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|ak 718 | Wirtschaft & Soziales

Giftiges Versprechen

Frankreich ist in der Krise, Deutschland bald wieder auf Wachstumskurs – oder?  

Von Lene Kempe

Stiefel und Beine von Soldaten, die in reih und Glied auf einem verregneten Asphaltplatz stehen
Trübe Aussichten: Frankreich wie Deutschland wollen erheblich mehr fürs Militär ausgeben. In Frankreich sorgt das bereits jetzt für Haushaltslöcher und Sparpläne, in Deutschland kommen die richtigen Probleme erst noch. Foto: Sz Katarzyna / Pexels

Was hat die Situation in Frankreich mit der von Deutschland gemeinsam? Bislang nicht viel. Während Frankreich nach der verlorenen Vertrauensfrage von Premierminister François Bayrou in die politische Instabilität schlittert, hat die Regierungskoalition hierzulande bei den Haushaltsberatungen für 2026 bislang Geschlossenheit demonstriert sowie eine langfristige Finanzplanung bis 2029 vorgelegt. Frankreich ist mit 113 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt hoch verschuldet. So hoch, dass bereits von einer neuen Euro-Krise geredet wird. Deutschland dagegen hat nach Jahren der »schwarzen Null« gerade erst angefangen, große Summen am Finanzmarkt aufzunehmen. Mit rund 60 Prozent ist die Schuldenquote bislang verhältnismäßig moderat.

Bayrou ist vor allem über seinen Sparplan gestolpert. Weniger Ausgaben für Renten und Soziales sollten den Schuldendienst absichern – allein dieses Jahr werden 607 Milliarden Euro fällig. Die Kürzungen sollten zudem die drastische Erhöhung des Militäretats im Sinne des Nato-3,5-Prozent-Ziels ermöglichen. Eine Politik, die am 10. September 200.000 Menschen auf die französischen Straßen trieb.

Militärausgaben erhöhen und dafür am Sozialstaat sparen? Das erinnert doch an die deutsche Debatte. Allerdings wird die Bevölkerung hierzulande auf ein anderes Szenario vorbereitet: Auch Deutschland wird sich zwar hoch verschulden und den regulären Wehretat bis 2029 auf rund 150 Milliarden Euro steigern. Und natürlich geht das nicht ohne Einschnitte beim Bürgergeld oder bei der Entwicklungshilfe. Aber die Milliardenausgaben für Infrastruktur und Aufrüstung werden nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch mehr Wachstum und Wohlstand bringen, so das Versprechen.

Weniger ins Bild passt da die Nachricht, dass Lars Klingbeils Finanzplanung für die Jahre 2027 bis 2029 ein Haushaltsloch in Höhe von 170 Milliarden Euro aufweist – trotz der Kürzungen und einer gigantischen Neuverschuldung. Begründet wird das etwa mit einem Ausgleich von Mindereinnahmen der Länder infolge des »Wachstumsboosters« oder mit der vorgezogenen Mütterrente.

Es gibt aber noch einen weiteren Posten, der das Loch im Bundeshaushalt absehbar und Jahr für Jahr vergrößern wird: Deutschland muss Zinsen auf das am Finanzmarkt geliehene Geld bezahlen. Und dieser Posten wird wieder in den normalen Haushalt hineingerechnet. Laut Bundesregierung fallen für 2025 gut 30 Milliarden Euro Zinsrückzahlungen an – Tendenz stark steigend. Denn insgesamt will die Bundesregierung bis 2029 knapp 850 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Sie setzt dabei auf den aufrüstungsgetriebenen Aufschwung, um solche Summen zu stemmen. Kommt dieser nicht oder verspätet, wächst mit den Schulden Jahr für Jahr der Druck auf den Sozialstaat. Deutschland könnte also doch noch französische Verhältnisse erleben. Es sei denn, die Regierung kippt die Schuldenbremse – eine angesichts der politischen Mehrheiten unwahrscheinliche Option. So oder so: Jedes dieser Szenarien ist für sich genommen ein starkes Argument, die Milliarden für die Rüstung ins Zentrum linker Kritik zu stellen.

Lene Kempe

ist Redakteurin bei ak.