Den »Eisberg aus Scheiße in die Luft jagen«
#TeslaTakedown: In den USA und Europa formiert sich Protest gegen Elon Musk und sein Unternehmen, nun auch gegen die Trump-Regierung
Von Jan Ole Arps

Musk ist nur die Spitze des Eisbergs, eines Eisbergs aus Scheiße. Lasst uns diesen Eisberg aus Scheiße in die Luft jagen!«, donnert es von der Bühne. Die Kundgebungsteilnehmer*innen klatschen zustimmend. Am 5. April haben sich etwa 200 Menschen zum Protest vor dem Tesla-Showroom in Berlin-Mitte versammelt. Es ist eine von Hunderten Kundgebungen weltweit gegen Elon Musk und seine Firma unter dem Motto #TeslaTakedown. Mit dem etwas schiefen, gleichwohl einprägsamen Sprachbild bringt die Rednerin der Interventionistischen Linken auf den Punkt, was wohl viele der Versammelten zum Kommen motiviert hat: Musk ist zum Symbol für den Frontalangriff auf soziale Rechte und demokratische Standards geworden, den US-Präsident Trump und sein Team seit der Übernahme der Amtsgeschäfte im Januar anführen. Zugleich verkörpert Musk, der Förderer der extremen Rechten und – je nach Stand der Aktien seiner Unternehmen – reichster oder fast reichster Mann der Welt, Eigentümer kritischer Infrastruktur und Inhaber des einflussreichen politischen Fantasieamtes Department of Government Efficiency (DOGE), wie kein anderer die Figur des milliardenschweren »Tech-Oligarchen«, der nun nach politischer Macht greift. (ak 712)
Als Besitzer nicht nur wichtiger technologischer Infrastrukturen, sondern auch Chef eines klassischen E-autoproduzierenden Industrieunternehmens bietet Musk viel physische Angriffsfläche: Tesla-Filialen etwa, vor denen sich die Aufforderung zum Boykott der Marke gut propagieren lässt. Und weil die Verkaufsaussichten der vielen E-Autos auch den Aktienkurs des Unternehmens, ein Fundament von Musks Reichtum (er hält 13 Prozent der Tesla-Aktien), beeinflussen, zielen die Proteste auch darauf: den Kurs der Wertpapiere nach unten zu treiben.
Die ersten Aufrufe und der Hashtag #TeslaTakedown tauchten Anfang Februar, kurz nach dem Start von Musks Kürzungsorgien, auf Bluesky auf. Mitte Februar versammelten sich Trump- und Musk-Gegner*innen vor Tesla-Filialen in Los Angeles, zwei Wochen später schon überall in den USA. Im März standen regelmäßig Hunderte oder Tausende vor Showrooms im ganzen Land, mancherorts begleitet von Gegenprotesten rechtsextremer Gruppen wie der Proud Boys. Auch auf andere Länder griff der #TeslaTakedown über. Parallel nutzten einige die Gelegenheit, Teslas zu beschädigen und Ladesäulen in Brand zu setzen. In mehreren US-Bundesstaaten, auch in Kanada wurden Teslas demoliert oder besprüht, fünf Autos brannten in Las Vegas aus, vier in Seattle, sieben in Ottersberg (Niedersachsen), vier in Berlin, acht in Toulouse, 17 in Rom; in Frankreich gingen Tesla-Ladestationen in Flammen auf. Ende März soll bereits vor jeder Tesla-Filiale in den USA demonstriert worden sein, Musk rantete auf X, vormals Twitter, ausgiebig über die angeblich bezahlten Demonstrant*innen, und Trump forderte, Tesla-Vandalismus als Terrorismus zu verfolgen.
Den wirtschaftlichen Schaden für Tesla zu vergrößern, ist ein attraktiver Ansatz, bei dem viele gern mithelfen.
Zu Musks Wutausbruch dürften auch die schlechten Verkaufszahlen und der Sturzflug der Aktienkurse beigetragen haben: Im ersten Quartal 2025 brachen die Tesla-Verkäufe gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent ein, in der EU wurden im Januar und Februar sogar 43 Prozent weniger Teslas verkauft als in den Vorjahresmonaten – nicht nur, aber eben auch wegen der sinkenden Popularität des Multimilliardärs. Nicht wenige Tesla-Besitzer*innen versuchen seit Musks Hitlergruß und dem Entlassungsfeldzug durch US-Behörden, ihr Fahrzeug loszuwerden, oft mit Verlust, oder bringen Sticker an, in denen sie sich von Musk distanzieren. Der Aktienkurs des Unternehmens, der sich von Trumps Wahlsieg bis Mitte Dezember zunächst verdoppelt hatte, stürzte in den Folgemonaten um den selben Betrag ab, erholte sich dann etwas und rauschte während der Trumpschen Zoll-Chaostage Anfang April noch einmal kräftig nach unten. Mittlerweile pendelt er wieder um den Wert, den die Aktie vor der Wahl hatte. Auch wenn diese Turbulenzen nicht allein auf das Konto der Proteste gehen: Den Image- und damit wirtschaftlichen Schaden weiter zu vergrößern, ist ein attraktiver Ansatz, bei dem viele gern mithelfen.
In den USA haben sich zu der Bewegung gegen die feindliche Übernahme der Regierungsbehörden durch Musk und sein Doge-Team inzwischen weitere Proteste gesellt: Eine Kundgebungstour der linken Demokrat*innen Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez zieht Tausende an. Am 5. April, parallel zum weltweiten #TeslaTakedown, protestierten unter dem Motto »Hands Off« drei bis vier Millionen Menschen an über 1.400 Orten in allen US-Bundesstaaten gegen Trumps Anti-Migrationspolitik, seine Angriffe auf Bildung, Renten und soziale Rechte, den autoritären Staatsumbau und wachsenden Einfluss Superreicher. Eine breite Koalition von Bürger*innenrechtsorganisationen, progressiven Demokrat*innen, Gewerkschaften, Umwelt- und Veteran*innenverbänden, Frauen-, LGBTQI-, Behinderten- und Palästina-Soli-Initiativen hatte aufgerufen.
Es waren die bisher größten Widerstandsbekundungen gegen Trumps zweite Amtszeit, auch wenn sie noch etwas kleiner sind als der Women’s March zu Beginn der ersten Präsidentschaft. Immerhin: Das Anti-Trump-Lager von links bis liberal hat nun einen gemeinsamen Ausdruck gefunden. Wie sich die Proteste weiter entwickeln, ist allerdings noch nicht absehbar. Die Grenzen von Massendemonstrationen waren schon in Trumps erster Amtszeit deutlich geworden. Dass die Meinung derer, die sich nun auf die Straße begeben, ihn nicht sonderlich interessiert, macht Trump oft und gern deutlich; mehr noch als vor acht Jahren schwebt nun die Drohung staatlicher Verfolgung über den Protesten. Am 19. April ist der nächste landesweite Aktionstag.
Beim deutschen Ableger des #TeslaTakedowns sammeln sich neben etablierten Protest-NGOs wie Campact und Lobbycontrol und antifaschistischen Bündnissen wie den Omas gegen rechts vor allem Teile der Klimabewegung. Fridays for Future, die Neue Generation (ehemals Letzte Generation), Sand im Getriebe oder das Bündnis Tesla den Hahn abdrehen, das schon eine Weile gegen Musks Gigafactory im Brandenburgischen Grünheide mobilisiert. (ak 704) Sie alle hatten am 5. April vor der Mall of Berlin mobilisiert – dafür ist die Beteiligung dann doch überschaubar. Am 12. April, nach Redaktionsschluss, soll es in mehreren deutschen Städten und in Grünheide weitergehen. Auch in Großbritannien, Wien, Zürich und Helsinki und natürlich in den USA wird wieder demonstriert: gegen den »Eisberg aus Scheiße«.