Platzt die KI-Blase?
Derzeit fließen Billionen Dollar in die US-Finanzmärkte – eine riskante Wette
Von Lene Kempe
Schlimmer als bei der Dotcom-Blase Anfang der 2000er seien die Übertreibungen, die sich gerade an den US-Finanzmärkten abbilden, darüber ist sich die Fachwelt nahezu einig. Nur, wann die Blase platzt und welche Auswirkungen das haben wird, wird unterschiedlich bewertet. Aber wie kommt es überhaupt zu dieser Diagnose?
Der Hype um die vermeintlich neue Technologie lenkt derzeit Billionen an Dollar in KI oder KI-nahe Werte – ohne dass die Unternehmen auch nur annähernd Umsätze in dieser Größenordnung realisieren könnten. Dabei geht es natürlich um eine Wette auf die Zukunft: In den Finanzströmen drückt sich die Erwartung aus, dass KI nicht einfach eine technische Weiterentwicklung, sondern eine alle Bereiche der Ökonomie durchdringende, bahnbrechende, nicht mehr wegzudenkende, eine sogenannte »general-purpose technology« sei. So wie es die Dampfmaschine oder die Informationstechnologie war.
Und es ist eine Wette darauf, welche Firmen auf dem sich rasant entwickelnden KI-Markt das Rennen machen. So kommt es, dass Aktienkurse von Unternehmen, wie dem des rechtslibertären KI-Gurus Peter Thiel, sich in einem grotesken Ausmaß von der Realität entkoppelt haben. Palantir erreichte diesen Monat eine Rekordbewertung von 455 Milliarden US-Dollar – bei einem prognostizierten Jahresumsatz von 4,1 Milliarden US-Dollar. Noch größer ist der Hype beim Chiphersteller Nvidia, der mit fünf Billionen Dollar derzeit wertvollste börsennotierte Konzern der Welt, oder bei Microsoft, das als Hauptpartner und Investor von OpenAI seinen Börsenwert auf vier Billionen Dollar steigern konnte. Nicht nur Aktien, auch Unternehmensanleihen gehen auf den Finanzmärkten weg wie warme Semmeln. Oracle holte Ende September 18 Milliarden Dollar ein. Damit will sich das US-Tech-Unternehmen an fünf neuen KI-Rechenzentren beteiligen. Kostenpunkt insgesamt: 500 Milliarden US-Dollar.
Die KI-Welt steht trotz des beeindruckenden Cashflows vor einer riesigen Finanzierungslücke
Aber führen solche Giga-Investments am Ende zu gewinnbringenden Geschäftsmodellen? Das wird zunehmend bezweifelt. Zum einen, weil die KI-Welt trotz des beeindruckenden Cashflows noch immer vor einer riesigen Finanzierungslücke steht: Bis 2030 müssten nicht nur jährlich rund 500 Milliarden US-Dollar in KI-Infrastruktur investiert, sondern global auch etwa zwei Billionen US-Dollar an neuen Einnahmen generiert werden. Denn der Bedarf an Rechenleistung übersteigt längst die bis dato geplanten Infrastruktur-Investitionen.
Ein weiteres Problem sind sogenannte Kreisgeschäfte in der Branche, das heißt, die Unternehmen finanzieren sich gegenseitig: So steckte beispielsweise Microsoft 13 Milliarden Dollar in das Startup OpenAI, das umgehend für 13 Milliarden Cloud-Computing-Kapazitäten von Microsoft bestellte. Nach diesem Prinzip funktionieren derzeit etliche KI-Geschäftsmodelle. Stolpert ein Unternehmen, stolpern viele andere, so die naheliegende Befürchtung. Hinzu kommt: Viele Unternehmen sind jetzt schon extrem hoch verschuldet, das Unternehmen Oracle beispielsweise mit 81 Milliarden Dollar – Tendenz steigend. Dass mit Michael Burry ein »Star-Investor« die KI-Branche ins Visir genommen hat, verstärkt das Geraune an der Börse. Burry wirft mehreren Unternehmen, darunter Oracle und Meta, Bilanzbetrug vor, die Unternehmen hätten ihre Geschäftszahlen beschönigt. Ergebnis: Der Kurs der Oracle Aktie fiel innerhalb eines Monats um 25 Prozent. Zudem machte Burry bekannt, dass er auf fallende Kurse von Nvidia und Palantir gewettet habe.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es an der Börse zu plötzlichen »Kurskorrekturen« kommen wird, ist also hoch. Dass damit das Ende von KI eingeläutet wäre, ist andererseits mehr als unwahrscheinlich. Eine general-purpose technology, so lehrt die Geschichte, ist immer mit »Geburtswehen« verbunden. Platzt die KI-Blase, könnte aber sichtbarer werden, was in dieser unschönen neuen Welt nur Hype und was und wer wirklich von Dauer ist. Und wo eine linke Strategie ansetzen kann, um nicht unter die Räder dieser rasanten Umwälzungen zu geraten.