analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 665 | International

Es ist still? Dann hört mal zu

Wer gegen Islamismus ist, muss Deals mit der Türkei und die Kriminalisierung von Kurd*innen beenden

Von Dîlan Karacadağ

YPG und YPJ haben in den vergangenen Jahren sehr konkret gegen Islamismus gekämpft – wer in Deutschland ihre Symbole zeigt, kann dafür juristisch verfolgt werden. Foto: Kurdishstruggle /Flickr, CC BY 2.0

Wenige Tage nach dem islamistischen Mord an dem französischen Lehrer Samuel Paty behauptete der Juso-Chef und stellvertretende SPD-Vorsitzende, Kevin Kühnert, in einem Spiegel-Gastbeitrag, in Deutschland herrsche auffällige Stille seitens der Linken. Es ist nachvollziehbar, die Erwartung an die gesellschaftliche Linke zu formulieren, sie solle zu islamistischen Attentaten lauter werden. Und ja, sie darf das Problem des Islamismus nicht den Rechten überlassen. Doch legt der Einwurf Kühnerts vor allem eine große Leerstelle offen in der Debatte um Islamismus – die viel mit dessen eigener Partei zu tun hat. Eine Debatte, die in mehrfacher Hinsicht schief ist. So nimmt sie nach Terroranschlägen immer wieder eine reflexhafte rassistische Wendung, wenn nicht nur Politiker*innen der Unionsparteien laut über Abschiebungen nach Syrien nachdenken, sondern auch die Grünen nach schnelleren Abschiebungen rufen. Die Ursachen des Islamismus aber und die Rolle der EU und Deutschlands bei seiner Förderung spielen kaum eine Rolle. Oder besser gesagt: Es bleibt Linken überlassen, auf diese hinzuweisen.

Denn tatsächlich ist es so, dass Teile der Linken in Deutschland, u.a. kurdische Aktivist*innen, seit Jahrzehnten beharrlich gegen Islamismus kämpfen und dabei immer wieder die Verstrickungen von deutscher Politik und Wirtschaft mit terrorfördernden Staaten wie der Türkei offenlegen. Die Staaten der EU haben Regime wie jenes in der Türkei nicht nur militärisch aufgerüstet, sondern auch EU-Heranführungshilfen im Rahmen von Beitrittsverhandlungen gezahlt und die Erdogan-Regierung mit Milliardenkrediten von europäischen Förderbanken gefestigt, als bereits ein Großteil der Opposition in der Türkei hinter Gittern verschwand. In den vergangenen Jahren sind die Türkei und die EU wirtschaftlich eng zusammengewachsen, deutsche Firmen machen prächtige Gewinne am Bosporus. Und nicht zuletzt hält Deutschland an dem von ihm maßgeblich ausgehandelten EU-Türkei-Deal fest, mit dem Geflüchtete von Europa ferngehalten werden sollen.

Die regierungsverantwortliche SPD war an den Folgen dieser Politik bislang nicht nur desinteressiert, sondern hat sie auch aktiv mitgetragen und überdies ihren Beitrag zur Kriminalisierung von Linken und Kurd*innen in Deutschland geleistet. Der militärische Kampf gegen Islamisten in Syrien etwa wird von den Volksverteidigungseinheiten und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ geführt. Die Bundesregierung aber verbietet es, deren Symbole in Deutschland zu zeigen. Wer aus Solidarität mit YPG und YPJ ihre Symbole hierzulande öffentlich zeigt oder auf Social Media postet, kann rigoros verfolgt werden. Gegen YPG-Rückkehrer wie Jan-Lukas Kuhley wurde ermittelt. Und man könnte sagen: Von einigen Protagonisten der gesellschaftlichen Linken, Kevin Kühnert etwa, herrscht bezüglich dieser absurden Ungerechtigkeiten eine auffällige Stille.

Es sind Teile der deutschen, hier vor allem der migrantischen, und globalen Linken, die auf militärischer, politischer und aktivistischer Ebene effektiv gegen Islamismus gekämpft haben und es heute noch tun – und damit sehr allein sind. Wenn es nun, angesichts neuer Anschläge in Europa, wirklich so still ist wie behauptet, dann sollte dies also vielleicht zum Anlass genommen werden, einmal genau hinzuhören. Alle bereit? Also gut: Die Entkriminalisierung der PKK sowie der Symbole von YPG und YPJ ist überfällig. Ebenso ein Stopp aller Waffendeals mit der Türkei und Saudi-Arabien sowie ein Ende des EU-Türkei-Deals. Viel zu tun, lasst uns loslegen.

Dîlan Karacadağ

ist kurdisch-deutsche Journalistin. Seit dem Anschlag von Hanau war sie regelmäßig vor Ort, hat vielfach aus Hanau berichtet und die Hinterbliebenen und Überlebenden unterstützt.