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|ak 692 | Alltag |Kolumne: Jawoll, euer Ehren

Power to the nicht-humanen Rechtspersonen

Von Moritz Assall

Eine Ziege macht ein komisches Gesicht in die Kamera
Auch diese Ziege hätte Bock auf Rechtsstreit. Foto: Kerstin / Flickr, CC BY-ND 2.0

Die Hamburger Rechtsanwältin für Klima- und Umweltrecht Michaela Krömer schrieb vorletztes Jahr im Standard: »Rechte verleihen Macht. Diesbezüglich kennt unser Rechtssystem zwei Kategorien: Rechtssubjekte und Rechtsobjekte. Das bedeutet, dass man entweder selbst Träger von Rechten und Pflichten ist oder eben – als Objekt – diesem Subjekt unterliegt. Rechtsobjekte sind beherrschbar und vom Wohlwollen der Rechtssubjekte abhängig, umgekehrt hingegen nicht.« Das stimmt – und so überrascht es nicht, dass soziale Kämpfe um gesellschaftliche Anerkennung meist nicht nur Kämpfe um eigene Rechte waren. Sondern oft Kämpfe darum, überhaupt eigene Rechte zu haben, also als Rechtssubjekt anerkannt zu werden.

Dabei wird vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe in letzter Zeit mit neuem Verve die Auseinandersetzung darüber geführt, inwiefern eigentlich auch Tiere oder Ökosysteme Rechtssubjekte sein können, auch Michaela Krömer macht sich dafür stark. Zumindest was Tiere angeht, ist diese Frage nicht ganz neu. Schon vor über hundert Jahren schrieb der sozialistische Rechtsphilosoph Leonard Nelson, es sei »der untrüglichste Maßstab für die Rechtlichkeit des Geistes einer Gesellschaft, wie weit sie die Rechte der Tiere anerkennt.« Und es stimmt ja: Wenn Tiere keine eigenen Rechtspersonen sind, ist es, wie Nelson weiter schreibt, »allein der Gerechtigkeit der Menschen überlassen, wie weit diese von sich aus die Rechte der Tiere achten wollen«.

Die meisten Urteile zu dieser Frage betreffen tatsächlich Tiere, aber nicht alle. Letztes Jahr entschied ein Gericht im Bundesstaat New York, dass der New Yorker Zooelefant Happy zwar ein hoch entwickeltes Lebewesen, aber keine Person im Rechtssinne sei und darum nicht aus dem Zoo befreit werden müsse – auch mit dem Hinweis, eine Anerkennung des Tieres als Rechtssubjekt hätte »eine enorme destabilisierende Wirkung auf die moderne Gesellschaft«. Großes Aufsehen erregte auch der urheberrechtliche Fall des Schopfmakaken Naruto gegen den Fotografen David Slater. Slater, nach eigener Aussage der wahrscheinlich »erste Mensch in der Geschichte, der von einem wilden Tier verklagt wird«, hatte Selfies von Naruto vermarktet und wurde verklagt, weil dem Affen als Fotografen die Bildrechte zustehen sollten. Die Klage wurde allerdings abgelehnt, denn Tieren können laut Gericht keine Urheber*innenrechte innehaben. In Argentinien wiederum entschied ein Gericht 2016, dass die Schimpansin Cecilia eine »nicht-humane Rechtsperson« sei. Dazu kommen zunehmend »nicht-humane-nicht-tierische« Rechtspersonen: die Pachamama in der Ecuador, der Atrato-Fluss in Kolumbien, die Gletscher Gangotri und Yamunotri im Himalaya oder der Turag-Fluss in Bangladesch etwa sind rechtlich als Rechtspersonen anerkannt. Und in Orange County, Florida, wurde im Namen mehrerer Gewässer Klage gegen ein Bauvorhaben eingereicht.

Auch in Deutschland gab es schon mal ein ähnliches Verfahren, die Klage »Seehunde gegen Bundesrepublik Deutschland« von 1988. Damals war es in der Nordsee zu einem Robbensterben gekommen, weil Giftmüll im Meer verklappt wurde. Das Problem: Weil in den vergifteten Gebieten keine Menschen lebten, gab es keine klagebefugten Personen. Das führte dazu, dass mehrere Umweltschutzorganisationen »im Namen der Robben« Klage erhoben – versehen mit dem Hinweis der Anwält*innen, auf die eigentlich erforderliche schriftliche Vollmacht der Kläger*innen müsse im vorliegenden Fall aus naheliegenden »Schwierigkeiten« verzichtet werden. Das war dem Gericht aber nicht geheuer, es urteilte, der »Schutz des Tieres als eines Mitgeschöpfes [sei] nur als sittliche Pflicht des Menschen, nicht aber als Recht dieses Geschöpfes selbst ausgeformt«. Und weiter: »Das Tier ist danach unverändert Sache im Sinne des Bürgerlichen und des Verwaltungsrechts, es ist nicht irgendwie zur Rechtspersönlichkeit erhoben.« Unter den Roben also kein Herz für die Robben, zumindest nicht als Rechtssubjekte. Wie die Klage wohl heutzutage entschieden würde? Wahrscheinlich ähnlich. Wobei der Gedanke an einen juristischen Sieg der »Seehunde gegen Bundesrepublik Deutschland« irgendwie doch schön ist. Anzeige ist raus, liebe Menschheit.

Moritz Assall

ist Jurist und Kriminalsoziologe. Er arbeitet für die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.