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»Die Idee des individualistischen Preppens ist eine Schimäre«

Pär Plüschke von der schwedischen Gruppe Preppa Tillsammans über linke Krisenvorbereitung und Solidarität

Interview: Gabriel Kuhn

Zeichnung einer Gruppe von Menschen, die sich im Arm halten
Nichts mit den Bunker-Preppern gemein haben die linken Prepper aus Schweden. Foto: Freepik.com

Anfang 2018 gründeten Aktivist*innen Stockholmer Stadtteilgruppen die Initiative Preppa Tillsammans, auf Deutsch Zusammen Preppen. Die »linken Prepper*innen« erregen seither eine Menge Aufmerksamkeit. Nicht nur schwedische Zeitungen, auch internationale Medien berichten über sie. Inzwischen gibt es mehrere Ortsgruppen. Gabriel Kuhn unterhielt sich für ak mit dem Gründungsmitglied Pär Plüschke.

Preppa Tillsammans wurde vor dreieinhalb Jahren gegründet. Du bist seit Anfang an dabei. Wer an Prepper denkt, hat oft bewaffnete Männer im Kopf, die im Wald Vorräte anlegen und Konspirationstheorien anhängen. Ihr wirkt nicht so. Was ist der Unterschied?

Pär Plüschke: Der Unterschied ist sehr groß. Wir haben ein grundlegend anderes Menschenbild. Die Bunker-Prepper, die du beschreibst, meinen, dass Überlebenskampf den Kampf aller gegen alle bedeutet. Wir meinen, dass Menschen am stärksten sind, wenn sie zusammenarbeiten. Das individuelle Überleben ist seit jeher vom Überleben der Gruppe abhängig. Gerade in Krisenzeiten kommen Menschen zusammen und helfen sich gegenseitig. Wir sahen das vor mehreren Jahren in unserem Viertel, als ein Mehrfamilienhaus in Flammen aufging und 200 Menschen innerhalb weniger Minuten ihr Zuhause verloren. Es kam zu einer Solidaritätskampagne, die mehrere Monate lang anhielt. Das hat uns inspiriert und war ein wichtiger Grund dafür, dass wir Preppa Tillsammans gründeten.

Warum verwendet ihr überhaupt das Wort preppen?

Es bringt Menschen zum Nachdenken. Preppen, also das Sich-auf-Krisen-Vorbereiten, ist ja an sich nichts Komisches. Menschen haben das schon immer getan, vor allem auf dem Land. Man musste wissen, wie man zurechtkommt, wenn eine Woche lang der Strom ausfällt. Unter anderem legte man dafür Vorräte an, wie meine Großmutter. Diese Selbstverständlichkeit ist verloren gegangen. Heute sind wir an Just-in-time-Produktion gewöhnt. Wenn wir etwas brauchen, laufen wir in den Laden und gehen davon aus, dass es das, was wir brauchen, dort gibt. Aber es wird immer deutlicher, dass es jederzeit zu Brüchen in den alltäglichen Abläufen kommen kann.

Bekommt eure Gruppe deshalb so viel Aufmerksamkeit? Lokalzeitungen berichten genauso über euch wie große schwedische Tageszeitungen. Neulich wart ihr im Radio France.

Das Bewusstsein, dass es zu Brüchen in den alltäglichen Abläufen kommen kann, ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Corona-Pandemie ist das offensichtlichste Beispiel. Aber wir haben in Europa auch Waldbrände und Überschwemmungen ganz neuer Dimensionen erlebt. Die größte Supermarktkette Schwedens musste im Sommer einige Tage lang ihre Filialen schließen wegen eines Hackerangriffs. Man konnte nicht mehr bezahlen. Kein Wunder, dass es mittlerweile mehrere Preppa-Tillsammans-Gruppen in Schweden gibt. Die staatliche Behörde für Zivilschutz und Krisenbereitschaft verweist online auf unsere Website. Es zeigt, wie ernst das Thema genommen wird, und auch, dass hier ein Leerraum besteht.

Pär Plüschke

ist Gründungsmitglied der schwedischen Gruppe Preppa Tillsammans (Zusammen Preppen). Foto: Lisa Plüschke

Welcher Leerraum?

Man erwartet vom Staat, dass er auf Krisen vorbereitet ist, und man erwartet es von einzelnen Haushalten. Aber dazwischen liegt die Gesellschaft, das heißt, wir alle zusammen. Und obwohl das der wichtigste Bereich der Krisenvorbereitung ist, arbeitet hier fast niemand. Je stärker die Gemeinschaft ist, die wir schaffen, desto besser sind wir auf Krisen vorbereitet. Doch gegenwärtig gilt: Während die Erde immer wärmer wird, wird das politische Klima immer kälter.

Betont ihr deshalb die Bedeutung nachbarschaftlicher Beziehungen?

Seine Nachbarn zu kennen, ist der Anfang von allem. Wir betonen auch das Anlegen gemeinsamer Vorräte. Gibt es solche, müssen nicht alle vor Angst die Läden leerkaufen, sobald eine Krise ausgerufen wird. Man kann sich stattdessen um andere kümmern und über den Rand des eigenen Nestes hinausblicken.

Klingt gut. Zumal es ein weiteres Merkmal ist, das uns von den Bunker-Preppern unterscheidet. Es geht nicht um den starken Mann, der sich oder gleich die ganze Welt rettet. Bei uns findest du eine Vielfalt an Menschen, von Schüler*innen bis zu Pensionär*innen. Wir sind ein Querschnitt der Gesellschaft. Auch ist es falsch zu glauben, dass man Menschen einteilen kann in jene, die helfen, und jene, die Hilfe brauchen. Alle haben allen etwas zu geben. Die Idee des individualistischen Preppens ist eine Schimäre. Es ist großartig, wenn du alles über Erste Hilfe weißt. Aber was tust du, wenn du dich selber verletzt, und Erste Hilfe in Anspruch nehmen musst?

»Die staatliche Behörde für Zivilschutz und Krisenbereitschaft verweist online auf unsere Website.«

Lass uns konkreter werden. Was tut eure Gruppe?

Wir verbinden immer Theorie und Praxis. Es gibt Erste-Hilfe-Kurse, wir betreiben Gartenbau, wir bauen Hobokocher, wir lernen, wie man medizinische Schutzausrüstung und andere Gebrauchsgegenstände mit einfachen Mitteln herstellen kann. Prepping wird oft zu einem Materialwettbewerb: Man kann die tollsten und teuersten Geräte kaufen. Aber die braucht es nicht – ganz abgesehen davon, dass sie sich nicht alle leisten können. Wiederum: Es ist die Gemeinschaft, die uns stark macht.

Worauf genau müssen wir uns nun vorbereiten? Mögliche Stromausfälle oder den gesellschaftlichen Kollaps?

Das ist gar kein so großer Gegensatz. Lass den Strom eine Zeitlang ausfallen, dann fehlt bald auch sauberes Wasser, es gibt Probleme in der Lebensmittelversorgung und der Gesundheitsfürsorge und so weiter. Ob der Auslöser ein Schneesturm oder ein Computercrash ist, spielt keine große Rolle. Vom Kollaps sprechen wir selten. Wenn überhaupt, dann als Prozess, der sich in Form immer häufigerer und schwererer Krisen vollzieht, nicht als Ereignis, das die Welt von einem Tag auf den anderen in Schutt und Asche legt.

Lass uns noch einmal zum Stichwort »linkes Preppen« kommen. Wie kommt ihr in der Linken an? Werdet ihr ernstgenommen? Beäugt man euch skeptisch?

So genau kann ich das nicht sagen. Es gibt auf jeden Fall keinen nennenswerten Widerstand. Allerdings deklarieren wir uns auch nicht als linke Gruppe, selbst wenn unsere Grundwerte wie gegenseitige Hilfe, Solidarität und Gemeinschaft ihre deutliche Sprache sprechen. In erster Linie richten wir uns an die Menschen in unseren Stadtvierteln. Ich sehe unser Projekt als Teil lokaler Organisierung. Diese halte ich für entscheidend.

Gabriel Kuhn

lebt als Journalist und Autor in Schweden.