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Staat unter Strom

Was die Regierung meint, wenn sie nach dem Tesla-Anschlag von Terrorismus und kritischer Infrastruktur spricht

Von Lene Kempe

Menschenansammlung in einem Wald. Zwischen den Bäumen hängen Baumhäuser, von den Bäumen hängen Transparente. Auf dem vorderen ist ein Igel aufgemalt, darüber steht "Water is a human right".,
Haben keinen Strommast angezündet, aber sind auch für den Erhalt kritischer Infrastuktur, nämlich der Wasserversorgung in Berlin und Brandenburg: Waldbesetzer*innen in der Nähe des Tesla-Werks in Grünheide. Foto: Jan Ole Arps

Die Aufregung war groß, als Anfang März ein Strommast in Brandenburg in Flammen aufging. Im nahe gelegenen Tesla-Werk in Grünheide stand der Betrieb mehrere Tage still, ein Edeka-Logistikzentrum war auf Notstrom angewiesen. Auch tausende private Haushalte waren einige Stunden nicht mehr am Netz. Dass die Aktion der Strominfrastruktur von Tesla galt, daran gab es keinerlei Zweifel. Dennoch war die Stoßrichtung der medialen und politischen Debatte schnell gefunden: Der Anschlag sei nichts weniger als »(Öko)Terrorismus« und die Vulkangruppe, die sich dazu bekannt hatte, eine »Verbrecherbande«, die mit aller Härte des Rechtsstaats verfolgt werden müsse. Strommasten müssten künftig durch Zäune, mehr Polizeipräsenz oder gar militärisch abgesichert werden.

Das schützenswerte Gut, für das sich der Staat hier umgehend in den Abwehrkampf begab, heißt »kritische Infrastruktur«. Dazu zählen neben der Stromversorgung etwa Gesundheitseinrichtungen, Verkehrs- und Transportwege, IT-Strukturen oder Wasserleitungen. Niemand kann ein Interesse daran haben, diese Versorgungseinrichtungen dauerhaft zu zerstören und Menschen von dem mitunter lebenswichtigen Zugang dazu abzuschneiden. Das betonte auch die Vulkangruppe in ihrem Bekenner*innenschreiben. Allein: Für den Staat geht es bei der »Terroristenjagd« um mehr als um das Schreckgespenst eines Zusammenbruchs örtlicher oder gar regionaler Versorgungssysteme.

Denn an der kritischen Infrastruktur hängen eben auch mächtige Unternehmen wie Tesla. Und die machen den störungsfreien Zugang zu günstigem Strom, zu sicheren und schnellen Transportwegen oder den Zugriff auf örtliche Wasservorkommen zur Bedingung für die Ansiedlung ihrer Werke. So war es Teil des Deals, den die Brandenburger Landesregierung mit dem US-Autobauer eingegangen ist, dass Tesla das Grundwasser anzapfen darf. Per Vertrag wurden Tesla jährlich 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser zugesagt – etwa ein Fünftel der Förderung des örtlichen Versorgers. Für Neukund*innen wurde Trinkwasser rationiert und geplante kommunale Projekte wie Schulen oder Kitas gestoppt, weil die Wasserversorgung nicht garantiert werden konnte.

Tesla beutet diese kritischen Ressourcen Brandenburgs, eine der trockensten Regionen Deutschlands, aus. Für die Produktion von Elektroautos. Ob diese überhaupt einen positiven Beitrag zur Klimaneutralität leisten können? Wohl kaum.

Nicht nur die wasserintensive Produktion vor Ort ist ein Problem. Auch die Gewinnung von Lithium, der Grundstoff für Batterien, führt global zu Konflikten. So werden dafür etwa im Norden Chiles Jahrhunderte alte Landwirtschafts- und Bewässerungssysteme zerstört – kritische Infrastruktur für die Menschen vor Ort. Es ist zuvörderst dieser ungehinderte Zugriff von Investoren und Unternehmen auf öffentliche Güter, den der Staat verteidigt. Für die meisten Menschen bedeutet das nicht mehr, sondern weniger Sicherheit.

Lene Kempe

ist Redakteurin bei ak.

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