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Mit nichts zu rechtfertigen

Das PKK-Verbot ist ein Höhepunkt politischer Doppelstandards

Von Christian Jakob

Was für andere politische Gruppen selbstverständlich ist, ist für Kurd*innen seit drei Jahrzehnten nur mit drastischen Einschränkungen möglich: sich versammeln, demonstrieren, organisieren. Foto: Montecruz Foto/Flickr, CC BY-SA 2.0 Deed

Es ist 30 Jahre her, dass der damalige CDU-Innenminister Manfred Kanther die kurdische Arbeiter*innenpartei PKK verbot. Die Folgen für die hier lebenden Kurd*innen sind bis heute fatal: Die Gefahr, wegen Unterstützungs- und Propagandadelikten ein Terrorismusverfahren auf sich zu ziehen – und möglicherweise das Aufenthaltsrecht zu verlieren –, schränkt ihr Recht auf politische Betätigung schwerwiegend ein.

Als die PKK verboten wurde, war sie eine andere. Sie verübte Anschläge in Deutschland, etwa 240 Aktionen waren es insgesamt. Die standen in direktem Zusammenhang mit dem damaligen Feldzug der Türkei gegen die aufbegehrenden Kurd*innen im Südosten des Landes. Trotzdem war es nicht verwunderlich, dass die deutschen Behörden das nicht hingenommen haben. Diese Zeit ist aber vorbei. Die 1996 von ihrem Anführer Abdullah Öcalan abgegebene Selbstverpflichtung, keine Anschläge in Deutschland zu verüben, hat sie eingehalten. Das gilt – auch nach Einschätzung europäischer Polizeibehörden – auch für den Rest der EU. Sie ist deshalb kein Sicherheitsrisiko mehr, wie einst angeführt wurde.

Behörden schreiben der PKK oft einen »strategischen« Gewaltverzicht zu, den sie auch wieder fallen lassen könnte. Selbst wenn es so wäre: Gewalttaten, Anschläge, Zwangsrekrutierung – all dies ist in Deutschland komplett unabhängig vom PKK-Verbot illegal. Wenn der Staat einst der Meinung sein sollte, Kurd*innen würden sich solcher Vergehen schuldig machen, könnte er dies ohne Weiteres juristisch verfolgen, auch wenn die PKK legal wäre.

Bei dem Verbot geht es nicht darum, Gefahren für die Sicherheit abzuwehren, sondern politische Betätigung zu unterdrücken.

Bei dem Verbot geht es deshalb nicht darum, Gefahren für die Sicherheit abzuwehren, sondern politische Betätigung zu unterdrücken, die für andere legal ist: Versammlungen, Reden, Spendensammeln, Räume unterhalten, Symbole zeigen. Das tut niemandem weh, andere Akteur*innen dürfen das. Bei PKK-nahen Kurd*innen aber gibt es Terror-Verfahren, mit Razzien, Isolationshaft, Meldeauflagen, politischen Betätigungsverboten.

Dafür gibt es heute keine Rechtfertigung. Die hier lebenden Kurd*innen haben Anspruch auf eine selbst gewählte Repräsentation. Auch weil sie eine der größten Diaspora-Gruppen sind und weil die Türkei gegen sie Krieg führt und sie sich in Europa dagegen organisieren dürfen müssen.

Dass die Ampel dies den Kurd*innen verwehrt und selber auch nicht protestiert, ist einer der dunkelsten Flecken ihrer Außenpolitik. Kaum irgendwo stechen strategische Interessen menschenrechtliche Standards so aus wie beim Schweigen zum türkischen Krieg gegen Rojava und die Kurd*innen in der Türkei. Massenverhaftungen, Ermordungen, Bombardements bleiben ohne Reaktion.

Seit Jahren ist offensichtlich, dass die Kurd*innen zu den integersten, progressivsten, demokratischsten Akteur*innen in der Region zählen. Sie wären der natürliche Partner einer westlichen Außenpolitik, die ihre eigenen Ansprüche ernst nähme. Stattdessen wird vor dem zunehmend islamistischen Nationalismus der AKP gebuckelt.

Christian Jakob

ist Journalist bei der taz.

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