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Leben wir gefangen?

Nach 35 Jahren Museveni zieht sich mit der Anklage des Wahlbetrugs Verzweiflung durch Ugandas junge Opposition

Von Sauya

Aneinander gereihte Wahlkampfposter von Yoweri Museveni
Mittlerweile zeitloses Wahlplakat: Yoweri Museveni. Foto: Gabriel White / Flickr , CC BY-SA 2.0

Erschöpft weisen wir immer wieder darauf hin, dass Oppositionspolitik in Uganda und in großen Teilen Afrikas ein vergeblicher Kampf bleibt. Paul Biya in Kamerun, Teodoro Obiang Nguema Mbasogo in Äquatorialguinea, Denis Sassou Nguesso in der Republik Kongo oder auch unser gegenwärtiger Amtsinhaber Yoweri Kaguta Museveni in Uganda sind Beispiele für Präsidenten, die die Idee der Demokratie verworfen oder zumindest soweit entwertet haben, dass Wahlen zu einer reinen Formalität verkommen sind.

Museveni hat mit seiner Partei, dem National Resistance Movement (NRM), einen katzbuckligen Haufen geschaffen, der sich selbst gerne als Außenseiter darstellt. Dabei sind viele weit davon entfernt, Musevenis anfängliche Ideologie von Nationalismus, wirtschaftlichem Liberalismus und gesellschaftlichem Konservatismus zu teilen. Vielmehr, so der Volksmund, ist das NRM vor allem dort stark, wo Menschen von den Privilegien einer Mitgliedschaft profitieren möchten. Die Partei würde ohne Museveni nicht mehr bestehen. Seine Fürsprecher*innen tun und sagen mittlerweile alles, um sich in seine Gunst zu stellen.

Das Loblied, das zu lange anhält

Museveni ist in Uganda seit mittlerweile 35 Jahren an der Macht. Sein Verweilen war lange fest in das Narrativ verwoben, dass er dem Land Frieden brachte. Eine Rhetorik, die für die jüngere Generation keine Substanz mehr hat. Bevor Museveni 1986 die Macht an sich riss, wurde das Land durch die Diktatur Idi Amins und die Kriege Milton Obotes ausgewrungen. Bald darauf schlugen Alice Lakwena und ihr Holy Spirit Movement, später Joseph Konys Lord’s Resistance Army (LRA) im Norden Wurzeln. Museveni gewann damals Vertrauen und Unterstützung durch die Art und Weise, wie er den Krieg im Norden relativ zurückhaltend eingedämmt hatte. In seinen jungen Jahren vertrieb er die Rebell*innen vollständig aus Uganda in die Nachbarländer der Zentralafrikanischen Republik und der Demokratischen Republik Kongo.

Wie bei Robert Mugabe in Simbabwe war Musevenis Mandat zu Beginn besänftigend

Die Unterstützung hielt an. Vor allem diejenigen, die das Militärregime von Amin miterlebt hatten und ihm den jahrzehntelangen LRA-Krieg im Norden des Landes nicht übel nahmen, blieben ihm weiter loyal und gaben ihm ihre Stimme in den Wahlen. Heute halten die Jüngeren der älteren Generation vor, sein Loblied auf die Erhaltung des Friedens zu lang mitgesungen zu haben.

Wie bei Robert Mugabe in Simbabwe war Musevenis Mandat zu Beginn besänftigend: Demokratie, gute Regierungsführung, Macht für das Volk und wirtschaftliche Entwicklung. Er missbilligte Staatsführungen, die zu lange an der Macht blieben. Er versprach nicht nur einmal, nicht zu dieser Art Präsident zu werden. Doch – wie bei Mugabe – änderte sich sein Mandat, das zwar noch die alten Parolen wiederholte, während sich Vetternwirtschaft und die gewaltsame Beseitigung jeglicher Oppositionsführer breitmachten. Musevenis unverbindliche Haltung zum Tod von Zivilist*innen unterstreicht den Zweifel an seiner vorgeblichen Wohltätigkeit. Im November 2020 schoss die Polizei beispielsweise nach einer dürftig kommunizierten Verhaftung seines politischen Widersachers Robert Kyagulanyi Ssentamu, besser bekannt unter seinem Musikernamen Bobi Wine, unrechtmäßig auf Demonstrierende, darunter auch Kinder. Die Reaktion der Regierung auf diesen Vorfall war der klägliche Versuch einer Erklärung, gefolgt von der Drohung, die jugendlichen »Hooligangruppen«, die für die Unruhen verantwortlich sein sollen, weiter zu zerschlagen. Denn so begegnet er der jüngeren Generationen: launisch – mal mit Paternalismus, mal mit Zorn. Wenn sie ihm passen, nennt er sie »Bazakulu« – seine Enkelkinder. Wenn sie sich nicht fügen, verunglimpft er sie eben als »Hooligans«, denen er unverhohlen droht.

Teile und herrsche

Ähnlich wie die britischen Kolonialist*innen, für die das Spalten ein Instrument der Unterwerfung wurde, hat Museveni gelernt, dass er die Mehrheit der Ugander*innen im Griff behalten kann, wenn er sie voneinander trennt. Zum einen wurde Uganda in seiner Amtszeit in immer kleinere Verwaltungsbezirke geteilt. Eine Praxis, die vorgibt, den Menschen direkten politischen Einfluss und eine lokale Identität zu verschaffen, ist zu einem Mechanismus geworden, Musevenis Macht zu sichern. Denn für jeden neu geschaffenen Distrikt, so klein er auch sein mag, müssen gewählte Abgeordnete und andere Positionen in der lokalen Regierung geschaffen werden, die mit Privilegien verbunden sind und damit die Loyalität gegenüber der Regierung verstärken. Doch auch das reicht nicht, um die 58 Prozent der Wählerstimmen zu erklären, die Museveni bei den Präsidentschaftswahlen 2021 eingefahren haben soll. Das zeigt auch seine Reaktion auf die Wahlen vom 14. Januar. Aus Furcht vor einem Kontrollverlust zeigte Musevenis Politik des Spaltens ein anderes Gesicht: Wie schon bei den Wahlen im Jahr 2016 schaltete die Regierung das Internet ab, wodurch die Bevölkerung auch digital so geteilt werden sollte, wie sie es durch die physische Distanz zwischen den tausenden Walhlokalen ist. Denn die Bedrohung lag darin, dass die Menschen die Distanz überwinden – erst virtuell, dann auf den Straßen.

Ich war eine von vielen Erstwähler*innen in diesem Jahr. Das Bild, das von den Ereignissen um mein Wahllokal gezeichnet wurde, war eines von scheinbarer Ruhe und Akzeptanz. Die wenigen Fernsehübertragungen, die ausgestrahlt werden durften, vermittelten eine vorbildliche Wahl, als die Öffentlichkeit in der sengenden Hitze friedlich ihre Stimme abgab. Und trotzdem blieb Museveni hartnäckig dabei, das Internet abzuschotten. Selbst als die Ergebnisse eintrudelten und er bereits vor der Auszählung der Stimmen 1.200 ausstehender Wahllokale zum Sieger erklärt wurde.

In den Tagen nach den Wahlen wurde der Herausforderer Musevenis, Bobi Wine, vom Militär mehrere Tage in seinem Haus festgehalten. Als Begründung nannten die verantwortlichen Beamten*innen zunächst, dass sie für Bobi Wines Schutz sorgen wollen. Vor Gericht jedoch gaben sie zu, dass sie in ihm eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung gesehen hatten. Als das Internet wieder lief, wurde auch das ruhige Bild des Wahltages durch viele private Handyvideos, die Wahlmanipulationen zeigten, komplett aufgelöst. Es gibt Videos von Wahlhelfer*innen, die »für« Bürger*innen abstimmen. Es gibt Beweise für die Abgabe von Briefwahlstimmen, die ihren Weg in die Wahlurne finden, obwohl die besagten Briefwähler*innen nichts von ihrer Teilnahme an der Wahl wissen. Seitens der Regierung hieß es nach einer Weile, dass sie die Täter*innen in den Videos finden und festnehmen würden, doch es passierte nichts. Auch die staatlichen Medien werden nun in den sozialen Netzwerken als unglaubwürdig verspottet, weil diese die kritischen Videos im Großen und Ganzen nicht thematisierten. Zuletzt leidet auch die Glaubwürdigkeit ausländischer Wahlbeobachter*innen, die all dies übersehen haben wollen und die Wahl als frei und fair bezeichneten. Ganz in Museveni-Manier kommentierten auch er und seine Wahlkommission die Videos nicht. Stattdessen verschärften sie die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Großstädte für den Fall, dass seine zu aufsässig gewordenen »Bazukulu-Hooligans« in ihre Schranken gewiesen werden müssten.

Bobi Wine, dessen National Unity Platform (NUP) sozialen Liberalismus, Progressivismus, die Strukturierung staatlicher Macht durch eine Verfassung und generell die Macht des Volkes predigt, oder wie er und seine mit roten Baretten bekleideten Anhänger*innen gerne skandieren »People Power Our Power«, hat die Wahl nicht anerkannt. Bobi Wine weigerte sich natürlich, seine vorgebliche Niederlage einzugestehen. Doch wie bei seinen Vorgängern zog sich die Entscheidung eine Weile hin, ob er vor Gericht ziehen will oder nicht. Abzuwiegen waren die Vor- und Nachteile eines langwierigen und mit Sicherheit verlustreichen Gerichtsprozesses. Er entschied sich – ganz im Sinne seines Versprechens eines neuen ugandischen Rechtsstaats – für den Gang vor Gericht. Ein Schritt, der von Museveni von vornherein nicht ernstgenommen wurde. Die Regierung machte sich einen Spaß daraus, den Aufenthaltsort des Präsidenten zunächst zu verheimlichen, um die Zustellung der Anklageschrift zu verzögern.

Jetzt, wo der Fall vor Gericht ist, wartet das Land gespannt auf Bobi Wines Beweise, die über jeden Zweifel erhaben sind. Dennoch: Da wir aus der Geschichte wissen, dass dieser Einspruch vergeblich sein wird, kann ich mir nicht helfen zu fragen, ob wir in Gefangenschaft leben.

Sauya

ist Ärztin Autorin, Redakteurin und Lektorin. Sie schreibt hauptsächlich Belletristik und betreibt einen Blog. Sie veröffentlicht regelmäßig zum Thema Gesundheit für eine Zeitung in Kampala.