analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 703 | Lesen |Rezensionen: aufgeblättert

Anarchist Academy

Aufgeblättert: »Anarchistische Gesellschaftsentwürfe« herausgegeben von Thomas Stölner, Uwe H. Bittlingmayer und Gözde Okcu

Von Torsten Bewernitz

Nach dem Erfolg von David Graebers »Schulden« im Zuge von Weltwirtschaftskrise und Occupy 2011 beschworen selbst bürgerliche Medien eine Renaissance des Anarchismus. Mainstream ist der Anarchismus zwar noch nicht geworden, aber die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat durchaus zugenommen.

Sichtbar eben auch am vorliegenden Band, der aus einer Hochschultagung 2021 hervorgegangen ist. Neben üblichen Verdächtigen wie Graswurzelrevolution-Redakteur Bernd Drücke oder Anarchismusforschern wie Daniel Loick und Peter Seyferth, und internationalen Bekanntheiten wie John Holloway und Noam Chomsky finden sich auch eher selten im Anarchismus-Diskurs gehörte Stimmen wie Reinhart Kößler, Ilse Lenz oder auch Stefan Meretz und Simon Sutterlütti.

Der entsprechende erste Teil des Buches, der ökonomische Konzeptionen debattiert, ist die große Stärke des Bandes. Ökonomie war ja immer ein wenig die Achillesferse des Anarchismus, hier schließt das Buch eine Lücke: Die zahlreichen Übersetzungen zeigen, dass eine entsprechende Debatte auf dem nordamerikanischen Kontinent deutlich intensiver geführt wird.

Der zweite Teil des Buches fokussiert Organisation – einschließlich, das war Kern der Tagung, des Nationalstaats –, der dritte Teil Demokratisierungsfragen. Highlight ist dabei die feministische Intervention Ilse Lenz‘.

Thomas Stölner, Uwe H. Bittlingmayer, Gözde Okcu (Hg.): Anarchistische Gesellschaftsentwürfe. Zwischen partizipatorischer Wirtschaft, herrschaftsfreier Vergesellschaftung und kollektiver Entscheidungsfindung. Unrast Verlag, Münster 2023. 468 Seiten, 24,80 EUR.