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|ak 686 | Alltag |Reihe: Komm bitte!

Komm bitte, CSD Antifa

Von Kuku Schrapnell

Als ich vor über zehn Jahren nach Leipzig zog, gab es noch das Graffiti »CSD Antifa«, das an gefühlt jedes zweite Haus in Connewitz geschrieben wurde. Als linke, queere Teenagerin dachte ich damals, dahinter würden sich ein wenig ältere, linke, queere Antifas verbergen, die auf mich warten. So kannte ich das schließlich. Immerhin war unsere Dorf-Antifa-Gruppe, im Westen damals, wenig mehr als das Treffen aller offen queeren Mitschüler*innen, zumindest derer, die nicht schon mit 17 aussahen, als wären sie Mitglied im Lesben und Schwulen Verband Deutschland oder der Lesben und Schwulen in der Union.

Es stellte sich dann aber relativ bald heraus, dass es bei der »CSD Antifa« gar nicht um den Christopher Street Day ging, sondern dass das CSD für Communism statt Deutschland stand. Schade Marmelade.

Jetzt ist 2022, Kommunismus schreibt man wieder mit K und Deutschland gibt es immer noch. Die CSD Antifa von damals hat ihr Versprechen nicht gehalten, und der Schriftzug ist auch nirgends mehr zu finden. Ein guter Zeitpunkt also, das Label wiederzubeleben und ein bisschen näher an das heranzurücken, was ich mir damals so vorgestellt habe.

Dabei ist die Lage ernster als es zuerst vielleicht klingt. Der Tod von Malte C. nach einem Angriff auf den CSD Münster ging groß durch die Medien und sorgte für bundesweite Solidaritätskundgebungen. Leider ist das nur die traurige Spitze des queerfeindlichen Eisbergs in Deutschland.

Mehrere Angriffe gab es auch auf Teilnehmende des CSD Dresden im September 2022. Beim CSD Dortmund wurden drei Personen attackiert, die Demo wurde mit Eiern beworfen und bespuckt. Fotos von Queers über rechte Telegramgruppen verteilt. Nach mehreren verbalen Angriffen auf den CSD Bamberg wurde eine Person auf dem Nachhauseweg bewusstlos geschlagen, ähnliches geschah beim CSD in Augsburg, wo zwei junge Menschen auf dem Nachhauseweg von einer Gruppe Minderjähriger angegriffen wurden. In Karlsruhe attackierten 20 bis 25 Personen nach dem CSD eine Person mit Regenbogenflagge und mehrere Personen, die zu Hilfe kamen. Die Betroffenen mussten sich danach von den eintreffenden Polizeikräften anhören, sie hätten noch nicht genug abbekommen. Beim ersten CSD im sächsischen Döbeln dieses Jahr gab es gleich zwei Gegendemos: von den Freien Sachsen und den Jungen Nationalisten. Entsprechend fanden sich auch genug Nazis in der Kleinstadt ein, die eine Gruppe Queers bei der Anreise zum CSD mit Steinen bewarfen. Die Liste ließe sich noch fortsetzen.

Das alles klingt, als wäre es höchste Zeit für eine CSD Antifa. Denn die Mobilisierung gegen Queers gehört schon lange zum Repertoire der Rechten. Während die Demo für Alle 2014 nur bedingt erfolgreich war und ihre Warnungen vor Homo-Propaganda und -Lobby außerhalb der eigenen Milieus eher verlacht wurden, scheinen nun die gleichen Argumente bis weit in die gesellschaftliche Linke hinein erfolgreich zu sein – wenn man Homo gegen Trans austauscht. Dann geht’s schnell um irgendwas mit Kindern und die natürliche Ordnung und sowas halt. Ein beliebtes Mittel ist, Ekel zu erzeugen vor queeren Körpern und vor allem den mit Transitionen einhergehenden Operationen und Veränderungen. Und es ist einfach, wenn man transgeschlechtliche Menschen eklig findet, auch Homos eklig zu finden, und wenn es erstmal so richtig eklig ist, ist es auch viel leichter zuzuschlagen.

Das Wichtigste an meinem Traum einer CSD Antifa ist, dass es sie eigentlich schon gibt. Und damit meine ich nicht nur, dass sich queere Menschen antifaschistisch engagieren (schon allein aus purem Eigennutz eine gute Idee), sondern auch, dass mittlerweile, zumindest im Osten, in antifaschistischen Gruppen zu CSDs mobilisiert wird. Sei es Döbeln, Altenburg oder Erfurt: Es werden Anreisen organisiert, Bezugsgruppen gebildet und, wie man so schön sagt, Kämpfe verbunden.

Dabei weiß ich gar nicht, ob es daran liegt, dass die Analyse ihnen sagt, dass anti-queere Kämpfe von rechts gerade zu einem ihrer wichtigsten Zugpferde werden oder ob es daran liegt, dass sich eh ein Fünftel der Generation Z als Teil der queeren Community sieht und die doch eher jungen Antifas doch auch aus ganz egoistischen Motiven während der CSD Saison immer wieder rausfahren. So oder so, sie erfüllen mir meinen großen Jugendtraum und ich bin froh, mit ihnen auf der Straße zu stehen.

Kuku Schrapnell

ist neben ihrem neuen Job als schwule Sex-Kommunistin auch Trans-Aktivistin, gut aussehend und Wahl-Ostdeutsche.