Echte Macht braucht Basisarbeit
Trump beginnt seinen Feldzug gegen Beschäftigte bei den Staatsbediensteten – kommt er durch, trifft das alle, sagt US-Gewerkschaftsforscher Eric Blanc
Interview: Lukas Hermsmeier

Die Trump-Administration greift die Rechte von Arbeiter*innen an – in einem noch viel extremeren Ausmaß als einst der Wegbereiter des Neoliberalismus, Ronald Reagan. Wie genau diese Angriffe aussehen, was Beschäftigte dagegen tun (können) und warum sich Gewerkschaften von unten entwickeln müssen, erklärt der Forscher und Organizer Eric Blanc.
Eric Blanc, Sie haben in den vergangenen drei Monaten den Widerstand staatlicher Bediensteter gegen die Trump-Regierung mitorganisiert. Wo genau stehen wir?
Eric Blanc: Donald Trump und Elon Musk sind mit einer Abrissbirne unterwegs, zertrümmern staatliche Programme und Gewerkschaften. Die Staatsangestellten sind normalerweise nicht für Militanz bekannt. Doch jetzt ist diese Belegschaft quasi gezwungen, sich zur Wehr zu setzen. Sie haben aber kein Recht auf Streik. Die gewerkschaftlichen Möglichkeiten sind sehr eingeschränkt. Angesichts dieser Hindernisse und angesichts der großen Angst ist es erstaunlich, wie viel Widerstand sich regt.
Die Organisierung läuft über das Federal Unionists Network (FUN), ein Netzwerk von Staatsangestellten, die gewerkschaftlich aktiv sind. Wie sind Sie dort gelandet? Sie selbst sind ja kein Staatsangestellter.
Die Leitung des FUN hat mich im Januar um Hilfe gebeten. Ich hatte das Gefühl, das ist so ein Alle-Mann-an-Deck-Moment. Wir erleben einen autoritären Putsch, und wenn ich in fünfzig Jahren zurückblicke, möchte ich nicht bereuen, dass ich nicht alles getan habe, um das zu verhindern.
Wie sieht der Widerstand konkret aus?
Im Februar hat das FUN zu einem landesweiten Aktionstag aufgerufen. Das Netzwerk hat auch eine führende Rolle bei der Organisierung der Hands-Off!-Proteste am 5. April übernommen. Millionen Menschen demonstrierten an diesem Tag gegen Trump. Das waren die bisher größten Proteste gegen die Regierung. Und mittlerweile zeigt sich die Wirkung. Musk hat gerade erst angekündigt, dass er sich aus der Politik zurückziehen wird. Wir waren nicht die Einzigen, die das bewirkt haben, aber eine entscheidende Kraft.
Die Regierung hat bereits Zehntausende Staatsangestellte in etlichen Behörden entlassen. Sind diese Arbeitsplätze nun alle verloren?
Der Bewegung ist es bereits gelungen, vielen Arbeiter*innen den Job zurückzuholen. Durch eine Kombination aus öffentlichem Druck und Gerichtsverfahren. Die Frage ist natürlich, ob das Trump abschreckt. Und klar ist auch, dass schon jetzt ein enormer Schaden entstanden ist. Wir kennen die genauen Zahlen nicht, aber möglicherweise geht es um Hunderttausende, die ihren Arbeitsplatz verloren haben oder kurz davor stehen.

Eric Blanc
ist 40 Jahre alt und lehrt an der Rutgers University in New Jersey zu Gewerkschaften. Er ist Mitgründer des Emergency Workplace Organizing Committee, eines Netzwerks, das Beschäftigte beim Aufbau betrieblicher Organisierung unterstützt. In seinem kürzlich erschienenen Buch »We Are the Union« geht es um die Methoden und Erfolge der neuen Graswurzelgewerkschaften bei Unternehmen wie Starbucks und Amazon.
Foto: privat
Trump ist nicht der erste US-Präsident, der den Staat abbauen will. Ist die Situation heute mit jener unter Ronald Reagan zu vergleichen, der in den 1980er Jahren ähnliche Ziele hatte?
Was Trump macht, ist vom Umfang her viel extremer. Es geht um eine Million Staatsbeschäftigte, die aufgrund seiner Executive Order möglicherweise ihr Recht auf Verhandlungen, vertreten durch ihre Gewerkschaft, verlieren. Und die Angriffe auf die Bundesbehörden betreffen jede*n Amerikaner*in. Wenn Trump damit ohne signifikante Gegenwehr durchkommt, dann werden Unternehmen das Gleiche tun. Sie werden ihre Beschäftigten einschüchtern, ihnen das Mitspracherecht nehmen, Gewerkschaftsverträge ignorieren.
Mit welchen Maßnahmen versucht die Regierung, Gewerkschaftsarbeit zu verhindern?
Die Regierung hat beispielsweise ein Direktionsmitglied des National Labor Relations Board entlassen. Der Behörde, die Abstimmungen über die Gründung von Gewerkschaften überwacht und für die Durchsetzung der Arbeitsgesetze für die meisten amerikanischen Arbeitnehmer*innen sorgt, wurde so die Beschlussfähigkeit genommen.
Trump spricht davon, ein »goldenes Zeitalter der amerikanischen Industrialisierung« einzuleiten. Gibt es Arbeiter*innen, die von Trumps Politik profitieren?
Trump ist ein Lügner. Es heißt also gar nichts, wenn er sagt, dass er sich für Arbeiter*innen einsetze. Wer Gewerkschaften bekämpft, kann nicht arbeitnehmer*innenfreundlich sein. Gut möglich, dass Trump glaubt, dass etwa die Zölle im Sinne der Arbeiter*innenklasse sind, weil sie Jobs in der Produktion zurückbringen. Ohne gewerkschaftlichen Schutz sind solche Arbeitsplätze allerdings in der Regel ziemlich schlecht bezahlt und gefährlich. Dazu kommt, dass seine Zollpolitik so chaotisch ist, dass sie am Ende wohl der ganzen Wirtschaft schaden wird.
Nur 9,9 Prozent der Arbeiter*innen sind gewerkschaftlich vertreten, ein historischer Tiefstand. Ist die Gewerkschaftsbewegung am Ende vielleicht einfach zu schwach, um eine wirkliche Rolle in der Opposition zu spielen?
So schwach die Gewerkschaftsbewegung auch sein mag, sie ist immer noch die stärkste mitgliederbasierte Kraft in den USA. Wir sprechen von über 14 Millionen Mitgliedern. Wichtige Bereiche der Wirtschaft sind weiterhin gewerkschaftlich organisiert: Häfen, Fabriken, Schulen. Man könnte hier für erhebliche Störungen sorgen.
Sie schreiben in Ihrem Buch »We Are the Union«, dass die meisten progressiven Bemühungen seit den 1980er Jahren entweder »gut verwurzelt, aber klein« oder »schlecht verwurzelt und groß« gewesen seien. Was meinen Sie damit?
Wir haben in den vergangenen 20 Jahren einige Massenbewegungen erlebt, die großen Demos gegen den Irakkrieg, Occupy Wall Street, Black Lives Matter, Klimamärsche. Die Menschen gehen auf die Straße und dann wieder nach Hause, weil es an Möglichkeiten der längerfristigen Organisierung fehlt. Auf der anderen Seite gibt es solche Strukturen, wo echte Macht durch Basisarbeit aufgebaut wird, zum Beispiel bei Gewerkschaften und in lokalen Community-Gruppen, aber diese Organisationen sind oft viel zu klein. Die entscheidende Herausforderung liegt also in der Skalierung. Es geht darum, sich auf nationaler Ebene dauerhaft zu organisieren.
Wie müssen sich die Gewerkschaften verändern, um das zu erreichen?
Das Grundproblem ist, dass die meisten Gewerkschaften gar nicht erst versuchen zu wachsen. Und ich würde behaupten, dass man als Gewerkschaft die eigenen Mitglieder kaum konsequent schützen kann, wenn man nicht versucht, die eigene Basis zu vergrößern. Einmal, weil Unternehmen, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, so im Vorteil bleiben. Nehmen wir den Paketlieferer UPS, der von den Teamsters vertreten wird. Für UPS ist es sehr schwierig, mit Amazon zu konkurrieren, wo es noch keine gewerkschaftliche Organisierung gibt. Auch aus politischen Gründen müssen Gewerkschaften ihre Basis vergrößern. Ohne starke Gewerkschaften ist es für rechte Ideen nämlich viel einfacher, sich durchzusetzen. Anstatt ihre Arbeitgeber*innen für ihre materiellen Probleme verantwortlich zu machen, neigen unorganisierte Beschäftigte dazu, Einwanderer*innen oder anderen Sündenböcken die Schuld zu geben. Dazu kommt, dass auch die Gewerkschaften, die zu wachsen versuchen, an Grenzen stoßen. Ihr Ansatz ist viel zu personalaufwendig und teuer. Laut Studien kostet es Gewerkschaften im Schnitt 3.000 Dollar, eine*n Arbeiter*in anzuwerben.
Das bringt uns zu dem Modell, das Sie als »worker-to-worker unionism« beschreiben. Statt auf die Hilfe von Gewerkschaftsfunktionären zu warten, organisieren sich die Arbeiter*innen selbst untereinander.
Sie übernehmen dabei viele der Aufgaben, die normalerweise bei den Festangestellten der Gewerkschaften liegen. Sie betreiben das Organizing, entscheiden über Strategie, bilden andere Organizer*innen aus.
Sprechen wir über ein konkretes Beispiel: die Organisierung bei Burgerville, der ersten gewerkschaftlich organisierten Fast-Food-Kette in den USA. Wie ist das den Beschäftigten ohne Gewerkschaftspersonal gelungen?
Die Organisierung bei Burgerville begann 2016, als ein paar »salts«, also junge, linksgerichtete Leute, in einer Filiale in Portland, Oregon, Stellen antraten mit dem Ziel, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Danach kamen viel harte Organizing-Arbeit, Gespräche mit Kolleg*innen, die Bildung von Ausschüssen und mehrere Streiks. Die Streiks waren nicht nur wichtig, um wirtschaftlichen Druck auf Burgerville auszuüben, sondern auch, um öffentliche Aufmerksamkeit auf die schlechten Arbeitsbedingungen zu lenken und so die Marke zu beschädigen. Durch jahrelanges Organizing und auch Unterstützung von außen ist es gelungen, die Geschäftsführung von Burgerville an den Verhandlungstisch zu bringen. 2021 wurde Burgerville dann zur ersten Fast-Food-Kette der USA, die eine gewerkschaftliche Vertretung hat.
Angesichts der großen Angst ist es erstaunlich, wie viel Widerstand sich regt.
Sie beschreiben, wie wichtig es für die Beschäftigten in diesem ganzen Prozess war, zusammen Spaß zu haben. Grillabende, Partys, Bowling, all das gehörte dazu. Aus flüchtig bekannten Kolleg*innen wurde nach und nach eine Community.
Man nimmt so was überhaupt nur in Angriff, wenn man Teil einer Gruppe von Menschen ist, die sich füreinander verantwortlich fühlen und sich gegenseitig Mut machen. Deshalb ist es wichtig, nach der Organisierungsarbeit etwas trinken zu gehen, gemeinsam etwas zu unternehmen. Auch der Austausch in Whatsapp-Gruppen gehört dazu, um die Energie aufrechtzuerhalten.
Sie schreiben auch über die Gewerkschaftsorganisierung bei Starbucks. Es gibt in den USA mittlerweile über 500 Filialen, die für gewerkschaftliche Vertretung gestimmt haben. Was halten Sie von der Kritik, dass es sich dabei doch nur um eine Kaffeekette handle, also nicht allzu wichtig sei?
Der Dienstleistungssektor ist das Herzstück unserer Wirtschaft. Drei Viertel des Bruttoinlandsprodukts kommen aus dem Dienstleistungssektor. Starbucks ist mit über 200.000 Beschäftigten der achtgrößte Arbeitgeber im privaten Sektor der USA. Insofern ist die gewerkschaftliche Organisierung dort unverzichtbar.
Wie reagieren die Unternehmen auf die neuen Graswurzelgewerkschaften?
Sie drehen ziemlich durch. Eine zentrale Methode in der Bekämpfung von Gewerkschaften bestand immer darin, zu behaupten, dass diese externe Kräfte seien, die nur die Mitgliederbeiträge der Beschäftigten einkassierten. Das lässt sich deutlich schwerer behaupten, wenn die Gewerkschaftsorganisierung von den Beschäftigten selbst ausgeht.
Welche Strategien wünschen Sie sich für die nächsten Monate?
Es braucht massenhaften zivilen Ungehorsam. Tausende von Arbeiter*innen und Leute aus den Communities könnten etwa die Räume des Kongresses besetzen, bis die Polizei gezwungen ist, sie da rauszutragen. Das andere sind Streiks. Wenn Fluglots*innen einen eintägigen Streik durchführen würden, würde das eine Menge Druck ausüben. Und sollte Trump immer autoritärer werden, etwa das Kriegsrecht ausrufen, stellt sich sehr bald auch die Frage nach einem Generalstreik.