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Professor Happis Impfstoff

Die Pandemie zeigt, dass pan-afrikanische Lösungen nicht mit den reichen Ländern erarbeitet werden können

Von Paul Dziedzic

Ein Team von Forscher_innen im Familienfoto um eine Infotafel mit der Aufschrift "ACEGID, African Centre of Excellence for Genomics of Infectious Diseases"
Statt überteuerter Deals mit Big Pharma wünschen sich viele Forscher*innen mehr Investition in eigene Vorhaben. Hier zum Beispiel am African Centre of Excellence for the Genomics of Infectious Diseases in Nigeria. Foto: Fembells / Wikimedia , CC BY-SA 4.0

Was gab es am Anfang der Pandemie noch für pathetische Töne von westlichen Regierungen. Zum Beispiel, die Welt müsse »gemeinsam« durch die Krise, es dürfe keinen Impfnationalismus geben. Doch als Vorschläge wie die Freigabe der Patente kamen, wurden diese abgeschmettert. Das passte amerikanischen und europäischen Pharmaindustrien nicht. Die afrikanische Staatengemeinschaft kennt solche moralistischen Töne und weiß eigentlich auch, dass davon nichts zu halten ist. Und doch setzte sie auf die falsche Strategie.

Im frühen Pandemie-Management ging es darum, schnell und resolut zu handeln. Das taten auch viele Länder auf dem Kontinent: Sie fuhren eine Zero-Covid-Strategie, die anfangs auch wirkte. Doch je mehr Zeit verstrich und je weniger eine Lösung in Sicht war (zumindest keine solidarische), nahmen die existenziellen Probleme der Menschen zu. Immerhin hatten sie zumeist keinen Staat, der ein soziales Netz über sie hätte ausspannen können. Zugleich machte sich die ganze Welt auf die Suche nach einem Impfstoff. Unter den weltweit über 300 Forschungsprojekten war auch jenes von Professor Christian Happi vom African Center of Excellence for Genomics of Infectious Diseases in Nigeria. Sein Team hatte schon im September einen Impfstoffkandidaten entwickelt, der in der präklinischen Phase (vor den Tests mit Menschen) eine Erfolgsrate von 90 Prozent vorwies. Doch die Studie bekam keine Förderung; weder aus Nigeria, noch von pan-afrikanischen Institutionen.

Deutsche Politiker*innen warnten vor Impfnationalismus, lehnten aber die Freigabe der Patente ab.

Dann gab es Durchbrüche in der öffentlich geförderten Forschung anderswo – plötzlich warnten deutsche Politiker*innen angesichts der enormen Summen, die die USA für eine Vorzugsbehandlung boten, vor Impfnationalismus. Das waren dieselben Politiker*innen, die die Forderungen vieler afrikanischer Staaten nach der Freigabe der Patente ablehnten. Doch nicht nur das: So sollte etwa Südafrika für die AstraZeneca-Impfung 2,5 mal so viel zahlen wie Europa und Nordamerika. Die Begründung: Erstere hätten mehr in die Forschung eingezahlt. Dass Tausende Menschen in Afrika an den Versuchsstudien teilgenommen hatten, sah die Firma nicht als Beteiligung. Obendrein stellte sich heraus, dass die Impfung schlechter gegen die in Südafrika verbreiteten Varianten wirkte. Professor Happi hätte sich wahrscheinlich gewünscht, jene Menschen, die der Zeneca-Hersteller erst ausnutzte und dann einfach ignorierte, hätten an seiner Studie teilgenommen. »Es macht einen wirklich traurig und man fühlt Mitleid mit einem Kontinent, der eine eigene Lösung hätte finden können, aber sich stattdessen dafür entschied, abhängig zu bleiben«, sagte Happi im Interview mit der BBC.

Die Staaten der Afrikanischen Union (AU) setzen mittlerweile einerseits auf die Covax-Initiative, eine Art Charity-Veranstaltung der reichen Staaten und ihrer öffentlichen sowie privaten Organisationen, wie der marktradikalen Bill & Melinda Gates Stiftung. Durch die »Spenden« von Covax sollen 20 Prozent der Menschen in Afrika versorgt werden. Andererseits poolten AU-Staaten ihre Ressourcen zusammen, um nochmal Impfungen für zehn Prozent der Bevölkerung des Kontinents zu erwerben. Alles in allem wäre damit aber gerade mal ein Drittel der Menschen Afrikas versorgt.

Das bedeutet: Menschen werden weiter aufgrund von Impfnationalismus und Profitmotiven an Covid sterben. Mit Blick auf andere globale Herausforderungen wie die Klimakrise lässt sich daraus lernen, dass Menschen im Globalen Süden umsteuern und eigene Wege gehen müssen – auch gegen den Westen.