalismus gibt es kein »Genug«, keine Beschränkung auf einen Binnenmarkt (oder ökologische Grenzen). Der aus der Konkurrenz der Einzelkapitale resultierende Zwang zur ständigen Kapitalakkumulation sprengt irgendwann die nationalen Grenzen. Ist dieser Punkt erreicht, setzt sich der Staat für die Einführung des Freihandels für diese Kapitalfraktionen ein, nachdem sie sich zunächst hinter Schutzzöllen entwickeln konnten. Alle entwickelten kapitalistischen Ökonomien folgten diesem Muster und tun es noch heute. Auch die der USA. Angesichts der aufstrebenden Konkurrenz aus China setzt sich jedoch – auch bei den US-Demokrat*innen – die Erkenntnis durch, dass wieder mehr Schutz notwendig ist.
Die Linke sollte daher ihre Freihandels- und Globalisierungskritik wieder schärfen und von der Wurzel ausgehen: der Kapitalakkumulation.
Zum anderen würde bei Abkehr von der Freihandelskritik kein Unterschied mehr zu den dominanten wirtschaftsliberalen Stimmen hierzulande bestehen. Die EU und Deutschland propagieren vermeintlich hehre Ziele – Freiheit und Wohlstand seien nur durch freie Märkte erreichbar –, aber auch ihnen geht es wie Trump nur um die Förderung der eigenen Konzerne. Wenn bestimmte Sektoren nicht wettbewerbsfähig sind, wie z.B. Elektroautos oder der Agrarsektor, werden Zölle erhoben. Droht wie derzeit eine Warenflut aus China, werden zusätzliche Zölle oder Warenkontingente erwogen. Von den unterlegenen Volkswirtschaften wird dagegen verlangt, auf protektionistische Maßnahmen zu verzichten, damit europäische Konzerne ihre Waren verkaufen können, die sozialen Folgen interessieren nicht.
Die Abgrenzung zu Trump fällt übrigens leicht: Im Inneren verfolgt er eine verschärfte neoliberale Politik. Die Zolleinnahmen sollen genutzt werden, um das Kapital von Steuern zu entlasten, Deregulierung in allen Bereichen inklusive. Das wird die Ungleichheit verschärfen und ökologisch katastrophale Folgen haben. Zudem geht die Abkehr vom Freihandel à la Trump mit nationalistischer und rassistischer Stimmungsmache einher. Die Linke sollte daher ihre Freihandels- und Globalisierungskritik wieder schärfen und von der Wurzel ausgehen: der Kapitalakkumulation.