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Drohnenmacht Airbus

Die Bundeswehr möchte ihre Drohnen bewaffnen – die Hemmschwelle für Kampfeinsätze dürfte dann sinken

Von Matthias Monroy

Eine Drohne steht auf Betonboden
Nur eines der Objekte der Begierde: die Eurodrohne, hier ein Vorführmodell. Foto: DeffiSK/ Wikipedia, CC BY-SA 4.0

Mit der sogenannten Eurodrohne will Deutschland ab 2029 zusammen mit Frankreich, Italien und Spanien in den Kreis der Drohnenmächte vorstoßen. Der Begriff meint Staaten wie die USA, Israel, China und die Türkei, die derzeit Kampfdrohnen herstellen, einsetzen und mit dem Prädikat »kampferprobt« weltweit vermarkten. Mitte April wurde im Bundestag grünes Licht für die nächste Entwicklungsstufe der Eurodrohne gegeben: Der Haushalts- und der Verteidigungsausschuss beschlossen die Finanzierung der Serienproduktion der Drohne. Erwartungsgemäß stimmten die Regierungsparteien und die AfD für den Antrag, die FDP enthielt sich, während Linkspartei und Grüne dagegen waren.

Neu sind die Pläne einer europäischen Drohne nicht. Bereits unter dem Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte der Rüstungskonzern Airbus – damals noch als EADS – für die Serienproduktion einer »europäischen Drohne« geworben. Zunächst firmierte das Projekt als Female (Future European Male), der Name zielte auf das Kürzel MALE, das mit Medium Altitude Long Endurance hochfliegende Drohnen mit langer Ausdauer bezeichnet.

2016 haben die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens die erste Phase der Eurodrohne auf den Weg gebracht. Dabei ging es zunächst um die Abstimmung eines Konzepts für eine EU-Kampfdrohne. Sie soll mit einem Abfluggewicht von über zehn Tonnen verfügen und rund 2,3 Tonnen Nutzlast transportieren, darunter Lenkraketen und -bomben. Der Hauptauftragnehmer ist Airbus, als Partner gewann der Rüstungskonzern die Firmen Dassault aus Frankreich und Leonardo aus Italien. Allein für Deutschland kostet das Projekt den Plänen zufolge mindestens 3,8 Milliarden Euro.

Bei der Abstimmung Mitte April bemühten sich die schwarz-roten Koalitionspartner, die Frage der Bewaffnung aus der Diskussion herauszuhalten. Deshalb wurde zunächst nur über die Abnahme von insgesamt 21 Luftfahrzeugen für die Bundeswehr entschieden, die Lieferung erfolgt demnach ab 2029. Ob die Eurodrohnen dann Waffen tragen, soll dem Bundestag erst in einigen Jahren zur Entscheidung vorgelegt werden.

SPD auf dem Schleudersitz

Ob die SPD-Führung der Finanzierung einer EU-Kampfdrohne zustimmen würde, war bis zuletzt unklar. Denn die Fraktionsspitze hatte in einer anderen Frage zur Bewaffnung von Drohnen im Dezember in letzter Minute einen Rückzieher gemacht. Bis zur Fertigstellung der Eurodrohne fliegt die Bundeswehr in Afghanistan und Mali seit elf Jahren mehrere unbewaffnete Heron 1-Drohnen aus Israel. Sie gelten als »Überbrückungslösung« und werden dieses Jahr durch das Nachfolgemodell Heron TP abgelöst. Hauptauftragnehmer für beide Modelle ist wie bei der geplanten Eurodrohne Airbus mit seinem deutschen Ableger in Ottobrunn. Airbus least die Luftfahrzeuge und Bodenstationen dafür von dem israelischen Hersteller und wartet die Systeme in den Einsatzgebieten der Bundeswehr.

Mit einer Überbrückungslösung, der Eurodrohne und einem neuen Kampfflugzeug befindet sich Deutschland hinsichtlich bewaffneter Drohnen gleich drei Mal am Scheideweg.

Das Verteidigungsministerium hat die Heron TP bewaffnungsfähig bestellt. Pläne zur Munitionierung hegen CDU, CSU und SPD seit zwei Legislaturperioden, vorher hatten die Parteien aber eine »gesellschaftliche Debatte« versprochen. Sie fand als »Drohnendebatte« in Form einer kurzen und einseitigen Veranstaltungsreihe im Sommer des vergangenen Jahres statt, die Regie hatte die Bundeswehr. Die Regierungskoalition wollte die Bewaffnung anschließend noch vor den Weihnachtsferien vom Bundestag beschließen lassen.

Eine Woche vorher meldete jedoch SPD-Ko-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans Bedenken an. Die bisherige Debatte über Kampfdrohnen hielt er »nicht für ausreichend«, sodass eine zentrale Bedingung aus dem Koalitionsvertrag nicht erfüllt sei. Der SPD-Finanzminister Olaf Scholz entschied daraufhin, die Beschlussvorlage für die Drohnenbewaffnung vorläufig nicht an den Bundestag weiterzuleiten. Damit ist das Thema der bewaffneten Überbrückungslösung vermutlich bis nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 vom Tisch.

Unbemannte Dolchstoßlegende

Für seine auf den letzten Metern gezogene Notbremse musste Borjans erwartungsgemäß heftige Kritik einstecken. Die SPD »verrät unsere Soldaten«, verstieg sich dazu der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Henning Otte. Auch Abgeordnete aus der eigenen Partei zeigten sich verärgert und verwundert, warum das Thema »nicht ausreichend diskutiert worden« sein sollte. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, trat deshalb sogar zurück.

Tatsächlich wurden die meisten Argumente für und wider dieser Bewaffnung unbemannter Systeme schon seit Beginn der deutschen Kampfdrohnenpläne ausgesprochen und verhandelt. Dass die Auseinandersetzung inzwischen neun Jahre andauert, liefert den Befürworter*innen aber ein neues Argument. Denn die Zahl der Länder, die bewaffnete Drohnen besitzen (aber nicht unbedingt einsetzen), ist inzwischen auf mindestens 19 angewachsen. Sie sind also so weit verbreitet, dass ihre Nichtanschaffung von Militärs nunmehr als »Entstehung einer unzumutbaren Fähigkeitslücke« interpretiert wird.

Der jüngste Krieg um Bergkarabach hat den Gegner*innen von Kampfdrohnen aber auch ein neues Argument geliefert. Dort zeigte sich, dass Militärs der zunehmenden Verbreitung von Kampfdrohnen mit neuen Kapazitäten zur Abwehr begegnen müssen. Drohnen fliegen langsamer und niedriger als Kampfflugzeuge, für deren Bekämpfung herkömmliche Systeme mit Flugabwehrraketen gebaut worden sind. Deshalb soll es der Armee von Aserbaidschan gelungen sein, Dutzende russische Flugabwehrsysteme zu zerstören.

Viele Gegner*innen von bewaffneten Drohnen beklagen deren Nutzung für außergerichtliche Hinrichtungen, wie es die USA seit 20 Jahren praktizieren. Die Befürchtung ist berechtigt, das belegen auch die Einsätze von türkischen Kampfdrohnen in Kurdistan, Syrien, Irak und Libyen. Das deutsche Verteidigungsministerium verspricht, bewaffnete Drohnen ausschließlich völkerrechtskonform einzusetzen. Mit ihrer Einführung wird sich die deutsche Kriegsführung aber verändern. Als sicher gilt, dass die Hemmschwelle für den Kampfeinsatz sinkt. Dies hat die Bundeswehr in der »Drohnendebatte« bestätigt, indem sie beklagte, dass sie mit den noch unbewaffneten Drohnen häufig »zum Zusehen verdammt« ist.

Auch Aufklärungsdrohnen übernehmen eine wichtige Funktion für die heutige Kriegsführung. Fast 800 unbemannte Luftfahrzeuge verschiedener Größen spähen derzeit für die Luftwaffe, das Heer und die Marine. Sie dienen der Überwachung von Stützpunkten im Einsatzgebiet und sollen dort auch feindliche Kräfte einschüchtern. Gegenüber der bemannten Aufklärung verfügen sie über verschiedene Vorteile. Das Verteidigungsministerium führt »lange Stehzeiten, hohe Reichweiten, umfassende Sensormischung, nahezu unbemerkte und dauerhafte Echtzeitübertragung von Aufklärungsergebnissen etc.« an. Drohnen leisteten demnach einen wichtigen Beitrag zur »Bekämpfung von Hochwertzielen«. Für Angriffe mit Kampfflugzeugen und Bodentruppen können sie Ziele mit Lasergeräten markieren.

600 Milliarden für Kampfjet plus Drohnenschwärme

Dieses Jahr soll der Bundestag zudem über ein milliardenschweres sogenanntes Luftverteidigungsnetzwerk entscheiden. Zusammen mit Frankreich will die Bundesregierung in den nächsten 20 Jahren ein atomwaffenfähiges Future Combat Air System (FCAS) entwickeln, das im Kern aus einem neuartigen Kampfflugzeug besteht. Zu den Plänen gehört, dass dieser »Next Generation Fighter« von Drohnenschwärmen begleitet wird. Zuständig hierfür wäre wieder Airbus, der Rüstungskonzern hat das sogenannte Manned-Unmanned Teaming bereits über der Ostsee erprobt. Zum Gesamtsystem gehört auch der Abwurf von Schwärmen kleinerer Drohnen aus hochfliegenden Transportflugzeugen, wie es Airbus mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt kürzlich simuliert hat.

Als drittes Element des FCAS fungiert eine »Gefechts-Cloud«, die für den Datenaustausch der vernetzten Systeme zuständig ist. Alle beteiligten Plattformen würden auf diese Weise zu einem sogenannten System of Systems verschmelzen. Bis 2028 soll ein erstes flugfähiges Modell des neuen Kampfflugzeugs entstehen, das dann für Tests mit Drohnenschwärmen genutzt werden kann. Die deutsche Luftwaffe bezeichnet das Vorhaben als »das größte europäische Rüstungsprojekt überhaupt«. Die Kosten für die Entwicklung des gesamten FCAS werden auf über 100 Milliarden Euro geschätzt, der spätere Kauf der Systeme könnte sich auf 500 Milliarden Euro belaufen.

Mit einer bewaffneten Überbrückungslösung, der ebenfalls bewaffnungsfähigen Eurodrohne und dem neuen Kampfflugzeug befindet sich Deutschland hinsichtlich bewaffneter Drohnen gleich drei Mal am Scheideweg. In allen drei Projekten steht Airbus im Mittelpunkt. Grund genug also, den Rüstungskonzern als Kriegstreiber und Profiteur aller großen deutschen Drohnenprojekte aufs Korn zu nehmen. Die Kampagne »Rheinmetall entwaffnen« hat es geschafft, die Machenschaften der Firma international bekannt zu machen. Dieses Wissen, aber auch die gute linke Vernetzung mit Bewegungen in Frankreich, Italien und Spanien könnten dabei helfen, die Rüstungspläne von Airbus zu durchkreuzen.

Matthias Monroy

ist Redakteur der Zeitung nd und des Magazins CILIP mit Fokus auf Polizei und Überwachung in der EU.

In der Studie »Der lange Weg zur Drohnenmacht« beschreibt Matthias Monroy sämtliche unbemannten Systeme der Bundeswehr. Die Studie und ein »German Drone Survival Guide« sind abrufbar unter: www.rosalux.de.