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|ak 661 | Feminismus

Die Furcht linker Männer vor den Feministinnen

Wieso auch Männer, die sich für profeministisch halten, meist ein riesiges Problem mit Frauen haben

Von Jeja Klein

Die Geister, die ich rief. Die Konfrontation mit der eigenen Frauenfeindlichkeit wir von linken Männern gerne vermieden. Foto: Mohamed Hassan

Linke Männer haben Angst vor Feministinnen. Auch die Männer, die es eigentlich ernst meinen mit Geschlechtergerechtigkeit, blockieren dadurch wichtige Veränderungen. Denn wer seine Ängste nicht anerkennt und bearbeitet, wird sie nicht los. Vielmehr handelt er umso heftiger im Bann der Angst und bekämpft, was ihn fürchten lässt, ob er will oder nicht. Das sind in diesem Fall Frauen und eben jene Feministinnen, mit denen linke Männer eigentlich auf der gleichen Seite der Barrikade stehen und im selben Bett schlafen wollen.

Einen linken Mann, der Angst vor Feministinnen hat, erkennt man oft bereits daran, dass er einzelne von ihnen demonstrativ abfeiert: dafür, dass sie »not like the other girls« sind, seiner Meinung nach nicht weich und verletzlich, eben richtig »auf die Fresse« und immer gerade heraus. Im Gegensatz zu anderen Frauen, scheinen sie zu denken, verhalten diese Frauen sich endlich mal wie richtige Menschen.

Einen linken Mann, der Angst vor Feministinnen hat, erkennt man oft bereits daran, dass er einzelne von ihnen demonstrativ abfeiert.

Es sind mitunter dieselben Männer, die beinahe demonstrativ unterwürfig reagieren, wenn eine solche Feministin Kritik an ihnen äußert, statt an anderen Männern oder »dem Patriarchat«. Ein offenes Gespräch, einen konstruktiven Umgang mit der Verhaltensweise oder mit dahinter stehenden Gefühlen jedoch wird sie in dem Fall nicht erreichen. Demonstrative Unterwürfigkeit steigert sich, und das mag kontraintuitiv sein, in passiven Widerstand, unterschwellige Aggression und indirekten Boykott. Es ist die Angst vor der moralischen Macht feministischer Frauen, die diese Männer so handeln lässt.

Die Beobachtung, wonach gerade die Bewunderung der Bad-Ass-Feminists leicht kippen kann, klingt erstmal paradox. Doch wenn man die Psychologie hinter derlei Umkehrungen nachvollzieht, hat man auch viel verstanden, was zwischen Frauen und Männern im Patriarchat insgesamt falsch läuft.

Im Prinzip ein guter Kerl

Linke Männer wünschen sich mehrheitlich ein egalitäres soziales Umfeld, in dem die Geschlechter sich auf Augenhöhe begegnen, »entspannt« miteinander sind und auch Liebe und Sexualität »frei von moralischen Urteilen« gelebt werden können. Das kollidiert aber fundamental mit der herrschenden Ungleichheit der Geschlechter. Dafür individuell aufkommen, dass sich Männer, Frauen, Intersexuelle oder Nichtbinäre mit sehr ungleich verteilter Macht begegnen, möchte kaum einer von ihnen.

Schließlich haben sie das Patriarchat ja nicht erfunden oder verursacht. Feministinnen problematisieren einen Normalzustand, der sich für linke Männer keineswegs bedrohlich anfühlt. Sie tun dies mit teils sehr drastischen Worten: So sollen etwa Vergewaltigungen innerhalb von Freundeskreisen stattfinden, die man sich doch gerade deshalb ausgesucht hatte, weil man es besser machen wollte als andere Männer, als die Jungs aus der Schule oder der eigene, schlechte Vater. Wie kann das sein?

Die Selbsteinschätzung dieser Männer zeigt ein diffuses Bild: Ja, kann schon sein, dass man in der Vergangenheit mal etwas »rabiater« war mit einer Frau, und ja, die frauenverachtenden Werbebanner auf Pornoseiten findet man auch nicht so gut. Aber im Prinzip hält sich jeder für einen guten Kerl. Dabei zeigt die sozialpsychologische Geschlechterforschung, wie weit verbreitet die Verknüpfung von Gewalt und Sexualität in Männern ist. Was für das Leben vieler Frauen massive Konsequenzen hat, fällt daher bei Männern oft unter eine gewisse Toleranz. Bei linken Männern ist das nicht anders.

Die Angst vor Feministinnen als Angst vor der Mutter

Sie können darum auch schwerlich nachvollziehen, warum einige der Frauen aus den linken Kreisen, in denen man sich doch in Gleichheit begegnet, immer wieder hartnäckig Veränderungen einfordern. Da man sich in die linke Szene begeben hatte, um auf der richtigen Seite zu stehen, ist schlicht nicht denkbar, wieso sich linke Männer ausgerechnet hier mit derlei Abgründen des Unmoralischen und der Gewalt in sich konfrontieren sollten.

Das liegt auch an einem unterkomplexen Verständnis von Politik, das dem der bürgerlichen Gesellschaft gar nicht so fern ist. So liegt es aus männlicher Sozialisation heraus nahe, »große« Antworten auf die »großen« Fragen wie Staat, Kapitalismus und Revolution finden und formulieren zu wollen.

Andere diskutieren die Schein-Differenzen zwischen der SPD, der CDU und den Grünen. Weil ihr Horizont nichts als die bürgerliche Gesellschaft des Hier und Jetzt ist, werden aus diesen Differenzen Unterschiede ums Ganze. Demgegenüber erleben sich linke Männer solch lächerlichen Unterhaltungen überlegen, weil sie sich mit einem wesentlich größeren Maßstab ausgestattet sehen.

Dieses Streben zu etwas viel Allgemeinerem erlaubt es ihnen, sich als kritische Geister, als mächtiger und mit mehr Kontrolle ausgestattet zu sehen. Gleichzeitig werden dadurch aber die alltäglichen, subtilen, zwischenmenschlichen Interaktionen einmal mehr in den Bereich des Privaten verbannt. Bei einigen linken Männern ändert sich im Lauf der Zeit diese Unfähigkeit, bei den meisten jedoch geht sie nie ganz weg. Geschlechtlichkeit bleibt dann ein Leben lang das, was Marxist*innen früher einen »Nebenwiderspruch« nannten.

Das führt zu einer scheinbar paradoxen Situation, die, oh Wunder, einen naheliegenden Ausweg kennt: Wenn ich selber prinzipiell gut bin, aber beständig mit einem negativen Bild von mir konfrontiert werde, fällt es leicht, das als Versuch von Manipulation und Unterdrückung zu deuten. Denn Schuld und Schuldgefühle stützen Ansprüche. Feministinnen schwingen sich in der Wahrnehmung vieler linker Männer zu neuen, kontrollierenden Müttern auf, wenn diese Männer gerade dabei sind, sich von ihrem eigenen Elternhaus abzunabeln und zu emanzipieren. Wo sich neue Tore der Autonomie und des selbstbestimmten revolutionären Kampfes nach dem Schulabschluss und mit der ersten Zecken-WG auftun sollten, kreuzen Feministinnen in der Wahrnehmung dieser Männer aus dem Nichts auf und fordern von ihnen, ihr Zimmer aufzuräumen.

Anders als andere?

Männlichkeit konstituiert sich zu einem guten Teil durch die beständige Abgrenzung von anderen, vermeintlich schlechteren Männern. Eine spezifisch linke Männlichkeit, die mit politischer Moral punkten will, unterscheidet sich daher gar nicht so sehr von anderen Männlichkeiten, die sich ihrer selbst ebenfalls immer durch den Blick herab auf andere Männer versichern. Wo sich Männlichkeiten für gewöhnlich an »Asis«, »Ausländern«, Schwulen, Pädophilen, Gymnasiasten, Bürgersöhnchen, Weicheiern oder Mackern abarbeiten, halten sich linke Männer für besonders intellektuell, rebellisch, unabhängig, moralisch, feinfühlig oder kriegerisch. Dazu gehört meist auch das Lippenbekenntnis, profeministisch oder wenigstens dafür zu sein, dass Frauen keine schlimme Gewalt widerfährt – von anderen, schlechten Männern.

Verbleiben Männer aber innerhalb dieses Männlichkeitssystems, ändert sich an ihren Prägungen insbesondere hinsichtlich ihres Blicks auf Frauen und andere Männer nichts Grundlegendes. Frauen sind nämlich im Spiel der männlichen Identitätsfindung keine geeigneten Identifikationsfiguren, weil ihre prinzipielle Unterlegenheit unter das männliche Geschlecht sie dazu nicht qualifiziert.

Männlichkeit konstituiert sich zu einem guten Teil durch die Abgrenzung von anderen, vermeintlich schlechteren Männern.

Der Druck innerhalb der Männlichkeitshierarchien lastet auch auf Jungs, die später zu linken Männern werden. Von dieser Warte aus betrachtet, ist der Junge, der als Heranwachsender zu Demos gegen Naziaufmärsche fährt, um sich eine zünftige Prügelei mit Faschos zu suchen, noch der männlichere Mann als seine Klassenkameraden: Während letztere nur ehrfürchtig staunen, wenn sie im Kino James Bond oder Luke Skywalker beim Kämpfen zusehen, setzen linke Männer diese Fantasie eines Kämpfers für die Gerechtigkeit in die Tat um. Das ist prinzipiell auch nicht schlecht – nur ist es auch nicht automatisch gut.

Auch an der spezifisch männlichen sexuellen Sozialisation ändert sich nichts Grundlegendes, wenn aus Jungs linke Männer werden. Die giftige Melange aus Lust und Gewalt erstreckt sich über fast das gesamte männliche Geschlecht – linke Männer bilden hier keine Ausnahme. Weil sie sich in der Findung ihrer Identität nicht prinzipiell von anderen Männern unterscheiden, sich aber für grundlegend anders halten, bleibt der Blick auf dieses sexuelle Spezifikum männlicher Geschlechtlichkeit verdeckt.

Gleichzeitig wissen linke Männer zumindest in Ansätzen von der Realität sexueller Gewalt und lehnen diese, wie übrigens die meisten Männer, vom Prinzip her ab. Der Haken liegt an den vielen, eher implizit funktionierenden Annahmen und Empfindungen über Sexualität, Weiblichkeit, den eigenen Körper, die eigenen Emotionen oder Lust. Auf Beziehungsebene werden linke Männer dann, weil sie mit linken Frauen Partnerschaften eingehen, mit der Behauptung konfrontiert, dass eben jene sexuelle Gewalt, von der sie sich abgrenzen, sowohl in den eigenen Freundeskreisen, als auch bei ihnen selbst fortexistieren soll. Was für linke Männer in dieser Situation infrage steht, ist also nichts weniger als ihr Selbstverständnis in einem fundamentalen Sinne, der innere Zusammenhang ihrer Persönlichkeit.

Die unheimliche Macht von Frauen

Die Einsicht in die eigene Beteiligung am Patriarchat wird entsprechend abgewehrt und auch negatives Feedback von Beziehungspartnerinnen oder Freundinnen wird als Missverständnis, Ausnahme oder gleich als Ergebnis verkorkster weiblicher Sozialisation verbucht.

Doch das feministische Pochen auf Veränderung, das sich durch verschiedene Feministinnen auch noch unterschiedlich und widersprüchlich artikuliert, verbleibt in ihrem Leben. Männer kriegen mit, wie es für Freunde Konsequenzen setzt, wenn sie es sich mit der falschen Frauengruppe verscherzen. In ihnen wächst die ungute Ahnung, es bei den Frauen, denen das eigene sexuelle und romantische Interesse gilt, mit latenten Unterdrückerinnen und ungerechten Rächerinnen zu tun zu haben. Zu all den Zwickmühlen, in denen sich männliche Identität sowieso schon befindet, wenn sie einerseits in Abgrenzung zu Frauen autonom und unabhängig sein soll, andererseits aber gerade vom Frauenkörper als Objekt der Begierde abhängt, gesellt sich eine weitere Zwickmühle: Linke Männer kriegen nur Sex und Liebe mit für sie interessanten, linken Frauen, wenn sie sich gleichzeitig auf besonders gefährliche, selbstbestimmte Frauen einlassen.

Sexuelle Lust, die in männlich dominierten Gesellschaften zutiefst mit Gewalt verwickelt ist, mit Dominanz, Unterwerfung, Eroberung, Besitz und Benutzung, bekommt bei linken Männern dadurch noch eine intensivere Nachprägung: die der Angst vor Bestrafung. Linke Frauen sind schlicht mächtiger als vereinzelte, nichtlinke Frauen ohne feministische Aufklärung und weibliche Solidarität.

Linke Männer wollen Frauen, die sich »nichts gefallen« lassen – dummerweise sind sie es dann, von denen sich die Frauen nichts mehr gefallen lassen.

Die in der männlichen Identitätsentwicklung angelegten Überlegenheitsgefühle gegenüber Frauen werden also nicht nur durch die sexuelle Macht, die Frauen vermittels des erlaubten oder verbotenen Zugangs zu ihren Körpern vermeintlich haben, infrage gestellt. Linke Männer sind überdies mit Frauen als politischen Subjekten konfrontiert, die ihre elendige geschlechtliche Lage zu überwinden suchen und sich dazu mit anderen zusammenschließen. Linke Männer wollen also Frauen, die sich »nichts gefallen« lassen – dummerweise sind sie es dann, von denen sich die Frauen nichts mehr gefallen lassen wollen.

Dadurch gewinnen linke Frauen eine unheimliche Macht: sexuelle Macht vermittels ihrer Körper, politische Macht vermittels ihrer Organisation als Frauen, moralische Macht vermittels des Selbstbewusstseins ihrer objektiven gesellschaftlichen Lage.

Das klassische Männlichkeitsdilemma, als Mann autonom sein zu sollen, als Begehrender jedoch vom weiblichen Gegenüber abhängig zu sein, verschärft sich bei linken Männern. Sie erleben sich noch stärker als andere Männer ihres Einflusses und ihrer Autonomie beraubt, die doch für sie als Mann reserviert gewesen waren. Sie wollten die großen Antworten auf die historisch drängende Revolution geben – und verheddern sich in scheinbar kleingeistigen Liebeskonflikten. Der Grund dafür sind die mit unheimlicher Macht ausgestatteten feministischen Frauen.

Linker Antifeminismus als »Notwehr«

Die Anerkennung dieser Macht der Frauen fällt alles andere als leicht und stellt frühkindliche Grundannahmen über den eigenen, geschlechtlich vermittelten Platz in der Welt infrage. Dass sie über diese unheimliche Macht zu Unrecht verfügen, liegt in dieser Empfindungswelt nahe – das bedeutet, dass eine Anerkennung weiblicher Macht (und ihrer Berechtigung) scheitert.

Die Konsequenz ist, dass weibliche Macht teils unbewusst in Form von Frauen, teils ganz bewusst in Form von Feministinnen bekämpft wird, jedoch ohne dass sich diese linken Männer selbst in der Rolle des Aggressors sehen. Vielmehr nimmt dieser Kampf subjektiv die Form einer Notwehr an. Es ist ein paranoider Abwehrkampf, der für das gesamte männliche Geschlecht typisch ist, sich bei linken Männer jedoch unter dem Vorzeichen verschärfter Widersprüchlichkeit entwickelt – linke Männer stehen schließlich »gemeinsam« mit linken Frauen an der Frontlinie des weiblichen Emanzipationskampfes und des Emanzipationskampfes der gesamten Menschheit.

Das Resultat aus dieser besonderen Lage, in der sich linke Männer wiederfinden, ist Angst. Die Anerkennung dieser Angst vor Frauen ist jedoch in der männlichen Geschlechtersozialisation nicht vorgesehen, weibliche Macht kann nicht anerkannt werden. Dadurch verschiebt sich die Angst ins Unbewusste. Von dort aus kann sie sich als ängstliche Verteidigungshaltung ausagieren, ohne dem männlichen Bewusstsein zugänglich zu sein. Linken Männern fällt ihre Paranoia gegenüber Frauen schlicht nicht auf, zumal sie einfach nicht ins linke, profeministische Selbstverständnis passt.

Der paranoide Kampf gegen die vermeintliche Macht der Frauen ist jedoch Resultat der Nichtrealisierung patriarchaler, männlicher Vormacht. Was an Frauen bekämpft wird, ist am Ende das verzerrte Spiegelbild der eigenen Herrschaft über Frauen und die Angst davor, dass Frauen einem antun könnten, was man selber Frauen anzutun pflegt. Die Arbeit daran, sich die Angst vor Frauen und damit die Macht der Frauen einzugestehen und anzuerkennen, ist erfahrungsgemäß eine Arbeit von Jahren.

Jeja Klein

macht freien Journalismus und beschäftigt sich mit Geschlecht und Queerness, sexueller Gewalt und Antifaschismus: jejaklein.net. Pronomen: sie/es.

Jeja dankt der Bonner linken Szene für die Inspirationen zum Text.