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|ak 702 | Umwelt

Habecks Deckmantel für fossiles Weiter so

Mit Kraftwerks- und Carbon-Management-Strategie stößt der grüne Wirtschaftsminister umstrittene Vorhaben an

Von Guido Speckmann

CC was? Die Beschäftigung mit Klimapolitik ist ein Hantieren mit Abkürzungen. CCS – Carbon Capture und Storage, zu deutsch Kohlenstoffabscheidung und Lagerung meint Folgendes: Das klimaschädliche Kohlendioxid wird bei industriellen Prozessen, z.B. in Stahl- oder Zementwerken, abgetrennt und vor Ort oder per Pipeline woanders in den Untergrund verpresst. Vorteil: So gelangt es nicht in die Atmosphäre und treibt den Klimawandel nicht weiter an. 

In Deutschland ist CCS seit 2012 nur zu Forschungszwecken erlaubt. In den Jahren zuvor hatte es vor allem in Schleswig-Holstein Proteste gegen Bestrebungen der Bundesregierung gegeben, CCS großflächig zuzulassen. Diese wurden auch von Robert Habeck unterstützt.

Das ist lange her. Jetzt ist der ehemalige grüne Landespolitiker Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und hat Ende Februar eine sogenannte Carbon-Management-Strategie vorgestellt. Wichtigster Punkt: CCS soll nicht an Land, sondern im Meeresboden verpresst werden. Das hat aus Sicht der Bundesregierung den Vorteil, dass Proteste gegen CCS-Projekte geringer ausfallen dürften. Denn im Meer gibt es keine Anwohner*innen, die ein Austreten (Leckagen) des Klimagases befürchten, das auch das Grundwasser verunreinigen kann und in hohen Dosen gesundheitsschädlich ist.

Auf der COP28 im Dezember kritisierte die Bundesregierung die Arabischen Emirate für das, was sie jetzt selbst zulassen will: CCS zu fördern, um weiter Geschäfte mit der Ölverbrennung zu machen.

Zwar betont Habeck, die Technik sei sicher. Aber das ist Wunschdenken – wie fast alles bei CCS. Die Hoffnungen, die in sie gesetzt werden, gleichen dem Glauben an Zaubermaschinen, sie sind ein ungedeckter Kredit auf die Zukunft. Denn die Bilanz von CCS ist verheerend. Erfunden wurde sie schon vor Jahrzehnten. In den 1950er Jahren entwickelte ausgerechnet die Ölindustrie ein Verfahren, um an schwer zugängliche Ölvorkommen zu gelangen: CO2 wurde unter Druck in Ölreservoirs gepumpt werden, um an Reste aus versiegenden Ölfeldern zu kommen. (ak 694) Noch heute wird mehr als 70 Prozent des abgeschiedenen CO2 zur Förderung von mehr Öl verwendet, das dann wiederum bei der Verbrennung CO2 freisetzt.

Hinzu kommt, dass die CCS-Infrastruktur – Pipelines, Anlagen zur Verpressung und Einlagerung – sehr energieaufwendig ist. Unterm Strich, so die Befürchtung von Kritiker*innen, wird so mehr CO2 freigesetzt, als eingelagert wird. Und es ist keineswegs sicher, dass es in den Gesteinsschichten oder im Meeresboden dauerhaft gespeichert werden kann. Desaströs auch der jetzige Stand der Kapazitäten. 2022 waren 41 CCS-Anlagen in Betrieb, die 49 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einfingen. Absoluter Kleckerkram angesichts eines globalen CO2-Ausstoßes von rund 40 Gigatonnen.

Und es bleibt bei Kleckerkram, wenn die bis 2030 geplanten CCS-Projekte in Betrieb genommen werden. Dann wären es 0,25 Gigatonnen des globalen Ausstoßes von 2022. Und ob die geplanten Projekte tatsächlich realisiert werden, steht in den Sternen. Denn die CCS-Geschichte ist auch eine Geschichte von Pleiten und Pannen. Viele wurden vorzeitig wieder eingestellt. 

Habecks Ministerium hat fast parallel zur Carbon-Management-Strategie eine Kraftwerksstrategie vorgestellt und diese will das umstrittene CCS bei neuen Gaskraftwerken zulassen. Damit, so die berechtigte Kritik von Umweltverbänden, werde es der Gasindustrie ermöglicht, ihr fossiles Geschäftsmodell bis auf Weiteres fortzuführen. Nimmt man die Überkapazitäten beim Flüssigerdgas hinzu, kommt man nicht umhin, dass ausgerechnet ein grüner Minister den Klimaschutz abräumt und der Fossilindustrie einen Persilschein ausstellt.

Bemerkenswert ist auch, wie schnell Habeck seine Position ändern kann. Auf der COP28 im Dezember hatten die Minister*innen der Bundesregierung die Arabischen Emirate genau dafür kritisiert: CCS zu fördern, um weiter Geschäfte mit der Ölverbrennung zu machen. Jetzt wollen sie genau das tun. Das kann man auch als Akt der Verzweiflung interpretieren. Je weiter die Klimaschutzziele in die Ferne rücken, desto mehr wird über Wundertechniken wie CCS geredet und desto mehr werden sie gefördert. Je mehr aber auf sie gesetzt wird, desto mehr gerät das eigentlich Notwendige in den Hintergrund: die Reduktion des CO2-Ausstoßes – allem Gerede von den sogenannten unvermeidbaren Restemissionen zum Trotz. 

Guido Speckmann

ist Redakteur bei ak.