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|ak 683 | Wirtschaft & Soziales |Reihe: FAQ. Noch Fragen?

Was bringen die Entlastungspakete?

Von Guido Speckmann

Die Inflation trifft nicht alle gleich: Für die Reichen in Blankenese verringert sich lediglich ihre Sparquote ein wenig. Foto: JoachimG/Wikipedia Common, CC BY-SA 3.0

Vor allem Bürgerinnen und Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen werden davon profitieren«, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website zu den sogenannten Entlastungspaketen.« Wirklich? Nee, nicht wirklich.

Das Problem liegt bereits in einer falschen Analyse, die den Entlastungspaketen als Grundlage diente. Zwar ist es richtig, dass die durch die Pandemie und Krieg gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel »Bürgerinnen und Bürger« belasten. Aber die Kategorie Bürger*in – wahlweise auch die »Menschen« – verdeckt die sozialen Unterschiede, die Spaltung der Gesellschaft in Schichten und Klassen. Sie tut so, als ob es keine Armen und Reichen in Deutschland geben würde. 

Die gibt es aber doch. Nur wenige Zahlen: Deutschland hat mit einer Armutsquote von 16,1 Prozent so viele Arme wie noch nie seit 1990. In absoluten Zahlen: 13,4 Millionen Menschen hierzulande verfügen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens dieser Gesellschaft. Auf der anderen Seite ist Deutschland das Land mit der weltweit viertgrößten Dichte an Milliardär*innen hinter den USA, China und Indien. Und die Zahl der Dollar-Millionär*innen hierzulande sprang im Pandemiejahr 2020 laut Global Wealth Report über die Marke von 1,5 Millionen Menschen.

Daraus folgt: Die hohen Teuerungsraten betreffen »die Bürger*innen« ganz unterschiedlich. Für die Superreichen bedeutet sie lediglich einen leichten Rückgang ihrer Sparquote, weil sie nur einen geringen Prozentsatz ihres Einkommens (und/oder Vermögens) für den täglichen Bedarf wie Lebensmittel oder Energiekosten ausgeben. Arbeitslosen-, Sozialhilfebeziehende und Geringverdienende hingegen geben einen hohen Prozentsatz ihres Einkommens dafür aus, für sie langt das Geld ohnehin schon nicht mehr. Die derzeitige Inflation trifft sie daher besonders hart. Viele sehen sich gezwungen, den schweren Gang zur Tafel oder in ein Sozialkaufhaus anzutreten. 

Die Kategorie Bürger*in – wahlweise auch die »Menschen« – verdeckt die sozialen Unterschiede, die Spaltung der Gesellschaft in Schichten und Klassen.

Wie reagiert nun die Bundesregierung? Sie hat zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, deren Markenkerne das Prinzip Gießkanne und Symptombehandlung sind. Zwar gibt es wenige Maßnahmen, die arme Menschen gezielt adressieren; die Einmalzahlungen für Beziehende von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld, der Heizkostenzuschuss für die Bezieher*innen von Wohngeld sind Beispiele hierfür. Aber die Beträge sind viel zu gering, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen. Gesamtkosten dafür: zwei Milliarden Euro. Das nimmt sich recht bescheiden aus im Vergleich zu den 23,6 Milliarden Euro, die die zwei Entlastungspakete insgesamt kosten dürften. Am teuersten ist dabei die einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro. Sie schlägt mit 10,4 bis über 13 Milliarden Euro zu Buche. Allerdings gilt sie nicht für Studierende und Rentner*innen, weshalb bereits eine Klage gegen sie läuft.

Immerhin aber hat sie eine kleine soziale Komponente. So erhalten jene, die weniger verdienen, mehr von dem Geld als Abteilungsleiter*innen oder Ärzt*innen. Dass diese aber überhaupt entlastet werden, ist sozialpolitisch unsinnig und hat daher mehr mit Wähler*innenklientelpflege von FDP und Grünen zu tun.

Keinen Sinn macht überdies die Abschaffung der EEG-Umlage auf Strom und die Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe aus. Da Haushalte mit hohen Einkommen mehr Strom verbrauchen und Autos mit höherem Benzinverbrauch fahren, werden sie um höhere Beträge entlastet als Haushalte mit geringen Einkommen, die weniger Energie verbrauchen. Insbesondere die gesunkenen Steuern auf Benzin und Diesel könnten sich als Subventionsprogramm für die großen Mineralölkonzerne erweisen. Die Erfahrung zeigt, dass die Entlastung bei Verbrauchssteuern meist nicht vollständig von den Unternehmen an die Kund*innen weitergegeben wird. 40 Prozent steckten sich die Konzerne, die durch die gestiegenen Preise ohnehin schon satte Gewinnsteigerungen verbuchen konnten, in der Vergangenheit in die Tasche. Der »Tankrabatt« steht zudem einer ökologischen Verkehrswende entgegen, weil er den Verbrauch von fossilen Energien subventioniert, von denen sich die Regierung zumindest rhetorisch lossagt. 

Reiche, die Entlastungen nicht nötig haben, werden also mit Milliardenbeträgen entlastet, für Geringverdiener*innen, die eine stärkere Entlastung infolge der Inflation nötig hätten, sind nur zu geringe Einmalbeträge übrig. Die Alternative zu den Entlastungspaketen wäre, an den strukturellen Ursachen für die weitverbreitete Armut in einem reichen Land anzusetzen, konkret für höhere Renten, Hartz-IV-Regelsätze sowie Löhne und Gehälter zu sorgen. Die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro wird nicht ausreichen.

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.