Rechte Wurzeln der Ökologie
Naturschutz war nie nur progressiv – seine konservativen Traditionen wirken bis heute fort
Von Florian Teller
Natur- und Umweltschutz gelten zumeist als fortschrittliche Anliegen. Doch schon die frühe Ökologiebewegung vertrat rückwärtsgewandte Positionen, die sich zum Teil auch heute noch in rechten und konservativen Vorstellungen von Natur und Umwelt wiederfinden.
Eine der frühen Naturschutzbewegungen war der 1904 gegründete Bund Heimatschutz. Der bis heute unter dem Namen Bund Heimat und Umwelt in Deutschland aktive konservative Verein, dessen Vorsitzende eine CDU-Politikerin ist, erkannte und kritisierte die Schattenseiten der industriellen Revolution – Abholzung, Luft- und Wasserverschmutzung, Landflucht und Verelendung in den städtischen Massenquartieren –, setzte ihnen aber die Fiktion eines unverdorbenen Landlebens und eine antimodernistische Zivilisationskritik entgegen. Die deutsche »volkstümliche Identität« sei von einer »Ursprünglichkeit« der Landschaft abhängig. Beides im Einklang stelle die Heimat dar. Der Schutz von Natur und Landschaft schützt diesem Denkmuster zufolge das »Volk«. Rechte wie Konservative machten die Moderne dafür verantwortlich, die angeblich natürliche Verbindung von Volk und Natur zu zerstören.
Auf solch vermeintliche Angriffe reagierte der Bund Heimatschutz, indem er zurück zu einer quasi gottgegebenen Sozialordnung strebte, die jedem Menschen seinen »natürlichen« Platz zuweist und somit Landflucht und Verstädterung verhindert. Die Großstadt galt dem Verein als Feind, weil dort die Menschen durch Kommerz und den »jüdischen Geist« entwurzelt würden. So floss der Antisemitismus auch in den Naturschutz mit ein. Der erste Präsident des Bundes Heimatschutz, der Architekt Paul Schultze-Naumburg (1869–1949), konnte die völkische Gesellschaftsvorstellung und Heimatkonzeption wenig später auch als Reichstagsabgeordneter der NSDAP ins Parlament bringen.
Propaganda und Vernichtung
Die Nationalsozialisten instrumentalisierten Naturschutz zu Propagandazwecken. Als Reichsforst- und -jägermeister richtete Hermann Göring mithilfe des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935 Naturschutzgebiete ein. Für den passionierten Jäger war das vor allem von persönlichem Interesse, da er so sein Anwesen in der Schorfheide besonders schützen lassen konnte, um dort in Ruhe zu jagen. Zugleich nahm im Zuge der Kriegsvorbereitungen der Raubbau an der Natur enorm zu. Mit der Eroberung von Gebieten im Osten verlagerte sich die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen dorthin. Parallel dazu entwarfen die Nationalsozialisten unter dem Begriff »Generalplan Ost« weitreichende Pläne zur Kolonisierung und »Germanisierung« dieser Regionen. An diesem Plan, der die Vertreibung und Vernichtung der einheimischen slawischen Bevölkerung vorsah, waren auch Landschaftsplaner und Naturschützer beteiligt. Sie planten Heckenlandschaften und Walderholungsgebiete, da sich die anzusiedelnde »Volksgemeinschaft« nur in einer »deutschen« Landschaft entwickeln könne.
Während man um 1900 Frauenrechte und Industrialisierung zur Bedrohung stilisierte, sind es heute Genderfragen und Windräder.
So trug etwa Hans Klose (1880–1963), Direktor der Reichsstelle für Naturschutz und Mitverfasser des Reichsnaturschutzgesetzes, aktiv dazu bei, dass Naturschutz Teil des »Generalplan Ost« und somit Teil der verbrecherischen deutschen Besatzungspolitik wurde. Nach 1945 leitete er die Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege, aus der später das heutige Bundesamt für Naturschutz hervorging.
Der rechte Flügel der Grünen
Klose verkörperte nicht als einziger die Kontinuität eines rechten Naturschutzes in der heutigen Bundesrepublik. So waren an der Gründung der Grünen 1980 neben K-Gruppen und Personen aus der Ökologie-, Anti-Atomkraft- und Frauenbewegung ehemalige NSDAPler wie Werner Georg Haverbeck oder Baldur Springmann sowie Mitglieder rechter Organisationen beteiligt. Zum rechten Flügel gehörten auch Konservative wie Herbert Gruhl (1921-1993). Er verschaffte mit seinem 1975 veröffentlichten Bestseller »Ein Planet wird geplündert« Umweltfragen in Deutschland eine breite Aufmerksamkeit. Seine Kritik an Kernenergie und Wachstumspolitik führte zum Austritt aus der CDU, die er zuvor im Bundestag als umweltpolitischer Sprecher vertreten hatte.
Er verband seine wachstumskritischen Positionen mit rassistischer Bevölkerungspolitik. Neben dem ressourcenintensiven Lebensstil der Industrieländer war für Gruhl eine angebliche Überbevölkerung in der »Dritten Welt« das dringlichste Problem der Erde. Migration in europäische Länder lehnte er ab, da deren Umwelt nur eine bestimmte Anzahl an Menschen trüge. Die Einwanderungspolitik des Globalen Nordens bezeichnete er als »sagenhafte Dummheit«. Die von Gruhl aufgemachte Verknüpfung von Bevölkerungskontrollpolitik mit Umweltproblemen oder der Klimakrise ist bis heute auch in demokratischen und sogar linken Kreisen anzutreffen. Doch muss diesen Herausforderungen mit einem demokratischen und humanen Vorgehen begegnet werden. Ein Umdenken in Fragen der Verteilung und Wirtschaftsweise hin zu mehr globaler (Umwelt-)Gerechtigkeit wäre dafür ein guter Ansatz. Mit autoritären Gedankenspielen zu Geburtenkontrollen und der Warnung vor »Menschenlawinen« – so Gruhl 1975 – öffnet man die Tür für rechte Narrative und menschenverachtende Weltbilder.
Mittlerweile ist kaum noch vorstellbar, dass es die CDU/CSU-Fraktion war, die 1990, unter Mitarbeit der Grünen, das Stromeinspeisungsgesetz einbrachte.
Im Richtungsstreit zwei Jahre nach Gründung der Grünen verließ Gruhl mit dem rechten Flügel die Partei und gründete die konservative Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). Die wiederum verließ er 1989, nachdem sich die ÖDP gegen eine Zusammenarbeit mit extrem rechten Parteien ausgesprochen hatte. Gruhl war zudem 1975 ebenso ein konservativer Mitgründer des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland wie Enoch zu Guttenberg. Das CSU-Mitglied verließ den BUND im Jahr 2012 mit viel Getöse und warf führenden Mitgliedern eine »Verquickung mit der Windkraft-Lobby« vor. Windkraft war für ihn das Gegenteil von Naturschutz. Windparks schadeten Vogelpopulationen, ruinierten Landschaften und Naturparks. Der BUND strengte eine Unterlassungsklage gegen zu Guttenberg an, zog diese aber später zurück. Heute versteht sich der BUND als progressiver Umweltverband und engagiert sich, wie auch seine Jugendorganisation, seit einigen Jahren verstärkt gegen rechte Ideologien im Umweltschutz. Zuletzt starteten BUNDjugend, die NAJU (Naturschutzjugend im NABU) und FARN ein Projekt, um junge Menschen im Umweltschutz gegen rechtsextreme Einflussnahme zu stärken.
Mittlerweile ist das Ausspielen von Klimaschutz gegen Natur-, Arten- oder Landschaftsschutz keine Seltenheit mehr unter marktradikalen Konservativen (und Liberalen). Das Festhalten an fossilen Geschäftsmodellen und die Ablehnung einer dringend notwendigen sozial-ökologischen Transformation führen zu einer – in Deutschland meist noch stillschweigenden – Kooperation zwischen Rechten und Marktradikalen. Der gemeinsame Nenner ist ein individualisierter Freiheitsbegriff. Jede Einschränkung und jede Regel werden schnell als Verbote gebrandmarkt. Jede noch so dürftige Klimaschutzmaßnahme wird als Vorbote einer öko-sozialistischen Planwirtschaft attackiert. Klimaschutz spielt auch in der derzeitigen Regierung keine Rolle mehr: Sie treibt den massiven Ausbau der Gasinfrastruktur voran, klammert sich an den Verbrenner und will die lang diskutierten Kompromisse im sogenannten Heizungsgesetz zurücknehmen. (ak 717)
Öko ohne Brandmauer
Mittlerweile ist kaum noch vorstellbar, dass es die CDU/CSU-Fraktion war, die 1990, unter Mitarbeit der Grünen, das Stromeinspeisungsgesetz einbrachte. Der Vorläufer des heutigen Erneuerbare-Energien-Gesetzes löste einen Boom der Windkraft aus. 2011, dem Jahr des Reaktorunglücks von Fukushima, warb die CSU noch mit Fotos von Windkraft- und Photovoltaikanlagen für »Moderne Energie für ein modernes Land«. Für zusätzliche Maßnahmen beim Klimaschutz sprach sich 2019 die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Marie-Luise Dött, aus und betonte, dass sich die Fraktion der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet habe.
Das Agieren der aktuellen Fraktion steht diesem Ansinnen diametral gegenüber. Die Politik der CDU/CSU zeigt teilweise Parallelen zur Grundhaltung des Bundes Heimatschutz auf: Während man um 1900 Frauenrechte und Industrialisierung zur Bedrohung stilisierte, sind es heute Genderfragen und Windräder. Diese Ablehnung der Moderne lässt auch im Umweltschutz die Brandmauer löchrig werden. So warb im März dieses Jahres der baden-württembergische CDU-Chef Manuel Hagel für einen »konservativ inspirierten Naturschutz« und gab die Parole aus: »Umweltschutz ist Heimatschutz«. Dieses Schlagwort war bisher vor allem von rechten Parteien zu vernehmen gewesen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nahm Hagel übrigens gegen linke Rücktrittsforderungen in Schutz.
Konservative in der Regierung lehnen grundlegende Transformationen ab, idealisieren ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild und nehmen Veränderungen vor allem als Bedrohung wahr. Mit dieser Politik werden die Lebensgrundlagen dieser und kommender Generationen weiter zerstört.