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Queerfeindliche Repression

Polens Präsident Duda bemühte antifeministische Narrative, um seine Wiederwahl zu sichern – nun kommt es zu massiver Polizeigewalt gegen queere Demonstrant*innen

Von Bilke Schnibbe

Ein polnischer Polizist würgt eine Person am Rande der queeren Proteste Anfang August 2020. Foto: Rafał Milach

Dass sich queerfeindliche Erzählungen eignen, um bis in die sogenannte gesellschaftliche Mitte reaktionär zu mobilisieren, zeigt sich ein weiteres Mal in Polen. Präsident Andrzej Duda hatte in seiner Wahlkampagne Anfang 2020 LGBTIQ-Themen und -Lebensweisen als schädliche Ideologie bezeichnet, vor der insbesondere Kinder geschützt werden müssten. Queere Menschen seien, so Duda, nicht gleichwertig mit anderen, »normalen« Menschen. In Polen wurden insbesondere im Südosten des Landes »LGBTIQ-freie Zonen« ausgerufen, welche rund ein Drittel der Fläche Polens ausmachen.

2015 noch hatten sich Dudas Wahlkampfslogans vor allem gegen Migrant*innen gerichtet, mit seinen queerfeindlichen Äußerungen griff er nun auf das zweite Standbein neurechter Mobilisierung zurück: Antifeminismus. Kein Wunder, im Corona-gebeutelten Polen lässt sich momentan mit Wirtschaftspolitik kein*e konservative*r Wähler*in hinter dem Ofen hervorlocken.

Mitte Juli wurde Duda wiedergewählt und es ist davon auszugehen, dass er seine queerfeindlichen Wahlversprechen (keine Ehe für alle, kein Adoptionsrecht für queere Paare) umsetzen wird. Gegenprotesten wird derweil mit Repression begegnet. »Es gibt eine Einschüchterungstaktik gegen queere Aktivist*innen«, sagt Urszula Bertin, Mitglied von Dziewuchy Berlin, einer feministischen, politischen Gruppe, die aus Berlin aktivistisch mit und für polnische Frauen und Queers arbeitet: »Die Leute sollen zu viel Angst haben, gegen die aktuelle Situation zu demonstrieren.«

Anfang August war der*die queere Aktivist*in Margot verhaftet worden. Margot soll den Fahrer eines LKW, der Anti-Abtreibungs-Propaganda verbreitete, angegriffen haben. Andere Quellen berichten Margot habe lediglich die Reifen des Trucks zerstochen. Ebenso hat Margot Regenbogenfahnen an verschiedene Statuen gehängt und damit, so der Vorwurf, »religiöse Gefühle« verletzt. Margot befindet sich vor der Verhandlung nun vermutlich für zwei Monate in Haft, insgesamt droht eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren.

Rollback nicht nur gegen Queers

Im Anschluss an Margots Festnahme hatte es in verschiedenen polnischen Städten Proteste gegeben. Insgesamt wurden Anfang August weitere 48 Demonstrant*innen festgenommen. Von einem Großteil ist auch einige Tage später kein Aufenthaltsort bekannt, sodass es teilweise nicht möglich ist, anwaltliche Vertretungen zu organisieren. Aktivist*innen befürchten, dass an Margot und anderen Festgenommenen ein Exempel statuiert werden soll. Die polnische Polizei wird so zur Handlangerin des von der polnischen Politik angefachten antifeministischen Rollbacks. Zahlreiche Fotos und Videos der Demonstrationen zeigen zudem massive Polizeigewalt gegen Protestierende. »Es ist absurd, wie hier Menschen angeblich aus christlicher Nächstenliebe verhaftet und misshandelt werden«, sagt Urszula Bertin, »wir ernten jetzt grade, was Duda im Wahlkampf gesät hat«. Christliche Nächstenliebe gilt eben nur für einige im katholischen Polen.

Neben den aktuellen Vorfällen richtet sich feministischer Aktivismus in Polen auch weiterhin gegen ultrakonservative Abtreibungsgegner*innen und den geplanten Austritt Polens aus der Istanbuler Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. »Wir haben gerade richtig viel zu tun«, so Urszula Bertin, »es ist trotzdem wichtig, dass wir auf jede Gewalttat, jede Repression sofort reagieren. Und es ist wichtig, dass auch an anderen Orten als in Polen weiter solidarisch protestiert wird« .

Bilke Schnibbe

war bis Oktober 2023 Redakteur*in bei ak.