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|ak 716 | Wirtschaft & Soziales |Reihe: FAQ. Noch Fragen?

Wie Merz Geld nach oben umverteilen möchte

Der geplante Investitions-Booster folgt Rezepten des Neoliberalismus, die sich noch nie bewährt haben

Von Guido Speckmann

Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken vor jeweils einem Rednerpult und einem Hintergrund mit der Aufschrift "Verantwortung für Deutschland"
Sieht so die Hoffnung auf Wachstum aus? Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken während der Presserkonferenz nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Mai 2025. Foto: Martin Rulsch/ Wikimedia Commons/, CC BY-SA 4.0

Auch in diesem Jahr könnte die deutsche Wirtschaft wohl nicht wachsen. Es wäre das dritte Jahr in Folge. Die Alarmglocken schrillen, denn allgemein wird eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit steigendem Wohlstand gleichgesetzt (dabei wird ignoriert, dass dies mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch und Umweltschäden einhergeht). Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) haben rasch reagiert: Anfang Juni wurde ein »steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland« auf den Weg gebracht, das noch vor der Sommerpause von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden soll. Von dem sogenannten Investitions-Booster verspricht sich die Regierung eine Ankurbelung der Wirtschaft, die Sicherung von Arbeitsplätzen und ein dauerhaft höheres Wachstum.

Der Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen die folgenden Punkte vor: Unternehmen sollen in den Jahren 2025 bis 2027 Sonderabschreibungen in Höhe von bis zu 30 Prozent für Investitionen in Maschinen vornehmen können. Das bedeutet, dass sie die Investitionen mit ihren Gewinnen verrechnen und somit ihre Steuerzahlungen reduzieren können. Ab 2028 soll die Körperschaftssteuer innerhalb von fünf Jahren schrittweise von 15 auf zehn Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus sind eine großzügigere Ausgestaltung der steuerlichen Forschungszulage sowie die Einführung einer weiteren Sonderabschreibung von bis zu 75 Prozent für den Kauf von Elektroautos durch Unternehmen geplant.

Wie werden diese Pläne bewertet? Der eher progressive Ökonom Marcel Fratscher sprach von einem »symbolischen Instrument, um wieder mehr Vertrauen zu schaffen.« Die Deutsche Industrie- und Handelskammer geht davon aus, dass sich die konjunkturelle Lage durch die Entlastung nicht rasch ändern wird. Der keynesianische Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel kritisiert, dass eine fiskalische Absicherung für die Steuerausfälle fehlt, die Nachfrageseite vernachlässigt wird und die ökologische Wende ignoriert wird.

Der Investions-Booster könnte ohne ausreichende Kompensation den finanziellen Todesstoß für viele Städte und Gemeinden bedeuten.

Mangelnde fiskalische Absicherung – damit ist gemeint, dass insbesondere die Bundesländer und Kommunen für die Steuerentlastungen der Unternehmen werden aufkommen müssen. Wenn Firmen nämlich ihren steuerpflichtigen Gewinn durch höhere Abschreibungen schmälern, haben die Kommunen weniger Gewerbesteuereinnahmen. Laut offiziellen Berechnungen wird es bis 2029 zu Mindereinnahmen von insgesamt rund 46 Milliarden Euro kommen, davon 16,7 Milliarden für die Länder (weswegen sie auch zustimmen müssen) und 13,5 Milliarden für die Kommunen. Letztere befinden sich ohnehin schon in der schwierigsten Finanzlage seit 1945. Die Gewerkschaft ver.di warnt, der »Investions-Booster« bedeute ohne ausreichende Kompensation den »finanziellen Todesstoß« für viele Städte und Gemeinden. Es ist nicht zu erwarten, dass das Argument, mit dem neuen Sondervermögen bekämen auch Länder und Kommunen mehr Spielraum, Schulden zu machen, die Kritik aus den Bundesländern beruhigen wird. Die Länderchef*innen könnten also durchaus noch Änderungen an dem Gesetzesvorhaben erreichen. Ihnen geht es jedoch nur um die mangelnde finanzielle Kompensation; das Ziel, die Unternehmen zu entlasten, teilen sie.

Allerdings wird die Hoffnung auf durch Steuerentlastungen ausgelöste Investitionen und Wirtschaftswachstum die Politiker*innen in Bund und Länder gleichermaßen enttäuschen. Denn die Pläne der Koalition sind ein altes Rezept des Neoliberalismus, das noch nie richtig funktioniert hat: Steuersenkungen lösen keinen Investitionsboom aus. Die nunmehr fast fünf Jahrzehnte währende Geschichte der neoliberalen Angebotspolitik liefert ausreichend Anschauungsmaterial dafür, dass der sogenannte Trickle-down Effekt – dass die Entlastung von Vermögenden und Konzernen irgendwann den unteren Einkommen zugutekommt – nicht greift und kein Wirtschaftswachstum auslöst. Im Gegenteil. Die Wachstumsraten seit den 1980er Jahren sind niedriger als zuvor. Das bedeutet, dass sich die deutschen Unternehmen zwar über sinkende Steuern freuen werden, aber nicht ausreichend investieren werden, da sie ihre Maschinen, Autos und Medikamente auf gesättigten Märkten nicht loswerden und die deregulierten Finanzmärkte höhere Renditen versprechen. Gleichzeitig wird die Fortsetzung der neoliberalen Wirtschaftspolitik dazu führen, dass sich die Konzentration des Reichtums in wenigen Händen fortsetzt. Zu Recht kritisiert die Linkspartei die Steuerentlastungen daher als »Vermögensbooster für die Oberschicht«.

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.

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