»Die, die ein Risiko eingehen können, sollten es auch tun«
Kann der Umbau der USA zur Diktatur noch gestoppt werden? Die Influencerin Robbin von @PullupsPastaPolitics ist pessimistisch, aber nicht hoffnungslos
Interview: Fritz Burschel

Wenn man mal angefangen hat, sich auf Social Media zu den dramatischen Veränderungen in den USA umzuschauen, sorgt der Algorithmus für ständigen Nachschub an Horrormeldungen aus dem Land auf seinem Weg in eine autoritäre Diktatur. Eine Person, die als Influencerin stetig berichtet, ist Robbin. Die studierte Politikwissenschaftlerin betrieb schon vor dem Beginn der Verfassungskrise in den USA einen Account für Fitness, Essen und Politik: @PullupsPastaPolitics. Sie lebt mit ihrer Familie in North Carolina, Fritz Burschel hat mit ihr ein Video-Interview geführt.
Ist das US-Verfassungssystem noch zu retten, oder ist es bereits zusammengebrochen?
Robbin: Ich glaube nicht, dass es völlig zusammengebrochen ist. Aber es wird definitiv in Frage gestellt wie noch nie zuvor. Die Gerichte auf Landes- und Bundesebene sowie der Oberste Gerichtshof halten bisher stand. Trump hat kürzlich die Anordnung des Obersten Gerichtshofs missachtet, den US-Bürger Kilmar Abrego Garcia aus El Salvador, wohin er widerrechtlich abgeschoben worden war, zurückzuholen. Es hängt jetzt alles davon ab, wie der Oberste Gerichtshof vorgeht. Präsident Trump genießt Immunität. Aber das bedeutet nicht, dass seine Regierung oder seine Anwält*innen sie auch haben. Wenn sie gegen ein Urteil verstoßen, können sie strafrechtlich belangt werden, sogar eine Gefängnisstrafe wäre möglich. Aber wer setzt das durch? Normalerweise würde das Justizministerium solche Leute verhaften lassen. Aber das Justizministerium hat Trump die Treue geschworen, obwohl es eigentlich unserer Verfassung die Treue schwören sollte.
Das Militär darf Befehle missachten, die gegen die Verfassung verstoßen. Aber eine solche Entscheidung müsste wohl von den unteren Ebenen kommen.
In den letzten Wochen wurde spekuliert, Trump könnte den Insurrection Act von 1807 in Kraft setzen, ein Ausnahmegesetz, das es dem Präsidenten erlaubt, die Nationalgarde oder sogar Teile des Heeres zur Bekämpfung von Rebellionen im Land einzusetzen.
Das Gesetz wurde in der Vergangenheit bereits in Einzelfällen angewendet, etwa bei den Rodney King Riots 1992 in Los Angeles. Nach dem Hurrikan Katrina 2005 wurden Anlässe, die die Anwendung des Insurrection Acts erlauben, auf Terroranschläge, Naturkatastrophen und andere nationale Notstände ausgedehnt. Trump drohte bereits in seiner ersten Amtszeit, während der George-Floyd-Proteste, mit der Anwendung des Gesetzes, aber es kam nicht dazu. Würde Trump es jetzt einsetzen, wäre das eine enorme Konzentration von Exekutivmacht in seinen Händen. Das Militär darf allerdings Befehle missachten, die gegen die Verfassung verstoßen. Ein solcher Einspruch müsste von der Führung kommen. Aber Pete Hegseth ist Verteidigungsminister, er wird sich sicher nicht querstellen. Auch die Joint Chiefs of Staff, die Oberbefehlshaber – sie wurden von Trump ernannt – werden das nicht tun. Eine Entscheidung, das Gesetz nicht umzusetzen, müsste also wenn dann von den unteren Ebenen kommen.
In den sozialen Medien in den USA ist immer häufiger das Wort Impeachment, Amtsenthebung, zu hören. Wie könnte das funktionieren?
Ein Amtsenthebungsverfahren beginnt im Repräsentantenhaus. Der Sprecher des Repräsentantenhauses müsste es zur Abstimmung bringen.
Mike Johnson, der Trump treu ergeben ist.
Genau. Derzeit kontrollieren die Republikaner das Repräsentantenhaus. Selbst wenn zehn oder 20 von ihnen für ein Amtsenthebungsverfahren gewonnen werden könnten, müsste immer noch Johnson den Vorschlag einbringen. Und das wird er nicht tun. Aber selbst im hypothetischen Fall, dass es doch dazu käme: Auch im Senat müssten dann 20 Republikaner*innen dafür stimmen. Und das ist ein harter Kampf. In Trumps erster Amtszeit waren wir ganz nah dran. Es ist also nicht unmöglich, aber im Moment, mit republikanischer Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus, nicht denkbar.
Ich bin zuerst auf Instagram, später auch auf TikTok auf Ihre klaren, alarmierenden Statements gestoßen und verfolge seitdem mit Spannung Ihre Posts über die dramatischen Entwicklungen unter dem neuen Trump-Regime. Sie posten schon länger zu Fitness und Essen – jetzt verkünden Sie täglich den Höllensturz der US-Demokratie. Warum tun Sie das?
Ich bin überzeugt, dass ich in Videoclips etwas vermitteln kann, damit die Leute verstehen, was sich gerade abspielt. Mir folgen viele junge Mütter. Als ich ein kleines Kind hatte, konnte ich die Nachrichten nicht verfolgen, ich kam kaum durch den Tag. Wenn ich klare, prägnante Informationen liefere, die man schnell aufnehmen kann, ist das sicher hilfreich. Ich möchte, dass die Menschen verstehen, was auf sie zukommt, auch wenn sie zuerst vielleicht denken, es betrifft sie nicht. Wir müssen die ganz normalen Menschen dazu bringen, sich einzumischen. Wenn ich die Menschen stärker für das Geschehen sensibilisieren kann, ohne ihnen das Gefühl zu geben, dass es völlig hoffnungslos ist, dann wäre das mein Ziel.
Die Wurzel der Entwicklung ist die unglaubliche Vermögensungleichheit in unserem Land. Wir leben in einer Oligarch*innengesellschaft.
Wie steht es um Ihre eigene Sicherheit? Haben Sie keine Angst, irgendwann wie Kilmar Abrego Garcia behandelt zu werden?
Ich denke nicht, dass ich ganz oben auf der Liste stehe. Ich bin nicht so bekannt und habe nicht so viel Macht und Reichweite wie andere. Wenn es so weit ist, dass Journalist*innen, Reporter*innen, Menschen, die ihre Meinung äußern, verhaftet werden – ja, was dann? Ich habe keine kleinen Kinder mehr. Ich würde es als Privileg betrachten, hier zu bleiben und zu kämpfen. Ich kann nicht einfach aufgeben und im Voraus kapitulieren. Sie wollen, dass wir Angst haben. Deshalb drohen sie mit dem Insurrection Act, dem Kriegsrecht und dergleichen. Und manche Menschen sind wirklich gefährdet. Manche haben nicht die finanzielle Freiheit oder müssen sich um andere kümmern. Es ist wichtig, dass diejenigen von uns, die das Risiko eingehen können, es tun.
Welche der aktuellen Entwicklungen betrachten Sie als besonders gefährlich?
Die Wurzel des Ganzen ist die unglaubliche Vermögensungleichheit in unserem Land. Es hat eine solche Umverteilung nach oben gegeben. Diese Menschen haben sich während der Pandemie und jetzt in der Trump-Administration so viel Reichtum verschafft, dass es sehr schwer wird, ihre Macht zu brechen. Wir leben in einer Oligarch*innengesellschaft. Unternehmer*innen haben direkten Kontakt zu Trump. Sie haben für seine Amtseinführung gespendet, und jetzt werden die gegen sie laufenden Verfahren eingestellt, oder sie werden begnadigt.
Ein weiterer zentraler Punkt sind die Rechte der Frauen. Es geht nicht nur um Schwangerschaftsabbrüche. Es geht um die Gesundheitsversorgung von Frauen. Frauen sterben jetzt, weil Ärzt*innen ihnen nach einer Fehlgeburt aus Angst vor Repressalien lebensrettende medizinische Versorgung verweigern. Die Republikaner greifen auch die Transgender- und die LGBTQ-Community insgesamt an. Sie würden sie am liebsten verschwinden lassen. Und sie greifen unser Gesundheitssystem an, so dass die Menschen immer ärmer und kränker werden.
Was ist mit der rassistischen und rechtswidrigen Migrationspolitik, wie der willkürlichen Ausweisung von Menschen bis hin zur Abschiebung von US-Bürger*innen in andere Länder?
Damit sichern die Republikaner ihre Macht: Sie brauchen einen Feind. Patriarchat und weiße Vorherrschaft beruhen darauf, dass die »Anderen« ein Feindbild darstellen, von dem die Leute denken: »Mein Leben ist nur so schlecht, weil die hier sind.« Sie erkennen nicht, dass es die über ihnen sind, die Reichen, die ihr Leben schlecht machen. Es gibt auch in Trumps Regierung echte Nazis und weiße Rassist*innen, sie nutzen den Rassismus und die Angst vor Einwanderer*innen, um ihre Agenda durchzusetzen.
Viele, die für Trump gestimmt hatten, sind jetzt geschockt. Aber es werden wohl noch einige böse Erwachen nötig sein, ehe es zu Massenmobilisierungen gegen ihn kommt.
Reden wir über Project 2025, das Programm, das die extrem rechte Heritage Foundation im Vorfeld für Trumps zweite Amtszeit entworfen hat. Viele halten es für das Drehbuch dessen, was gerade passiert.
Project 2025 ist der eigentliche Motor des Trumpschen Theaters. Ich habe vor über einem Jahr die ganzen 900 Seiten durchgelesen. Der Kern von Project 2025 ist die Abschaffung des rechtmäßigen Verwaltungsstaates. Das erreicht man durch die Auflösung oder Streichung der Mittel aller Ministerien. Dabei kann eigentlich nur der Kongress entscheiden, ob ein Ministerium existiert oder nicht. Um das zu umgehen, hat Trump Russell Vought, einen der Autor*innen von Project 2025, an die Spitze des Office of Management and Budget (OMB) berufen. Er hält die Finanzen aller Ministerien in der Hand. Trump kann, technisch gesehen, das Bildungsministerium nicht abschaffen. Aber er kann jemanden mit der Leitung betrauen, der seine Agenda teilt, und dann können Russell Vought und das OMB dem Ministerium einfach alle Gelder entziehen. Dasselbe machen sie mit der Food and Drug Administration (FDA), der zentralen Lebens- und Arzneimittelbehörde. Sie machen es mit dem Gesundheitsministerium. Warum sollte man jemanden wie Robert F. Kennedy Jr. mit der Leitung betrauen, wenn man das Ministerium nicht zerstören will?
Der Widerstand dagegen scheint bisher, von außen betrachtet, überschaubar zu sein.
Wir hatten einige Proteste im ganzen Land. Vor ein paar Wochen war ich bei »Hands Off«. Dann kamen die Proteste am 1. Mai gegen die Massenentlassung von Bundesangestellten. Ein anderer interessanter Protest war der »Tesla-Takedown«. Das hatte Auswirkungen, die Tesla-Aktie ist gefallen, die Leute kaufen keine Teslas mehr. Es waren kleine, friedliche Proteste, unterhaltsame Veranstaltungen. Jetzt gibt es verstärkt Aufrufe zur Massenmobilisierung. Aber unser Land ist so groß, da sind landesweite Proteste schwierig.
Was muss passieren?
Wir sagen immer: »Wir stehen kurz vor einer Verfassungskrise« oder »Trump verhält sich wie ein Diktator, wir nähern uns dem Faschismus«. Ich denke, wir sind schon da: Wir stecken bereits tief in einer Verfassungskrise. Unser Land wird bereits von einem faschistischen Diktator regiert. Noch nicht in allen Bereichen, aber er arbeitet daran. Die Menschen müssen das erkennen. Und dann müssen sich die Dinge wohl noch weiter verschlechtern, bevor es zu massivem Widerstand kommt. Schauen Sie auf die Landwirt*innen. Viele von ihnen haben für Trump gestimmt. Sie hissten riesige Trumpfahnen. Als er dann USAID, die US-Entwicklungshilfebehörde, liquidierte, verloren viele von ihnen ihre Verträge. Nun laufen ihre Farmen Gefahr, von großen Konzernen aufgekauft zu werden. Wenn man jetzt durchs Land fährt, sieht man dieselben Trump-Flaggen umgedreht und auf Halbmast. Ähnlich bei den Bundesbediensteten und Beamt*innen. Viele, die für Trump gestimmt hatten, äußern sich jetzt in Interviews in lokalen Fernsehsendern überall im Land geschockt darüber, dass er ihre Jobs gestrichen hat. Aber es werden wohl noch einige böse Erwachen mehr nötig sein, ehe es zu Massenmobilisierungen für eine Amtsenthebung kommt. Ich fürchte, es muss noch sehr viel schlimmer werden, bevor sich etwas ändert.