analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 687 | Soziale Kämpfe

Was tun, wenn die Nebenkosten explodieren?

Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man sich erfolgreich mit den Nachbar*innen gegen hohe Heiz- und Betriebskosten organisiert

Von Tashy Endres und Georgios Thodos

Drei Menschen auf einer Demonstration. Mehrere von ihnen halten Schilder hoch. Aufschrift: "Kira Indirimi! / Mietsenkung". Auf einem Briefumschlag steht: Mietminderungen an die GSW
Lärmdemo der Mieter*innen-Initative Kotti & Co zur Übergabe von Mängelanzeigen 2015 in Berlin. Foto: Kotti & Co

Inflation und steigende Gas- und Strompreise lassen die sogenannte »zweite Miete« explodieren: die Betriebs- und Heizkosten. Vermieter*innen verschicken in diesen Tagen reihenweise Erhöhungen der Vorauszahlungen zwischen 100 und 300 Prozent. Viele Menschen wissen nicht, wie sie die Energierechnungen bezahlen sollen, und fürchten, im Winter zu frieren oder an anderen Grundbedürfnissen sparen zu müssen. Dagegen kann man sich als Mieter*innen organisieren. Hier erklären wir, wie das geht.

Wenn Mieter*innen die Betriebskosten nicht zahlen können, laufen sie Gefahr, ihre Wohnung zu verlieren. Denn Betriebskosten gehören zur Miete, und Mietschulden ab der Höhe einer Monatsmiete sind ein legaler Vorwand zur Kündigung. Bei den bisher aufgelegten Krisenprogrammen wie der Erhöhung des Wohngeldes ist schon jetzt abzusehen, dass sie die Mehrkosten nicht annähernd decken werden. Weitergehende Schritte wie ein Kündigungsschutz bei Betriebskostenschulden oder ein Räumungsmoratorium für den Winter werden diskutiert, aber die Erfahrung mit den Corona-Stundungen zeigt, dass für viele Menschen die Schulden ein unlösbares Problem sind, auch wenn sie etwas später gezahlt werden müssen. Dazu kommt, dass die Betriebskostenabrechnungen vieler Vermieter*innen bei näherem Hinsehen viele Fragezeichen aufwerfen. (siehe Kasten)

Betriebskosten: Was dürfen Vermieter*innen?

Rechtlich dürfen Vermieter*innen keinen Cent an den Betriebskosten verdienen. Sie sind verpflichtet, die notwendigen Leistungen wie Wärmeversorgung, Müllabfuhr oder Gebäudereinigung günstig bzw. zu durchschnittlichen Preisen einzukaufen und die Kosten transparent auf alle Mieter*innen umzulegen. In der Realität finden Vermieter*innen manchmal andere Wege: Der Vonovia-Konzern etwa, Deutschlands größter privater Vermieter, hat zahlreiche Tochterunternehmen gegründet, die Betriebskosten-relevante Dienstleistungen erbringen – und Millionengewinne machen. Im Jahr 2020 machte der Konzern laut Geschäftsbericht mehr als 145 Millionen Euro Gewinn aus »konzernintern vergebenen Leistungen«. Ein Teil dieses Gewinns entfällt auf Dienstleistungen, die den Mieter*innen als Betriebskosten abgerechnet werden. Außerdem sind die Abrechnungen der Vermieter*innen oft nicht nachvollziehbar, oder unzulässige Kosten werden auf die Mieter*innen umgelegt. Der MieterInnenverein Witten schreibt: »Dem MieterInnenverein ist seit Jahren keine Nebenkostenabrechnung (…) der Vonovia bekannt, die vollständig belegt wäre.«

Es gibt aktuell wieder linksgerichtete Sozialproteste in Form von Demos und medienorientierte Kampagnen wie Genug ist Genug, die sich an die Bundesregierung wenden, um eine gerechtere Verteilung der Kosten dieser Krise zu erwirken. Unserer Erfahrung nach braucht es jedoch ergänzend zu solchen Protesten auch die Selbstorganisierung von Mieter*innen, die in der Nachbarschaft, von Wohnungstür zu Wohnungstür und auf Versammlungen in Hausfluren oder Vereinslokalen stattfindet. Ein Ziel dabei ist, konkrete Erfolge zu erzielen, in diesem Fall: durch Überprüfung der Betriebskosten mehr Zeit zu gewinnen, bis die Zahlungen fällig werden, und sie zu reduzieren, wenn sie unzulässig in Rechnung gestellt wurden. Eine Art solidarische Selbstverteidigung der Nachbarschaft. Ein zweites Ziel ist es, Gruppen und Strukturen aufzubauen, um gemeinsam auch anderen Herausforderungen begegnen zu können. Denn wenn wir uns als Nachbar*innen besser kennen, können wir uns auch bei anderen Problemen mit Vermieter*innen, dem Jobcenter oder oder oder unterstützen und das Leben in der Nachbarschaft schöner machen.

Durch nachbarschaftliche Organisierung erreichen wir außerdem Mieter*innen, die bei politischen Kampagnen oft außen vor bleiben. Das gemeinsame Nachdenken und Handeln mit Nachbar*innen kann auch den diskursorientierten Kampagnen für soziale Gerechtigkeit mehr Zuspruch verschaffen, der über reine Medienarbeit nicht herstellbar ist. Es öffnet Räume für politisches Handeln von Menschen, die sonst in den Medien selten gehört werden. Außerdem kann durch dieses Vorgehen Druck nicht nur auf politische Entscheidungsträger*innen aufgebaut werden, die Konzerne mit ihren Milliardengewinnen an den Kosten der Krise zu beteiligen, sondern auch auf die Unternehmen selbst.

Wie kann die Organisierung gelingen?

Aber wie kann Organisierung gelingen mit einem so drängenden und gleichzeitig so bürokratischen Thema wie Betriebskosten? Als praktische Inspiration möchten wir unsere Erfahrungen mit einer solchen organisierenden Nachbarschaftskampagne zu Betriebskosten teilen. Wir haben die Kampagne 2014–15 ins Leben gerufen, als wir bei der Mieter*innengemeinschaft Kotti & Co in Berlin-Kreuzberg aktiv waren.

Kotti & Co wurde 2011 von Sozialmieter*innen am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg gegründet, in einem der ärmsten und am stärksten durch Migrationsgeschichte geprägten Viertel Berlins. Wegen der steigenden Sozialmieten, die zur Verdrängung der alteingesessenen Mieter*innen führte – viele von ihnen mit türkischen Wurzeln und langer Erfahrung mit rassistischer Wohnungspolitik –, wurde ein Dauerprotest zur Senkung der Mieten und zur Rekommunalisierung der Häuser ins Leben gerufen. Ein selbst gebautes Protesthaus, das Gecekondu, wurde zum Treffpunkt der Nachbar*innen mit unzähligen Veranstaltungen, Demos, Tee und kostenloser offener Sozial- und Mietrechtsberatung.

Es lohnt sich, die anfängliche Scheu zu überwinden und bei den Nachbar*innen zu klingeln!

Die Betriebskosten waren eine große Belastung, da sie am Kottbusser Tor mit 4 bis 5,5 Euro pro Quadratmeter doppelt so hoch waren wie im Berliner Durchschnitt (2,56 Euro pro Quadratmeter). Deswegen haben wir eine Kampagne zur Senkung der Betriebskosten gestartet. Dafür wollten wir mit so vielen Nachbar*innen wie möglich aus den knapp 1.000 Sozialwohnungen des Konzerns Deutsche Wohnen am Kotti zusammenarbeiten.

Ein unmittelbares Ziel war, dass möglichst viele Nachbar*innen Widerspruch gegen die Betriebskostenabrechnung erheben und dadurch Geld zurückerhalten und die Vermieter*innen unter Druck setzen. Das mittelfristige Ziel war die Senkung der Betriebskosten in den Folgejahren. Auf einer zweiten Ebene ging es darum, eine breitere Struktur aufzubauen, in der wir Nachbar*innen uns gegenseitig kennenlernen, unterstützen und kollektiv handeln können. Langfristig sollte unser »Ungemütlichsein« helfen, bei der Deutsche Wohnen den Verkaufswillen für die Häuser am Kottbusser Tor zu steigern und somit unserem Ziel der Rekommunalisierung einen Schritt näher zu kommen.

Wie sind wir vorgegangen?

Im ersten Schritt gingen wir in Zweiergruppen von Wohnungstür zu Wohnungstür, immer mit einer Nachbar*in, die in dem Haus wohnte und die Nachbar*innen zumindest vom Sehen schon kannte, und mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen im Team. Das erleichterte es, Vertrauen aufzubauen. In den Gesprächen fragten wir, was die Betriebskostennachzahlungen für unsere Nachbar*innen bedeuteten, und luden sie zu Haus- und Nachbarschaftsversammlungen zum Thema ein. Das Interesse war riesig, insbesondere wenn die Abrechnungen gerade erst zugestellt worden waren.

Es ist also wichtig, vorab durch Gespräche mit Nachbar*innen herauszufinden, wann in welchen Häusern die Briefe zugestellt werden, und dann anschließend bei allen Nachbar*innen zu klingeln. Wir hatten auch mit Aushängen und Flyern in den Briefkästen zu Versammlungen eingeladen, doch meist hat es ein kurzes persönliches Gespräch gebraucht, damit die Nachbar*innen gekommen sind. Durch die so aufgebauten persönlichen Beziehungen konnten wir Telefonnummern erfragen, was die spätere Kommunikation enorm vereinfachte. Es lohnt sich also, die anfängliche Scheu zu überwinden und bei den Nachbar*innen zu klingeln!

Doch wie werden viele einzelne Mieter*innen zu einer Gruppe? Die meisten Hausversammlungen, bei denen Rechtsanwält*innen anwesend sind, laufen so ab, dass die Anwält*innen lange Vorträge über Betriebskosten halten oder Leute einzeln beraten und die Leute anschließend einzeln nach Hause gehen. Wenn man nur juristisch vorgeht, werden wir alle zu mietrechtlichen Einzelfällen. Die Kunst ist also, ein Treffen nach einer »organisierenden Logik« zu moderieren.

Die Vereinzelung im Mietrecht überwinden

Es ist sehr wichtig, bei Betriebskosten eng mit Rechtsanwält*innen zusammenzuarbeiten, um juristische Risiken zu vermeiden und den Nachbar*innen durch juristische Expertise ein gutes Sicherheitsgefühl zu geben. Aber für eine erfolgreiche organisierende Kampagne müssen Rechtsanwält*innen etwas von der ihnen vertrauten Rolle, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, ablegen. Sonst verhindern sie ungewollt den Gruppenaufbau.

Wir haben daher die Versammlungen immer in drei Phasen moderiert: 1. Emotion: Alle Nachbar*innen wurden eingeladen, sich vorzustellen und zu erzählen, wie es ihnen mit der Situation geht und was sie gern tun möchten. 2. Hoffnung: Wir haben gemeinsam mit der Anwältin in einfachen Worten erklärt, was Betriebskosten sind, den Plan vorgestellt, wie wir gegen die hohen Kosten handeln können, und ihn mit den Vorschlägen der Nachbar*innen ergänzt. 3. Aktion: Wir haben verbindliche Verabredungen getroffen und sind schon während des Treffens erste Schritte gegangen: Gemeinsam haben wir mit Hilfe von Musterbriefen, die wir mit der Anwältin vorformuliert hatten, massenhaft »Belegeinsicht« in alle Dokumente gefordert, die der Betriebskostenabrechnung zugrunde liegen. Mieter*innen gewinnen damit Zeit: Wenn man eine Nachzahlungsforderung erhält und innerhalb von vier Wochen Belegeinsicht fordert, muss man die Nachzahlungen erst vier Wochen nach der vollständigen Belegeinsicht bezahlen (Zurückbehaltungsrecht). Dieser Termin kann manchmal mehrere Monate auf sich warten lassen. Und auch dann muss man nur für die Posten zahlen, die vollständig belegt und korrekt berechnet sind. (siehe Kasten)

Wichtig ist, nach einer organisierenden Logik vorzugehen. Wenn man nur juristisch handelt, werden wir alle zu mietrechtlichen Einzelfällen.

Auf den Treffen lernen wir uns als Nachbar*innen kennen, übernehmen Aufgaben, werden Teil einer Gruppe und können uns gegenseitig unterstützen, etwa mit Informationen darüber, wo man Hilfen und Zuschüsse für die Energierechnung erhalten kann, oder uns beim Wohngeldantrag helfen oder zum Jobcenter begleiten. Außerdem können wir auf dem Treffen über die Ursachen unserer Probleme sprechen und weitergehende Forderungen und Aktionen entwickeln. Auch die Übergabe der Schreiben an die Vermieter*innen kann zum kollektiven Moment werden: Bei einer anderen Nachbarschaftskampagne zu den gravierenden Mängeln in den Gebäuden haben wir Hunderte Mietminderungsbriefe (die vorher alle juristisch korrekt einzeln beraten und dokumentiert waren) als Demo mit mehreren Hundert Leuten zum Firmenhauptsitz gebracht.

Gemeinsame Aktionen können auch den Gruppenzusammenhalt stärken in der Zeit, in der man auf die Terminvorschläge der Vermieter*innen für die Belegeinsicht wartet. Die Deutsche Wohnen hat sich oft Monate Zeit damit gelassen.

Die Kleinarbeit: Prüfung der Betriebskosten

Als es dann so weit war, haben wir in einem dritten Schritt mit mehreren Nachbar*innen gemeinsam bei der Hausverwaltung die Betriebskostenbelege eingesehen und fotografiert. Die Vermieter*innen müssen für jeden einzelnen Posten drei Dinge vorlegen: Vertrag, Rechnungen, Zahlungsbelege. Bei den Heizkosten kommen auch noch die Verbrauchsnachweise dazu. Oft können Vermieter*innen das nicht vorlegen. (1)

Die Belege für alle Posten zu prüfen, hat viel Zeit gekostet und war für manche Nachbar*innen frustrierend, weil es sehr kleinteilig und bürokratisch ist und viele Vorkenntnisse erfordert. Daher empfehlen wir, sich für diese Arbeit professionelle Unterstützung zu holen: sie entweder gemeinsam mit eine*r Anwält*in zu machen oder Angebote von Mietrechtsberatungen von Mieter*innenvereinen, AWO etc. in Anspruch zu nehmen, die das für Mitglieder machen.

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch, über einem Stapel Papiere und einem taschenrechner, im Hintergrund ein weiterer Tisch, an dem Menschen sitzen; eine ältere Frau kommt durch die Tür in den Raum.
Mietrechtsberatung im Gecekondu, dem selbst errichteten Protesthaus am Kottbusser Tor. Foto: Tashy Endres

Es reicht, sich auf ausgewählte Punkte zu konzentrieren: 1. Sind die Kosten »zulässig«? Nur Posten, die im Mietvertrag als Betriebskosten vereinbart wurden und der Betriebskostenverordnung entsprechen, dürfen auf die Mieter*innen umgelegt werden. 2. Sind die Belege vollständig? Also: Liegen zu allen Posten die Verträge, Rechnungen, Zahlungsbelege und bei manchen Posten wie Heizung auch die Verbrauchsnachweise vor? 3. Sind die Kosten in sich schlüssig und transparent dargelegt? 4. Haben die Vermieter*innen wirtschaftlich, also günstig genug, gehandelt? Dabei reicht es meist, sich auf Posten zu konzentrieren, die im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen oder im Vergleich zum örtlichen Betriebskostenspiegel sehr teuer sind.

In jedem Fall sollte ein*e Anwält*in den begründeten Widerspruch zur Betriebskostenabrechnung verfassen. Daraus haben wir einen Widerspruch-Musterbrief gemacht, den alle Mieter*innen der gleichen Wirtschaftseinheit unterzeichnen können. (Große Vermieter*innen legen oft die Kosten für mehrere angrenzende Häuser in einer Wirtschaftseinheit zusammen.) Dafür kann man am besten eine Versammlung pro Wirtschaftseinheit einberufen. Die Nachzahlungen für die Posten, die vollständig und korrekt belegt wurden, müssen spätestens jetzt getätigt werden. Sonst laufen Mieter*innen Gefahr, in Zahlungsverzug zu geraten und bei Mietschulden über einer Monatsmiete gekündigt zu werden. Daher ist es wichtig, dass die Nachbar*innen, die die Kampagne organisieren, einen Überblick behalten und sichergehen, dass diese Information bei allen Mieter*innen ankommt, die sich an dem ersten Schreiben beteiligt haben.

Wie können wir das kollektivieren?

Auch hier lauert die Gefahr, in die individualisierende Logik des Mietrechts zu verfallen. Daher sollten wir nach der Prüfung sofort wieder fragen: Wie können wir das kollektivieren? Wir haben in dieser Situation noch mehr Haushalte zum »Aufspringen« auf den bereits formulierten Widerspruch eingeladen. Während der zum Teil langen Wartezeiten, bis Vermieter*innen oder Gerichte antworten, kann man gut Versammlungen oder auch kleine Nachbarschaftsfeste organisieren: um in Kontakt zu bleiben, die Betriebskosten in einen größeren Kontext zu stellen und über weitere Themen in der Nachbarschaft zu sprechen. Wenn Mieter*innen zum Beispiel erzählen, dass sie rassistische Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt oder in der Nachbarschaft gemacht haben, dass ein Haus verkauft werden soll oder dass es Mietsteigerungen gibt, obwohl das Haus nicht instand gehalten wird, kann die Gruppe ebenfalls aktiv werden.

Nachdem die Deutsche Wohnen die Widersprüche abgelehnt hatte, erhoben wir mit mehreren rechtsschutzversicherten Nachbar*innen Musterklagen. Zu den Gerichtsterminen haben wir Kundgebungen gemacht und Mieter*innen aus der ganzen Stadt eingeladen. Das erste Bündnis der Initiativen von Mieter*innen der Deutsche Wohnen ist tatsächlich am Rande einer solchen Gerichtsverhandlung gegen die Betriebskosten entstanden – und wurde später zur Inspiration, über die Enteignung des gemeinsamen Vermieters nachzudenken.

Die Stärkung der Mieter*innenorganisierung war auch in der Betriebskostenkampagne 2014/15 eines der wichtigsten Ergebnisse: Vor Gericht sind wir in den wichtigsten Punkten an einer nicht nachvollziehbaren Entscheidung in der zweiten Instanz gescheitert. Solche Rechtsprechungen können leider bei derzeitiger Gesetzeslage vorkommen. Es gibt jedoch andere Beispiele, wo Vonovia-Mieter*innen mehrere Tausend Euro Betriebskosten nicht zahlen mussten, weil der Konzern die Kosten nicht korrekt belegen konnte.

Juristische Niederlagen, politische Siege

Am Kotti konnten wir durch die Kampagne trotz der problematischen Gerichtsentscheidung genügend Druck aufbauen, dass die Deutsche Wohnen im folgenden Jahr durch einen günstigeren Wärmelieferungsvertrag die Nebenkosten für alle Haushalte deutlich senkte. Das zeigt: Auch wenn auf juristischer Ebene kein unmittelbarer Erfolg erzielt wird, kann das Ziel durch Organisierung und politischen Druck oft dennoch erreicht werden.

Und die aufgebauten Strukturen vor Ort wirkten über den konkreten Anlass hinaus: In der Siedlung mit ca. 1.000 Wohnungen haben sich 170 Haushalte an der Kampagne beteiligt – und mehr noch haben die Mieter*innen-Initiative und sich untereinander kennengelernt. Alle Mieter*innen, die sich beteiligt haben, haben uns ihre Kontaktinformationen gegeben, und wir konnten sie später leichter erreichen und zu Demos, Versammlungen und Veranstaltungen einladen.

In vielen Häusern der Siedlung haben Mieter*innen Verantwortung übernommen und etwa als Hausansprechpersonen die Kommunikation im Haus unterstützt. Diese Verantwortungsübernahme hat im Kleinen vorweggenommen, was wir im Großen gefordert – und was wir mittlerweile zum Teil schon gewonnen haben: Die Häuser wurden nach jahrelangem Kampf rekommunalisiert. Kotti & Co setzt sich weiter dafür ein, dass die Bewohner*innen die Häuser selbst verwalten bzw. demokratisch kontrollieren können.

Der Unterschied zu Kampagnen, die vor allem auf Medienberichterstattung zielen, ist, dass organisierende Kampagnen einen konkreten Anlass als Ausgangspunkt nehmen, um sich längerfristig gemeinsam zu organisieren. Am Kotti haben die Nachbarschaftskampagnen produktiv mit anderen Elementen der Organisierung von Kotti & Co zusammengewirkt: mit der Platzbesetzung im Dauerprotesthaus Gecekondu, zahllosen Demonstrationen und Veranstaltungen, dem Erarbeiten alternativer Expertise und Vorschläge zum Sozialen Wohnungsbau, viel Bündnisarbeit und jeder Menge Vorarbeit für die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen (wo die Autor*innen heute aktiv sind). Wir sind überzeugt, dass auch in der deutschlandweiten Auseinandersetzung um die explodierenden Energie- und Nebenkosten, die uns die nächsten Jahre beschäftigen wird, Nachbarschaftsorganisierung und ihre Verknüpfung zu Kampagnen wie Umverteilen oder Genug ist Genug eine wichtige Rolle spielen werden.

Tashy Endres und Georgios Thodos

sind Gründungsmitglieder der AG Starthilfe von Deutsche Wohnen & Co enteignen. Sie haben die Betriebskostenkampagne von Kotti & Co konzipiert und koordiniert und auf dieser Grundlage die Blaupause für Betriebskosten Organizing bei DWE entwickelt.

Anmerkung:

1) Mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs besagen, dass die Belege von den Vermieter*innen vollständig nachgewiesen werden müssen, bevor die Vermieter*innen sie zahlen müssen. Hilfreich dazu: für Rechnungen § 259 Abs.1 BGB; für Verträge: BGH, VIII ZR 38/11; für Zahlungsnachweise: BGH, VIII ZR 118/19; für Einzelnachweise Heizung: BGH, VIII ZR 189/17.

Mitmachen & Starthilfe

Mehrere Bezirksgruppen von Deutsche Wohnen & Co enteignen beginnen gerade, sich in ihren Kiezen mit Nachbar*innen zum Thema Betriebskosten zu organisieren. Wenn ihr mitmachen wollt, Fragen habt zur Organisierung gegen Betriebskosten oder wenn ihr Erfahrungen macht, über die ihr euch austauschen möchtet, schreibt an betriebskosten-starthilfe@dwenteignen.de. Die AG Starthilfe von Deutsche Wohnen & Co Enteignen hat auch eine Broschüre mit Tipps zum Gründen einer Mieter*innen-Initiative geschrieben: »Zusammentun. Wie wir uns gemeinsam gegen den Mietenwahnsinn wehren können«. Viel Spaß beim Organisieren!

Unterstütz unsere Arbeit mit einem Abo

Yes, du hast bis zum Ende gelesen! Wenn dir das öfter passiert, dann ist vielleicht ein Abo was für dich? Wir finanzieren unsere Arbeit nahezu komplett durch Abos – so stellen wir sicher, dass wir unabhängig bleiben. Mit einem ak-Jahresabo (ab 58 Euro, Sozialpreis 38 Euro) liest du jeden Monat auf 36 Seiten das wichtigste aus linker Debatte und Praxis weltweit. Probeabo gibt es natürlich auch.