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Überholspur rechts

Entgegen vieler Prognosen von Parteienforschenden zahlt sich der Rechtsaußenkurs für die AfD aus

Von Marcel Hartwig

Eiin großer Haufen Scheiße unterhält sich an einem AfD Wahlkampfstand mit einem Mann.
Viele Menschen haben sich schon komplett an die AfD gewöhnt. Hier allerdings im tiefsten Westen Deutschlands: in Bochum. Foto: Antifaschistische Linke Bochum / Twitter

Die AfD ist sich sicher: 2024, das wird ihr Jahr. Bei den anstehenden Kommunal-, Landtags- und Europawahlen könnte die Partei den Umfragen zufolge in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft werden und bei den Kommunalwahlen abräumen. Sicher, Björn Höcke wird (noch) nicht Ministerpräsident in Thüringen. Wenn aber die AfD, Bürgermeister und Landräte in nennenswerter Zahl stellt, wird dies auf das politische Klima in einer Region unter Umständen mehr Einfluss nehmen als fünf weitere Mandate in einem Landtag. Und: Wer glaubt, eine wie auch immer gestaltete Machtbeteiligung der AfD in den ostdeutschen Ländern sei ausgeschlossen, irrt. Denn eine Brandmauer existiert in vielen Regionen nicht.

Die Etablierung der AfD nicht mehr nur in Ostdeutschland zeigt, dass sich die vom rechten Flügel der AfD seit 2014 betriebene Radikalisierung der AfD zu einer extrem rechten Partei entgegen der langjährigen Prognostik der Parteienforschung politisch auszahlt. Die internen Debatten mögen von außen betrachtet bizarr anmuten, spiegeln aber das Selbst- und Sendungsbewusstsein der offen faschistischen Akteur*innen der Partei wider. Die Politik der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni, oft verharmlosend als »postfaschistisch« bezeichnet, gilt manchen in der AfD als zu westlich und angepasst. Lieber orientiert man sich an Viktor Orbán und seiner nationalistisch-autoritären Formierung Ungarns.

Wer glaubt, eine Machtbeteiligung der AfD in den ostdeutschen Ländern sei ausgeschlossen, irrt. Denn eine Brandmauer existiert in vielen Regionen nicht.

Aus dem Machtverlust der PiS-Regierung und deren Fehlern in Polen gelte es, strategisch zu lernen, heißt es aus der AfD. Innerparteilich hochumstritten ist die Frage, ob die AfD um eingebürgte Migrant*innen als Wähler*innen buhlen sollte. Völkisch-rassistische Fundamentalist*innen stehen dabei jenen gegenüber, die fasziniert von Patriarchat und Traditionalismus einem strategisch-taktischen Zusammengehen mit Islamist*innen nicht ganz abgeneigt sind.

Nichts macht bekanntlich so erfolgreich wie der Erfolg. Dies spiegelt sich in den steigenden Mitgliederzahlen der AfD wider, die Anfang Januar veröffentlicht wurden. Über 40.000 Mitglieder hat die Partei ihren eigenen Angaben nach. Das Maß der Normalisierung, das mittlerweile erreicht ist, gilt es sich vor Augen zu führen, denn die AfD organisiert mitnichten nur ein ohnehin schon rechtes Milieu – in einigen Regionen Ostdeutschlands ragen Einfluss und Bindungskraft der Partei längst weit darüber hinaus. Die Krisen der vergangenen Jahre erweiterten die Zustimmungsbereitschaft zu rechten und rassistischen Einstellungen in der Bevölkerung enorm und ermöglichten das Wachstum der AfD erst.

Die nun medial enthüllten »Geheimpläne« aus dem Umfeld der Partei geben nur wieder, was in der rechtsintellektuellen Szene seit Jahren mehr oder minder offen ausgesprochen wird: dass man, einmal zur Macht gelangt, nicht zögern wird, rassistisch motivierte Säuberungen ins Werk zu setzen. Das dies bei rechten Kapitaleignern aus dem Mittelstand auf Resonanz stößt, ist keine Überraschung.

Die AfD greift mit großem Erfolg auf, was aus dem Mund von NPD und Neonazis noch tabu war. Die Partei führt Hegemoniekämpfe um Themen und Begriffe. Ihre Gegner*innen haben dies offenbar bis heute nicht verstanden.

Auf der rechten Überholspur wird es eng. Denn neben der AfD will die vom ehemaligen Verfassungsschutzchef Maaßen favorisierte »Werteunion« als Partei zu den Wahlen antreten. Nimmt man die »Freien Wähler« in Sachsen und Thüringen sowie diverse rechte Kleinstparteien zusammen, gibt es eine regelrechte Drängelei im Wettbewerb um rechte Wähler*innen. Die rechte Menü-Auswahl bei den Wahlen könnte die AfD in den Ostländern ein paar Stimmen kosten, wirklich schaden wird es ihr nicht.

Dem gegenüber ist die gesellschaftliche Linke eindeutig in der Defensive. Findet sie in den verbleibenden Monaten bis zu den Wahlen nicht ihre Sprache und Kampagnenfähigkeit wieder, besteht die Gefahr, nach den Wahlen jenseits der eigenen Blasen politisch unsichtbar zu werden. Der weitere Erfolg der AfD ist wohl nicht zu verhindern. Das Ausmaß dieses Erfolgs aber gilt es, mit Blick auf die Betroffenen einer zur Macht gekommenen extrem rechten Politik zu begrenzen. Dies muss beginnen, bevor es im Sommer und Herbst 2024 zu spät ist.

Marcel Hartwig

lebt in Leipzig und Halle. Er ist in der Jugendarbeit tätig.

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