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Das faulste Virus aller Zeiten?

Corona bei der Arbeit – eine Zusammenstellung

Protokolle: Carina Book und Hannah Eberle

Zeichnung von zwei Gesichtern mit Maske, die Person links schaut skeptisch, von der Person rechts sieht man nur den aufgerissenen Mund, die Maske hängt unter dem Kinn.
Wo wird nochmal viel geredet in geschlossenen Räumen? Hm, hm, hm. Doch nicht bei der Arbeit? Illustration: Nina Fabricius

Mein Rat als Bundeswirtschaftsminister ist, dass wir alles, aber auch wirklich alles tun, damit die Zahlen schneller runtergehen«, sagte Peter Altmaier (CDU) Anfang Februar der Bild-Zeitung. Eine interessante Aussage, denn die meisten Betriebe sind weiterhin offen, und von Plänen des Wirtschaftsministeriums, sie zu schließen, ist nichts bekannt. Während Freizeitorte und Gastronomie, Kultur und Bildungseinrichtungen weiter geschlossen sind, bleibt ein Großteil der Arbeitswelt von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ausgenommen. Hin und wieder schaffen es große Ausbrüche in Logistikzentren oder Fleischfabriken in die Nachrichten, aber wie viele Menschen sich wirklich bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin infizieren, ist nicht bekannt.

Wir haben daher auf www.akweb.de die Reihe »Corona bei der Arbeit« gestartet, in der wir Protokolle über den Infektionsschutz am Arbeitsplatz veröffentlichen. Ähnliche Berichte sammelt die Initiative ZeroCovid in ihren »Schichtgeschichten« und auf Twitter und Instagram unter dem Hashtag #CovidAtWork sowie der Blog corona-at-work.de. Durch diese Berichte wollen wir nicht nur mehr über das Infektionsgeschehen am Arbeitsplatz erfahren, sondern auch einen Erfahrungsaustausch darüber anstoßen, welche Möglichkeiten es gibt, sich individuell und kollektiv gegen riskante Arbeitsbedingungen zur Wehr zu setzen. Wenn ihr hierzu etwas beitragen oder über eure Erfahrungen mit Corona bei der Arbeit berichten wollt, schreibt uns an redaktion@akweb.de.

Es ist eine kleine Parallelwelt in der Kita – fast so, als wäre kein Corona.

Henni

Henni*, 27 Jahre, Erzieherin in einer Kita in Hamburg

Die Kita, in der ich arbeite, wurde im März komplett geschlossen, nur für Eltern in systemrelevanten Berufen gab es Notbetreuung. Statt knapp 80 Kindern waren sechs da. Beim neuen Lockdown war das anders. Da hatten wir eingeschränkten Regelbetrieb, das heißt, die Eltern wurden gebeten, ihr Kind zu Hause zu lassen, konnten aber selbst entscheiden. Tagsüber hat sich die Zahl der Kinder daher nicht groß verändert. Nun haben wir eine eingeschränkte Notbetreuung wegen der neuen Virusvariante B117, die möglicherweise auch für Kinder ansteckender ist. Aber weil bei uns viele Alleinerziehende sind oder Eltern, die in Berufen wie der Pflege arbeiten, wird sich das nicht so stark auswirken. Außerdem haben wir noch einige Kinder mit Inklusions-Status und Kinder, die eine schwierige Familiensituation haben, die können weiterhin kommen. Da ist die Kita auch ein gewisser Schutzraum. Das zusammengerechnet ergibt fast Regelbetrieb, mehr als zwei Drittel der Kinder aus meiner Gruppe hätten einen Anspruch auf Notbetreuung.

Als die Kinder nach dem ersten Lockdown wiederkamen, hat man gemerkt, welche Kinder zu Hause eine besonders schwere Zeit hatten. Sie hatten teilweise Dinge, die in der Kita eingeübt waren, verlernt, oder sie haben sich persönlich stark verändert. Deshalb dürfen jetzt auch einige aus familiären Gründen in die Notbetreuung kommen. Wenn man die Familienstorys kennt, denkt man trotz Pandemie, es ist wichtig, dass sie kommen.

Ansonsten hat sich durch die Pandemie vor allem verändert, dass wir noch etwas mehr auf Hygiene achten. Auch der Kontakt zu den Kolleginnen hat sich etwas verändert. Wenn wir nicht gerade am Kind arbeiten, schauen wir, dass wir Abstand halten. Aber in der Gruppe tragen wir keine Masken, das geht nicht. Die Kinder brauchen Mimik, Gesichter. Es ist also eine kleine Parallelwelt in der Kita und wirkt fast so, als wäre kein Corona.

Trotzdem hatte ich bei der Arbeit bisher keine Angst vor Ansteckung. Neulich gab es einen Fall in der Krippe, danach bei uns in der Kita: Der Papa von einem Kind hatte einen positiven Corona-Test, daraufhin wurden wir drei Kolleg*innen aus der betroffenen Gruppe und die Kinder des Infizierten getestet. Alle anderen nicht. Die Tests sind glücklicherweise alle negativ ausgefallen. Der ganze Tag lief aber etwas chaotisch ab. Die Anweisung war: Die Eltern dürfen ihre Kinder nicht mehr bringen, aber wir mussten in der Kita bleiben und haben Schnelltests gemacht. Aber vier Kinder waren schon da, die sind geblieben. Den Rest mussten wir wieder nach Hause schicken. Allerdings gab es eine Ausnahme: Eine Mutter, die an dem Tag einen neuen Job angefangen hat und keine Betreuung hatte, wollte ihr Kind trotzdem in die Kita lassen. Nachdem sie mit unserer Chefin gesprochen hatte, hieß es: Der Junge darf bleiben. In ihrer Mittagspause hat sie ihren Sohn abgeholt und zur neuen Arbeit mitgenommen.

Mein soziales Umfeld ist mir gegenüber vorsichtiger geworden wegen meiner Arbeit. Ein Freund hat eine schwerkranke Mutter, der möchte mich erstmal nicht sehen. Ich kann das nachvollziehen. Oder Weihnachten: Ich war am 22. noch in der Kita, dann fahre ich nicht zwei Tage später zu meinen Eltern, auch nicht mit Schnelltest – das ist mir zu unsicher. In der Freizeit schränke ich mich also stark ein, aber auf der Arbeit eben nicht. Das ist ja nicht zu vergleichen mit Unternehmen, die auf Arbeitsschutz scheißen oder wo theoretisch auch Homeoffice möglich wäre. Das geht ja nicht bei uns.

Was ich mir wünschen würde: dass Kinder mehr getestet werden und dass es generell klarere Regelungen gibt, zum Beispiel, wenn es einen positiven Fall gibt, dass die ganze Gruppe dann fünf Tage in Quarantäne geht. Das scheint aber alles sehr chaotisch, man wartet immer wieder auf Neuigkeiten von der Stadt, wie die Kitas zu handeln haben. Auch dass wir schnell geimpft werden, wäre gut, weil wir den Kontakt nicht gut beschränken können. Wenn die Wirtschaft insgesamt stärker stillstehen würde, würde das sicher auch helfen. Natürlich würde es immer noch Betreuung geben müssen, aber alle wären entlastet. Und natürlich, wenn es mehr Personal in der Pflege gäbe: Das wäre eine große Entlastung. Dann könnten die sich zum Beispiel alle zwei Wochen abwechseln, und das hätte auch zur Folge, dass deren Kinder auch alle zwei Wochen nicht zur Kita müssten und wir kleinere Gruppen schaffen könnten.

Zwei Hände halten einen aufgeklappte Schachte, derin eine FFP2-Maske und ein Fläschchen Desinfektionsmittel
Ein Safety Kit stellt die Firma, für den Rest sind die Beschäftigten verantwortlich: So lässt sich der Infektionsschutz in vielen Betrieben zusammenfassen. Illustration: Nina Fabricius

Als Verkehrsarbeiter*innen könnten wir ZeroCovid durch das Lahmlegen des Nahverkehrs mit Streiks durchsetzen.

Aimo

Aimo, 34 Jahre, U-Bahnfahrer

Ich arbeite als U-Bahnfahrer bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Meine Arbeitspläne sind auf Effizienz geschneidert. Morgen ist mein Dienstbeginn zum Beispiel um 5:51 Uhr. Es wird auf eine halbe Minute genau geplant. Alles ist getaktet, überall wird gespart – aber das Marketing sagt: »Weil wir dich lieben«.

Seit Beginn der Pandemie hat sich bei meiner Arbeit eigentlich nicht viel verändert. Angeblich soll die U-Bahn jetzt häufiger gereinigt und desinfiziert werden. Dazu muss man wissen, dass die Reinigungsarbeiten seit den 1990er Jahren an private Reinigungsunternehmen outgesourced wurden. Alle paar Jahre wird neu ausgeschrieben, die Beschäftigten werden gefeuert und von der Firma, die den Preiskampf gewonnen hat, wieder eingestellt. Man müsste hier viel mehr Geld für Personal ausgeben.

Die Idee, das Fahrgastaufkommen durch eine höhere Taktung zu entzerren, funktioniert nicht. Wo sollen die Fahrzeuge denn herkommen? Wir fahren jetzt schon Kurzzüge, und überall werden Wagen gespart. Da spielen auch die Kürzungen bei den Werkstätten eine Rolle. Der Fahrzeugmangel betrifft sowohl die S-Bahnen, die U-Bahnen als auch die Züge der Deutschen Bahn. Wagen kaufen kostet viel Geld. Das will ein Manager, der schöne Zahlen präsentieren will, natürlich vermeiden. Man kann nun nicht per Beschluss hingehen und einfach einen Wagen von der Stange kaufen. Sowas muss man lange im Voraus planen. Wohin das ganze Sparen führt, hat sich schon im Berliner S-Bahn-Chaos gezeigt. Die überbezahlten Manager*innen machen einen destruktiven Job. Das wäre alles anders, wenn die Beschäftigten selbst den Laden schmeißen würden.

Dann hätten wir auch längst die Dienstpläne geändert, um das Infektionsrisiko zu verringern. Wir sollten zwar alle für eine Infektionsschutzbelehrung unterschreiben. Der Sinn dahinter ist wohl, dass die BVG-Führung wieder mal die Verantwortung los wird. Als es den ersten Corona-Toten unter uns Kollegen gab, hat die Pressesprecherin der BVG gegenüber der Berliner Zeitung gesagt, sie ginge davon aus, dass die Infektion im Privaten stattgefunden hätte, »zum Beispiel bei Feiern«. So eine Dreistigkeit.

Ein großes Problem ist auch, dass noch so viele Leute unterwegs sind, weil sie weiterhin zur Arbeit fahren müssen. So ist das im Kapitalismus. Die Malocher sollen weiter zur Arbeit. Es ist nicht besonders wahrnehmbar, dass Lockdown ist, wenn man sieht, wie viele noch in die Züge einsteigen. Einzig die Schülerinnen und Schüler fehlen spürbar. Es wäre wirklich wichtig, dass jetzt die Betriebe dicht gemacht werden und sich wirklich nur noch diejenigen mit dem öffentlichen Nahverkehr bewegen, die es nicht vermeiden können.

Gerade wir Verkehrsarbeiter*innen könnten maßgeblich zur Durchsetzung einer ZeroCovid-Politik beitragen. Wenn ver.di und/oder EVG, GDL, NahVG (und beschränkt auch kleinere Gewerkschaften) wollten, könnten wir ZeroCovid durch das Lahmlegen des Nahverkehrs mit Streiks durchsetzen. Das ist allerdings etwas komplett anderes, als wenn die Bundesregierung so wie kürzlich darüber nachdenkt, den Nahverkehr einzustellen, um die Mobilität der Menschen einzuschränken, weil es dann Teil einer Bewegung von Lohnabhängigen wäre, um die kapitalistische Produktion einzuschränken, also den Lockdown von unten durchzusetzen. Dafür brauchen wir die Gewerkschaften. Die tun bisher viel zu wenig: Die Vertreter*innen auf allen Ebenen der Gewerkschaftsbürokratien müssen die Frage gestellt bekommen, ob sie bereit sind, das Virus aufzuhalten oder nicht.

Die einen haben durch Kurzarbeit weniger Einkommen, die anderen sollen, weil die Kollegen in Kurzarbeit sind, zusätzliche Arbeit bewältigen.

Uwe

Uwe, 55 Jahre alt, Schichtarbeiter im Maschinenbau

Uns in der Metallverarbeitung plagen in der Corona-Pandemie andere Sorgen als diejenigen, die ihren Beruf gar nicht mehr ausüben dürfen und jetzt ohne Einkommen dastehen. Dennoch: Die einen leiden darunter, dass sie durch die Kurzarbeit weniger Einkommen bekommen. Die anderen darunter, dass sie die Arbeit, die die Kollegen in der Kurzarbeit gemacht hätten, jetzt zusätzlich bewerkstelligen sollen.

Es ist ja nicht so, als gäbe es tatsächlich weniger zu tun, was eine Kurzarbeit rechtfertigen würde: Die Firmen bedienen sich dieses Instrumentes, weil sie den Staat als eine endlos zu melkende Geld-Kuh verstehen. Und wir, die »Arbeitnehmer*innen« (der Begriff ist falsch, denn wir geben unsere Arbeit und sind deshalb eigentlich die Arbeitgeber) dürfen es ausbaden. Wir werden ausgerechnet zur Nachtschicht in Kurzarbeit geschickt. Das heißt, dass alle Zulagen wegfallen. Gleichzeitig müssen wir mit abgespecktem Personal – alle Leiharbeiter*innen wurden im Juli 2020 geschmissen – das gleiche Pensum schaffen. Zusätzlich wird der Druck erhöht, indem man tagtäglich seine Leistung vierfach dokumentieren muss. Als ob die Chefs nicht sehen könnten, was wir jeden Tag wegschaffen.

Dass in unserer Abteilung ein großer Teil zur Risikogruppe zählt, interessiert auch niemanden. Bis heute wurde es nicht zustande gebracht, Desinfektionsmittel zu verteilen oder ausreichend Spender aufzustellen. Stattdessen müssen wir neuerdings in sogenannten »Shopfloor-Debatten« antanzen. Shopfloor ist eine Management-Technik, bei der die Chefs vor Ort in der Produktion einlaufen und hören wollen, wo es in Prozessen hakt. Dass man das einführt, obwohl man die Arbeiter*innen einem unnötigen Infektionsrisiko aussetzt, zeugt von der Ignoranz. Man könne nicht damit warten, bis Corona vorbei sei, wird dann einfach gesagt.

Zudem schwingt das Damoklesschwert eines angekündigten Personalabbaus über der Belegschaft. Auch wenn wir im Betriebsrat – vorerst – betriebsbedingte Kündigungen abwenden konnten, muss jede*r ältere Kolleg*in fest damit rechnen, zu einem Personalgespräch eingeladen zu werden, in dem geklärt werden soll, wie und zu welchen Bedingungen er oder sie die Firma verlässt. Alle, die meinen, Corona hätte auch Chancen, könne Positives bewirken, sind auf dem Holzweg, was die Arbeitswelt betrifft.

Mindestsicherung zu beantragen, bedeutet im Zweifel, die Wohnung zu verlieren, oder alles, was man gespart hat, abzugeben.

Marie

Marie, 32, Kellnerin in einem Wiener Beisl

Ich arbeite eigentlich gerne und schon seit über 16 Jahren in der Gastro. Am Anfang habe ich das nur neben der Schule gemacht, jetzt verdiene ich damit meinen Lebensunterhalt. Wovon ich lebe seit Corona? Arbeitslosengeld, 450 Euro. Schon vor der Pandemie habe ich im Normalfall zwischen sieben und acht Euro netto pro Stunde verdient. Das geht nur, weil wir Trinkgeld bekommen. Unsere Lage ist schon immer prekär: Statt über die Anhebung des Lohns wird über die Versteuerung von Trinkgeld diskutiert.

Als Corona im vielseits diskutierten Ischgl auftauchte, wurde auch darüber gesprochen, ob der Barkeeper in Tirol Schuld am Corona-Ausbruch war, weil er krank zur Arbeit gegangen ist. Das macht mich richtig wütend, weil alle einmal begreifen müssen, dass es für uns Kellner*innen normal ist, krank zur Arbeit zu müssen. Wir werden nur bezahlt, wenn wir auch da sind – vor allem aber gibt es nur Trinkgeld, wenn der Laden voll ist. So einfach, so existenziell. Als ich im Januar mit Husten zur Arbeit gegangen bin, habe ich wirklich gehadert. Ich hätte es mir nicht verziehen, wenn ich gespreadet hätte. Aber was sollen wir tun? Wir schaffen es kaum, uns zu organisieren, weil viele von uns auch nicht hauptberuflich als Kellner*innen arbeiten, sondern die meisten das neben dem Studium oder zum Aufstocken machen. Dann erträgt man die Zustände.

Letztlich ist es so: Alle lieben Beisl, also die Wirtshäuser, aber für die Arbeitsbedingungen interessiert sich kaum jemand. Wie es jetzt gerade Personen geht, die – wie üblich in der Branche – auch mal ohne Anstellung oder Papiere arbeiten, weiß ich nicht. Wer Glück hat, kommt irgendwo unter. Einige Kolleg*innen, die vorher auch fest in den Papieren waren, haben Mindestsicherung beantragt. Aber das ist eine Abwägungssache, im Zweifel bedeutet es trotzdem, die Wohnung zu verlieren oder alles, was man gespart hat, abzugeben. Ich versuche das seit einem Jahr hinauszuzögern, aber ich habe auch keine Kinder und das Glück, dass ich mir woanders etwas dazu verdienen kann.

Ich finde den Aufruf von ZeroCovid richtig gut, und ich finde es auch richtig, dass die Beisl und Restaurants (noch) zu sind. Ich habe ehrlich gesagt Angst, dass alles wieder aufmacht. Aber in ein paar Wochen wird die Öffnung für Restaurants und Wirtshäuser kommen in Österreich, da bin ich sicher. Totaler Wahnsinn, denn wir wissen, dass wir zu Orten werden können, in denen sich das Virus verbreitet, und wir werden selbst gefährdet sein. Trotzdem wird mein Chef alles daransetzen müssen, dass es richtig voll wird, weil sich der Laden nur so trägt – und wir sind ja wegen des Trinkgelds auch darauf angewiesen. Den Laden zulassen, obwohl wir von der Regierung her öffnen dürften, ist keine Alternative, weil es ja dann gar keine Hilfen mehr gibt.

Ein paar Wirtshäuser haben neulich aus Protest geöffnet, ohne Gäste einzulassen. Auch wenn ich es nicht gut finde, ist ein Grund dafür sicher, dass die Politik in Österreich unglaubwürdig ist: »Bleibt zu Hause, aber geht shoppen«, in ein paar Wochen dann: »Schützt euch, aber geht ins Beisl«. Es ist ein ständiges Auf und Zu. Eine Bekannte hat gegenüber dem Arbeitsmarktservice einmal angegeben, dass sie erwartet, ab dem 7. Dezember 2020 wieder verdienen zu können. Es hieß, man kann wieder aufsperren. Dann ist es doch anders gekommen, aber sie hat einfach kein Arbeitslosengeld mehr erhalten. Sie musste alles neu beantragen.

Die Politik redet jetzt über das »Reintesten«. Aber wie stellen die sich das vor? Man plant schon im Normalfall wenig Personal ein an so einem Abend im Beisl, und dann sollen wir auch noch nachts am besten noch betrunkene Typen abweisen, weil sie nicht getestet sind? Für manche gäbe es sicher Möglichkeiten, die der Pandemie angemessen sind: Warum koppelt man das Aufsperren nicht daran, dass zumindest das Personal geimpft sein muss? Restaurants könnten Eintrittstests durchführen und Slots im Vorfeld vergeben, um Infektionsketten wirklichen nachvollziehen zu können. Auch Clubs könnten einen zeitlich begrenzten Einlass machen und den Einlass mit einem Test verbinden. Wenn die Politik und die Gesellschaft daran ein Interesse hätten, ginge so etwas bestimmt. Denn natürlich brauchen wir eine Perspektive. Mir fehlt meine Arbeit, mir fehlen die Gäste. Manche kommen normalerweise fast jeden Tag, sie sitzen einfach am Tresen. Jetzt sitzen sie allein zu Hause. Gerade für uns, die keine großen Wohnungen haben, die reden wollen, die nach der Arbeit eine Pause brauchen, sind Beisl so wichtige gesellschaftliche Orte. Das interessiert in der Regierung aber niemanden. Die denken an Wirtshäuser in den touristischen Regionen – das Beisl am Eck, ich weiß nicht, wie das überleben soll.

* Name geändert.