Kettensägenmassaker
Trump demontiert die Klimapolitik – das hat Folgen für die Erderwärmung
Von Wolfgang Pomrehn

Kaum war der neue US-Präsident im Amt, ging er daran, das berüchtigte Project 2025 der Heritage Foundation umzusetzen, jenen 922 Seiten dicken Wunschkatalog der extremen Rechten, der neben vielem anderen Unerfreulichen auch detaillierte und massive Angriffe auf den Klimaschutz vorsieht. So gehörte zu Donald Trumps ersten Amtshandlungen der erneute Ausstieg aus der Pariser Klimaübereinkunft. In Kraft tritt dieser allerdings erst in einem Jahr, sodass die US-Delegierten auf der diesjährigen Klimakonferenz in Brasilien und in den Vorgesprächen noch viel Gelegenheit zur Obstruktion haben werden. Das 2015 in Paris ausgehandelte Abkommen, das das deutlich explizitere Kyoto-Protokoll ablöste, wurde übrigens mit Bedacht Agreement oder eben Übereinkunft genannt. Dies ist nämlich die Form internationaler Verträge mit der geringsten Verbindlichkeitsstufe. Dadurch kann sie in den USA per Präsidenten-Verordnung ratifiziert und eben auch gekündigt werden.
Was bedeutet nun dieser Schritt für den internationalen Klimaschutz? Die Antwort hat zwei Ebenen: Die eine ist die Wirkung auf die Verhandlungen, in denen China vermutlich einen Teil des hinterlassenen Vakuums ausfüllen wird, sowie der Einfluss auf die Politik vieler US-amerikanischer und westeuropäischer Konzerne, die bereits begonnen haben, sich aus ihren selbstauferlegten Verpflichtungen zurückzuziehen.
Die andere ist die Ebene des politischen Klimas und der konkreten Klimaschutzmaßnahmen in den USA, die derzeit für 11,2 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Pro Kopf und Jahr sind das noch immer knapp 18 Tonnen, was mit zu den weltweit höchsten spezifischen Emissionen gehört und nur von einigen Ölförderländern übertroffen wird. Nach Abzug der Aufnahme durch die Vegetation – eine im UN-Kontext verwendete Bilanzierungsmethode, für die sich einst die Klimadiplomat*innen von Donald Trumps demokratischen Vorgängern stark gemacht hatten – wurden 2022 zwischen Atlantik und Pazifik, 6,3 Milliarden Tonnen sogenannter CO2-Äquivalente in die Luft geblasen.
Davon waren knapp 80 Prozent CO2, während die übrigen Gase entsprechend ihrer Wirksamkeit in CO2 umgerechnet werden. Zweitwichtigstes Gas war mit elf Prozent das Methan, das unter anderem im großen Umfang bei der Förderung von Erdgas mit dem sogenannten Fracking freigesetzt wird. Ob die Fracking-Emissionen aber tatsächlich in vollem Umfang erfasst werden, ist umstritten. Das heißt, eventuell ist in den offiziellen Zahlen der Umweltbehörde EPA nur ein Teil der realen Methanemissionen enthalten.
Widersetzt sich Kalifornien erneut?
In Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 hatten sich seiner klimaschutzfeindlichen Politik mehrere Städte und Bundesstaaten wie das wirtschaftliche Schwergewicht Kalifornien widersetzt und an eigenen Plänen festgehalten. Kalifornien hat sich inzwischen zum Beispiel das Ziel gesetzt, bis 2045 seine Treibhausgasemissionen um 85 Prozent zu reduzieren. Bis spätestens zu diesem Datum soll Klimaneutralität erreicht werden, was heißt, dass die verbleibenden Emissionen der Atmosphäre wieder entzogen und irgendwo dauerhaft sicher eingelagert werden müssen. Doch derlei Technologie gibt es bisher, obwohl seit mindestens 20 Jahren darüber gesprochen wird, nicht. So ist zu erwarten, dass die Neutralität eher eine buchhalterische sein wird, bei der andere Staaten bei der Reduktion ihrer Emissionen unterstützt werden und der Erfolg in die eigene Bilanz geschrieben wird. Im Endeffekt würden aber die verbleibenden 15 Prozent weiter emittiert.
Bis Anfang April hat Trump bereits 82 Verordnungen unterschrieben oder Maßnahmen angestoßen, die Klimaschutz be- oder verhindern.
Wie dem auch sei: Trump geht das alles viel zu weit. Bis Anfang April hat er bereits 82 Verordnungen unterschrieben oder Maßnahmen angestoßen, die in der einen oder anderen Weise Klimaschutzmaßnahmen be- oder verhindern, darunter zum Beispiel Entlassungen im Gesundheitsministerium mit der Folge, dass deren Programme zur Anpassung an und Aufklärung über Hitzewellen beendet werden müssen. Hitzewellen sind bisher in vielen Ländern, auch hierzulande, die tödlichste und trotzdem wenig beachtete Folge des Klimawandels.
Andere Beispiele sind der zunächst vorläufige Stopp für alle Offshore-Windparks, die Abschaffung von Beschränkungen für den Ruß- und Treibhausgas-Ausstoß der Kohlekraftwerke, Erleichterungen für die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder sowie die Abschaffung einer Abgabe für Methanemissionen aus den Frackinganlagen und die Genehmigung neuer Flüssiggasterminals für den Export. Gebaut werden diese entlang eines Küstenstreifens am Golf von Mexiko, der schon jetzt Cancer Alley genannt wird. (ak 708) Unter den dortigen meist armen Anwohnenden ist nämlich aufgrund der hohen Umweltbelastung durch zahlreiche Gas- und Petrochemieanlagen die Krebsrate besonders hoch. Die vorherige Regierung hatte daher eine strafrechtliche Untersuchung gegen die Betreiber eingeleitet, die nun unter Trump wieder eingestellt wurde.
Passend dazu werden, wo immer möglich, die Klimaforschung verboten oder zumindest behindert und ihre Befunde aus offiziellen Dokumenten entfernt. So wurde unter anderem Ende Februar allen von der Regierung direkt bezahlten Wissenschaftler*innen die Teilnahme an einer wichtigen Tagung des UN-Klimarats, des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), sowie die Zu- und Mitarbeit in diesem wichtigen Gremium verboten, das alle paar Jahre den Stand der Forschungen rund um den Klimawandel und seine Eingrenzung zusammenfasst.
Diebstahl von öffentlichem Eigentum
Begleitet werden die wissenschaftsfeindlichen Maßnahmen mit rassistischen und repressiven Kampagnen gegen chinesische Forschende und ausländische Studierende sowie mit einer beispiellosen Entlassungswelle, von der unter anderem die Behörde für Ozeane und Atmosphäre (NOAA) betroffen ist, die nicht nur Klimaforschung betreibt, sondern auch für Katastrophenvorhersagen und -warnungen verantwortlich ist. Unter ihrem Dach ist außerdem der US-Wetterdienst angesiedelt. Bei diesem haben die Kürzungen bereits zu einer Reduktion von sogenannten Radiosondenaufstiegen geführt, mit denen mehrmals täglich wichtige Messungen für die Vorhersagemodelle getätigt werden. Juan Declet-Barreto von der Union of Concerned Scientists spricht vom Diebstahl am öffentlichen Eigentum, der mit den Entlassungen und den geplanten Privatisierungen beim Wetterdienst stattfinde: Die wertvollen Daten und Informationen, die der Wetterdienst NWS bereitstelle, seien in Gefahr, gestohlen zu werden. »Die Trump-Regierung, Elon Musk und die DOGE – eine Blackbox-Einrichtung, die keine rechtliche Befugnis hat, vom Kongress geschaffene Agenturen aufzulösen – haben entsprechende Signale ausgesandt, indem sie illegal in das NOAA-Hauptquartier eingedrungen sind, Tausende von Mitarbeitenden entlassen und Mietverträge für einige ihrer wichtigsten Gebäude gekündigt haben.«
Begleitet werden die wissenschaftsfeindlichen Maßnahmen mit rassistischen und repressiven Kampagnen gegen chinesische Forschende und ausländische Studierenden.
Wie viele von Trumps ersten Maßnahmen sind auch jene gegen Forschung und Lehre, die weit über den Bereich der Klimawissenschaften hinausgehen, auf Protest gestoßen, und manches konnte durch Gerichte bisher aufgehalten oder verzögert werden. Die neuen Machthaber im Weißen Haus – so muss man Trump und seine Milliardärs-Boygroup wohl nennen – haben dabei allerdings eine unverhohlene Geringschätzung der Jurisdiktion an den Tag gelegt und sich in nicht einmal zwei Monaten bereits über manchen Richter*innenspruch hinweggesetzt.
Derweil ist offen, was das alles für den auch zuvor schon völlig unzureichenden Klimaschutz in den USA bedeutet. Möglich sind Spannungen unter den Republikanern, weil einige von ihnen geführte Bundesstaaten bisher von der Energiewende profitiert hatten. Auch Staaten wie Kalifornien werden versuchen, an ihren Klimaschutzmaßnahmen festzuhalten.
Die EU reagiert mit Aufweichungen
Die andere Frage ist, was Trumps Vorgehen international bewirkt. Zu beobachten ist bereits, dass sich in Europa und Lateinamerika Konservative und Faschist*innen von ihm inspirieren und ermutigen lassen. Argentiniens Kettensägen-Präsident Javier Milei hatte bereits die letzte UN-Klimakonferenz in Baku vorzeitig verlassen und ebenfalls einen Ausstieg aus dem Pariser Vertrag angedroht. Ob er den aber tatsächlich umsetzen wird, ist fraglich. Argentinien gehört nämlich als Entwicklungsland eher zu den Profiteuren, wenn es um die Verteilung von Geldern für Anpassungsmaßnahmen geht.
In der EU hat in den letzten Wochen die konservative Fraktion im EU-Parlament zusammen mit der Kommission und einigen Regierungen die Abgasnormen für die Autobranche aufgeweicht und die Festlegung der Klimaziele für 2040 weiter verzögert, obwohl diese im Rahmen des Pariser Klimavertrags bereits überfällig ist. »Wir sehen eine Besorgnis erregende Verschiebung im Fokus der EU«, kommentiert Lynn Boylan von der irischen Sinn Féin die Veränderungen in Brüssel. »Priorität hat nun die unkritische Unterstützung der Industrie, und zwar der großen Unternehmen, von denen viele besonders umweltschädlich arbeiten.« Boylans Fraktionskollegin Anja Hazekamp, die im EU-Parlament die niederländische Partij voor de Dieren vertritt, sieht das ähnlich: »Während die EU stillschweigend Green-Deal-Maßnahmen zurücknimmt, haben viele Bürger*innen weiter in einer ungesunden Umwelt zu leiden.« Auch diverse Großkonzerne beenden oder reduzieren ihr Engagement im Klimaschutz, wie etwa BP oder RWE, das seine Investitionen in grüne Energie stark reduziert und gemeinsam mit E.on einen »Neustart der Energiewende« fordert.
Ganz anders sieht es allerdings in Asien aus, das in den letzten Jahren bereits zum Zentrum der Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energieträger und der Batterietechnik geworden ist. Die chinesische Regierung hält nicht nur an ihren ehrgeizigen Klimaschutzplänen fest, die regelmäßig vorzeitig erfüllt werden. Sie könnte auch »eine stärkere Stimme im globalen Klimaschutz bekommen«, wie die chinesische Wirtschaftszeitung Caixin schreibt. Die neuen Zölle in den USA und der EU auf chinesische Importe machen zwar auch der Solarindustrie zu schaffen, aber dennoch wachsen die Ausfuhren weiter. Die Entwicklungsländer füllen die Nachfragelücke aus dem Norden auf. China beginnt, den Globalen Süden mit Solaranlagen zu elektrifizieren.