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|ak 681 | Alltag |Reihe: Komm bitte!

Komm bitte, Wut

Von Kuku Schrapnell

Meh. Foto: Pixnio.

Eigentlich soll es in dieser Kolumne ja nur um Süßes, Schönes und ab und zu ein bisschen um Sex gehen. Dieses Mal geht es aber um Wut.

Anders als wütende Texte sind solche, die sich an die Wut richten, eher selten. Keine Sorge, das wird keine Hymne auf übersteuerte Teenies, die Löcher in ihre Türen schlagen oder cholerische Männer, die, naja, Löcher in ihre Türen schlagen. Es ist kein Text zum Aufregen, sondern ein Aufruf, mutiger wütend zu werden.

Wo wir grade bei Texten zum Aufregen sind: Neulich erzählte mir eine Freundin beim Sekt, dass ihr Ex-Freund, nachdem er sie verlassen hatte, zuletzt noch eine Nachricht hinterherschickte, in der er schrieb, dass er sie natürlich bewundere für ihre Stärke, mit der Trennung umzugehen und Frauenpower und so, aber dass es jetzt auch schon doch schwierig für ihn sei, sie zu supporten, weil er das Gefühl habe, in ihren Texten und Artikeln gehe es jetzt häufiger auch um ihn, und er wäre davon verletzt. Woraufhin meine Freundin zurückschrieb: Gute Besserung.

Neben der Schlagfertigkeit ist das Schöne an dieser Anekdote die Wut, die in ihr zum Ausdruck kommt. Denn anders, als gemeinhin angenommen, ist Wut keine Todsünde oder destruktive Emotion, die die Harmonie stört oder die Beziehung stört oder ganz allgemein einfach nur stört. Wut macht uns unsere eigenen Grenzen deutlich und hilft, sie zu verteidigen. Wut sagt uns, wo Schluss ist.

Das ist aber nicht nur auf das vermeintlich Private und den ganzen Beziehungsschmu beschränkt. Auch soziale Bewegungen speisen sich immer wieder aus Wut. Sei es nach dem Mord an George Floyd, als Wut aus Black Lives Matter eine globale Bewegung machte. Sei es der Arabische Frühling oder die Haitianische Revolution – in den seltensten Fällen motiviert sich der Wunsch nach einer anderen, besseren Gesellschaft durch Harmoniesucht und innere Akzeptanz.

Trotz dieser Erfolge hat Wut, auch unter Linken, nicht den besten Ruf. Während in New York 1969 die Stonewall Riots tobten und die Ära der Gay und Queer Liberation einläuteten, saß in Deutschland ein gewisser Philosophie-Professor im Radio und sagte: »Wer denkt, ist bei aller Kritik nicht wütend«.

Und ich verstehe das. Wie schön wäre es, wenn sich denkend die Welt verändern ließe, vielleicht könnte das sogar ein Computer für uns übernehmen, und wir legen alle schön die Füße hoch. Zum Glück ist besagter Professor Adorno dann aber doch weniger Menschen bekannt, als man glauben könnte. Und so stehen die Chancen gut, dass wir auch weiterhin lieber etwas unternehmen, als nur über die Schrecklichkeit der Welt nachzudenken.

Ja, gut, Nachdenken schadet jetzt auch nicht direkt. So viel muss man Adorno schon lassen. Es ist sogar an vielen Stellen ganz praktisch, nochmal nachzudenken, bevor man zum Beispiel ein Loch in die Tür haut (also, jetzt auch im metaphorischen Sinne gesprochen) – selbst, wenn sich die Wut auch nach dem Nachdenken noch als Best Practice herausstellt. Man kann die Tür auch nach ausgiebiger Kontemplation noch einhauen.

Andersherum wird vor allem denen, die es gewohnt sind, am kürzeren Hebel zu sitzen, oft erst mit ein bisschen Abstand und Reflexion so richtig klar, was sich dieses Arschloch von Ex-Freund oder eben die Gesellschaft da eigentlich erlaubt hat. Mit jedem Gedanken steigt die Wut, die sagt, dass es so jetzt nicht mehr weitergeht. Und mit diesem Gedanken geht‘s erst richtig los. Jetzt bin ich keine Philosophie-Professorin, aber trotzdem dürft ihr mich gerne zitieren: »Wer nicht wütend ist, denkt nicht!«

Kuku Schrapnell

ist neben ihrem neuen Job als schwule Sex-Kommunistin auch Trans-Aktivistin, gut aussehend und Wahl-Ostdeutsche.