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Geschrumpfter Hinterhof

Durch den Putsch in Niger verliert die Bundesrepublik an Einfluss in Westafrika

Von Johannes Tesfai

Zwei Personen in Anzug und Krawatte zeigen eine Art Geste der Begrüßung, in dem sie die Ellenbogen aneinander stoßen. Sie lächeln in die Kamera. Dahinter Sessel, eine blaue Wand und Fahnen.
War im Westen ein gerngesehener Gast, der nun weggeputschte Präsident von Niger, Mohamed Bazoum (links), auf Staatsbesuch 2021 im Vereinigten Königreich. Foto: UK Goverment/Flickr, CC BY 2.0

Die deutsche Presselandschaft ist aufgeschreckt. Andreas Kynast, Hauptstadtkorrespondent des ZDF, sagte in den heute-Nachrichten, Deutschland hätte nicht nur »sehr viel Hoffnung, sondern auch sehr viel Geld investiert.« Immer wieder sprachen die deutsche Außenpolitik und die bürgerliche Presse vom Hoffnungsträger Niger. Doch der Putsch brachte keinen Musterstaat zu Fall. Die weitgehende Akzeptanz in der Bevölkerung für den Staatsstreich rührt auch von der davor schon herrschenden Armut und den wenig demokratischen Verhältnissen. Diese Zustände gingen aber im deutschen Partnerschaftsgerede unter.

Doch woher kommen die Krokodilstränen der Regierungssprecher*innen und Leitartikler*innen? Niger und sein weggeputschter Präsident, Mohamed Bazoum, standen für eine Partnerschaft mit Europa und den USA, die so typisch für das postkoloniale Afrika ist. Nachdem andere Staaten in der Region wie Burkina Faso oder Mali ihre Verbindungen gegenüber dem Westen nach jeweils einem Putsch weitestgehend gekappt hatten, war Niger die erste Adresse für eine gemeinsame Politik.

Mit dieser Mischung aus repressiver Migrations- und Militärpolitik schloss der Westen Bazoum in sein Herz.

Die deutsche Regierung suchte vor allem Gemeinsamkeiten in der Militärpolitik. Die Bundeswehr bildete nigrische Soldat*innen aus. Die Abwicklung des militärischen Abenteuers in Mali organisieren die deutschen Streitkräfte nun auch über Niger. Ihr Engagement in Mali wurde auch durch einen Putsch beendet.

Hauptstadtkorrespondent Kynast bezeichnete den Putsch als »riesengroße Katastrophe«. Aber nicht, weil ein Coup für die Bevölkerung von Niger eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten kann. Vielmehr liege »die gesamte Sahelstrategie der Bundesregierung in Trümmern.« Diese Strategie war aber nicht nur militärisch. Die deutsche Außenpolitik brauchte Niger auch zur Abwehr von Migration. Im Tausch für etwas Geld des Bundesministeriums für Entwicklung hielt Bazoums Regierung die Hauptroute für Geflüchtete zum Nachbarland Libyen geschlossen.

Mit dieser Mischung aus repressiver Migrations- und Militärpolitik schloss der Westen Bazoum in sein Herz. Die FAZ konnte sogar berichten, dass der Präsident in seinem Auftreten sehr westlich sei, er »trägt Geschäftsanzüge mit weißem Hemd und Krawatte, statt traditionelle afrikanische Gewänder oder Uniformen«. Der Verlust des Adoptivkindes aus der westlichen Staatenfamilie wiegt mit der Angst vor einer expansiven Außenpolitik Russlands noch schwerer. Mitglieder der Söldnertruppe Wagner sollen sich schon mit den Militärs der neuen Putschregierung getroffen haben. Jedoch ist fraglich, ob Russland überhaupt die Kapazitäten hat, sich in der Sahelzone zu engagieren.

Mit Niger sieht die deutsche Außenpolitik gerade eines ihrer Felle davonschwimmen. Der russische Angriffskrieg hat die Hinterhöfe des Globalen Nordens kleiner gemacht. Deutschland sucht weiter nach Türsteher*innen in seiner Migrationspolitik und Parkplätze für sein Kriegsgerät.

Johannes Tesfai

ist Redakteur bei ak.

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