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Kommt jetzt die KI-Apokalypse?

Ein offener Brief aus dem Sillicon Valley fordert ein Moratorium bei der Entwicklung von ChatGPT und co. Was steckt dahinter?

Von Paul Dziedzic

Bildausschnitt aus dem Terminator. In der Mitte des Bildes eine Nahaufnahme eines Roboters aus glänzendem Metall und einem Kopf, der aussieht wie ein menschlicher Skelett und roten Augen.
Auch das noch: Zur Liste der Dinge, die den Weltuntergang einzuleiten drohen, kommt jetzt noch die künstliche Intelligenz (KI) dazu. Screenshot: Tom McKinnon / Flickr , CC BY-SA 2.0

Die Bourgeoisie hat Angst ersetzt zu werden durch eine übermenschliche künstliche Intelligenz (KI), die ihr alles wegzunehmen droht – erst die Jobs, dann irgendwann sogar die Produktionsmittel. So liest sich zumindest zwischen den Zeilen ein im März veröffentlichter offener Brief über die Gefahren von KI, unterschrieben von der Crème de la Crème des Silicon Valley. Es drohe nichts weniger als der Untergang der Zivilisation. Mehrzweck-Kapitalist Elon Musk, Apple Co-Gründer Steve Wozniak und weitere Unterzeichner*innen verlangen ein sechsmonatiges Moratorium bei der Entwicklung von KI-Systemen. Wenn selbst bei Teilen des Silicon Valley die Alarmglocken läuten, stellt sich die Frage, ob das Ende nun bevorsteht. Oder verfolgen die Unterschreibenden mit der Panikmache etwa ihre eigenen Ziele?

In den sozialen Medien sind die Meinungen geteilt: Während die einen die neue Technologie feiern und sie bereits für ihre privaten und beruflichen Zwecke einsetzen, befürchten andere, dass der Terminator vor der Tür steht. Es kursiert jetzt schon eine Unzahl an persönlichen Berichten, Eigenexperimenten und Medienberichten über ChatGPT-4, den am weitesten entwickelten »intelligenten« Chat-Roboter. So berichteten mehrere Medienportale über die Fähigkeit des Roboters, »machtorientiertes Verhalten« zu zeigen. Basierend auf einem tatsächlich von der Firma OpenAI durchgeführten Test spinnen Medien eine Story, die suggeriert, ChatGPT sei in der Lage, Menschen für die eigenen Zwecke zu manipulieren. Beim Test soll die KI ihren natürlichen Feind, die »Ich bin kein Roboter«-Schranke, überwinden und kriegt dafür sogar ein Budget. Damit habe es die KI geschafft, auf einer Minijob-Plattform anonym einen Menschen anzuheuern, um den Test zu bestehen. Es ist zwar eine unterhaltsame Story, doch viele Details über den Ablauf des Tests gab OpenAI nicht preis. Das hindert Menschen in den sozialen Medien nicht daran, die Geschichte weiter zu schreiben: Die KI könne schon bald die gesamte Menschheit auslöschen, indem sie, ausgerüstet mit einem Budget, an unterschiedlichen Produktionsorten die Komponenten für eine Super-Bazille entwickelt, ohne dass jemand Verdacht schöpft. Solche Szenarien schwingen auch im offenen Brief aus dem Silicon Valley mit.

Mehrere Medienportale berichteten über die Fähigkeit des Roboters, »machtorientiertes Verhalten« zu zeigen.

Es gibt über die wilden Spekulationen hinaus Aspekte von KI, die einer dringenden Diskussion bedürfen. Zum Beispiel geht oft unter, dass wir als Privatpersonen für KI-produzierende Firmen außer zum Zwecke des Datentrainings erst einmal unwichtig sind. Erst später in der Kette sind wir als Arbeiter*innen interessant. Denn den Profit sehen KI-Entwickler*innen im Verkauf von Lizenzen und Entwicklungsaufträgen an andere Industrien (und das Militär). Diese würden die KI benutzen, um die Produktivität der Arbeiter*innen zu steigern. Das heißt, dass es in vielen Jobs schon bald erwartet werden könnte, dass wir zusammen mit der KI die Profite anderer generieren müssen, während die KI uns zusätzlich bei unseren Bossen verpetzt.

Der Aspekt der Ausbeutung zeigt sich schon jetzt am Anfang der Produktionskette von ChatGPT-4. In der Entwicklungsphase heuerte die Firma OpenAI Arbeiter*innen aus Kenia an, die zu ausbeuterischen Löhnen von zwei Dollar die Stunde die Software trainieren sollten, um sie »weniger toxisch« zu machen (das bedeutet auch: schlimmste psychische Belastung für diese Arbeiter*innen).

Darüberhinaus gibt es noch die Frage des Umweltschutzes. Die Technologie braucht Infrastruktur wie Rechenzentren, die wiederum sehr durstig nach Wasser und Energie sind. Das heißt in der heutigen Welt, dass KI CO₂-Ausstoß produziert, Wasser verbraucht und Land für ihre Rechner benötigt. Eine Anfrage bei ChatGPT kostet ein Vielfaches mehr an Rechenleistung als bei einer gewöhnlichen Suchmaschine. Bei einer Expansion von KI-Produkten bedeutet das nicht nur mehr Energieverbrauch, sondern auch die Suche nach Land. Tech-Giganten entdecken da, nicht nur zum Zwecke der Ausbeutung von Arbeiter*innen, den afrikanischen Kontinent. So will Amazon seinen südafrikanischen Hauptsitz ohne Zustimmung der indigenen Communities auf ihr Land bauen. Solche Konflikte um Landzugang und -nutzung dürften in Zukunft zunehmen.

Staatliche Regulierungen von KI werden kommen – formuliert im Sinne des Profits. Und wer sitzt dann bei den Beratungen in der ersten Reihe? Die Silicon-Valley-Kapitalist*innen, vielleicht sogar einige von denen, die den Panik-Brief mit unterschrieben haben.

Die wirklichen Fragen rund um KI haben, wie soll es anders sein, mit Zugang, Arbeit und Besitz zu tun; Themen, in die wir uns als Linke einschalten können und sollten.