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Schlag gegen die Hammerskins

Der deutsche Ableger der internationalen Neonaziorganisation wurde verboten – wie kam es dazu?

Von Maike Zimmermann

Riesige marschierende Zimmermannshämmer und Skinheads in schwarzen Uniformen mit rot-weißen Armbinden, die Schwarze, Queers und Jüdinnen und Juden durch die Straßen jagen – diese Szenen aus Pink Floyds Musikvideo zum Song »The Wall« dienten nicht nur als Vorlage: Nazi-Skinheads übertrugen diese Hetzjagden in den 1980er Jahren vor allem in den USA in die Realität. Die Symbolik dieser Bilder – die im Film Ausdruck eines Drogenrauschs und psychischer Verzweiflung sein sollen – wurde mit leichter Abwandlung zum Erkennungszeichen eines internationalen Netzwerks militanter Neonazis: der Hammerskins.

Eben dieses Netzwerk wurde nun am 19. September durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verboten, genauer: der Verein Hammerskins Deutschland einschließlich seiner regionalen Chapter und seiner Teilorganisation Crew 38. »Mit diesem Verbot beenden wir das menschenverachtende Treiben einer international agierenden Neonazi-Vereinigung«, so Faeser. »Damit setzen wir ein klares Signal gegen Rassismus und Antisemitismus.« Dass es für die Mitglieder dieser »Bruderschaft« nun schwieriger wird, stimmt sicherlich. Wie weitreichend die Folgen des Verbots für diesen Teil der militanten Neonaziszene sein werden, wird sich zeigen.

Ein harter Schlag gegen ihre Strukturen ist es allemal – im Zuge des Verbots durchsuchte die Polizei diverse Wohnungen und Gebäude von 28 »Vereinsmitgliedern« in zehn Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen). Beschlagnahmt wurden nicht nur Bargeld, NS-Devotionalien und Hammerskin-Embleme, sondern auch große Mengen Tonträger, Waffen und sogar Sprengstoff.

Eine Frage ließ Faeser jedoch unbeantwortet: Warum erfolgt dieses Verbot jetzt? Denn um was für eine Organisation es sich bei der Hammerskin Nation handelt, ist eigentlich seit langer Zeit bekannt. Auch wenn der Verfassungsschutz das anders zu sehen scheint: Im Bericht des Bundesamtes tauchen die Hammerskins gar nicht, in denen der Länder nur vereinzelt und mit wenigen Worten auf. Nun betonte das Bundesministerium des Innern und für Heimat plötzlich, dass dem Vereinsverbot intensive Vorbereitungen und Kooperationen zwischen Bund und Ländern vorausgegangen seien und auch mit amerikanischen Partnerbehörden zusammengearbeitet worden sei. Doch sicherlich nicht 35 Jahre lang.

Die Turner-Tagebücher

Denn so lange ist es her, dass im Januar 1988 in den USA die »Confederate Hammerskins« als weltweit erstes Chapter der Hammerskins entstanden. Mit dem »Motherchapter«, den Schweizer Hammerskins, kam die Bruderschaft im Jahr 1990 nach Europa. Zwei Jahre später wurden die Hammerskins Berlin, 1993 dann die Hammerskins Sachsen gegründet. Bis zum Verbot umfasste die Hammerskin Division Deutschland 28 Chapter, also quasi Ortsgruppen, im ganzen Bundesgebiet.

Ähnlich wie bei vielen anderen militanten Neonazis gehören auch bei den Hammerskins die sogenannten Turner-Tagebücher aus dem Jahr 1978, geschrieben vom US-Amerikaner William L. Pierce, zur Pflichtlektüre. In deren Mittelpunkt steht die Unausweichlichkeit eines »Rassenkampfs«, durch diesen fiktionalen Roman fand die Idee des »führerlosen Widerstands« weite Verbreitung. Die Turner-Tagebücher beeinflussten auch die ab 1980 aktive, extrem rechte Terrorgruppe The Order, auch »Brüder schweigen« genannt. Sie traten an, um diese Ideen in die Tat umzusetzen – und werden von den Hammerskins dafür bis heute verehrt.

Vollgepackt mit diesem gewaltaffinen und rassistischen Rüstzeug definieren sich die Hammerskins seit ihren Anfangstagen als Elite.

Denn die Überzeugung der weißen Überlegenheit, der Notwendigkeit eines »Rassenkampfs« und der feste Glaube an einen Tag X sind die inhaltlichen Parallelen zu den Hammerskins. Vollgepackt mit diesem gewaltaffinen und rassistischen Rüstzeug definieren sie sich seit ihren Anfangstagen als Elite, als überlegene Gemeinschaft und vor allem: als Männerbund in Form einer Bruderschaft. Das Antifaschistische Infoblatt brachte diesen Gedanken auf den Punkt: »Die Identität als Bruderschaft soll etwas Höheres, etwas Erhabeneres darstellen als die Zugehörigkeit zu einer explizit politischen Gruppe. Die Bruderschaft ist ein Sehnsuchtsort, aufgeladen durch den Pathos des Lebensbundes. Sie kennzeichnet das Bedürfnis nach einer Gemeinschaft, die Kontinuität und Ordnung verspricht, die exklusiv, unverbrüchlich, familiär, überschaubar und frei von Widersprüchen ist und in deren Räumen Männerkult und elitäres Gehabe ohne Einschränkungen gelebt werden können. Die Bruderschaft markiert gleichermaßen Erwachsensein und Distinktion, Ausbruch und den Rückzug in eine Gemeinschaft, die sich selbst genug ist.« (1)

Es ist eine Gemeinschaft von Brüdern, und »Brüder schweigen – bis in den Tod«. So war es beispielsweise auf dem T-Shirt von André Eminger während des NSU-Prozesses in München zu lesen, als Thomas Gerlach von den Hammerskins Sachsen in den Zeugenstand trat. Gerlach kam Emingers Aufforderung nach.

Als Geheimbund braucht man unbedingt Regeln und Rituale. Und selbstverständlich darf nicht jede*r einfach so mitmachen. Ähnlich wie im Rockermilieu gibt es bei den Hammerskins ein Stufensystem: Ganz unten steht der »Hangaround«, also jemand, der sich in der Umgebung der Hammerskins aufhält bzw. aufhalten darf. Darauf folgt der »Prospect of the Nation/PotN«, also der Anwärter, und schließlich das Vollmitglied, das Fullmember. Auf jeder Stufe muss logischerweise das jeweils richtige Abzeichen an der vorgesehenen Stelle getragen werden. Fast überflüssig zu erwähnen, dass Frauen in diesem Männerbund keine Vollmitglieder werden können. Und dann gibt es noch die Supporter, also Unterstützer*innen, deren Struktur mit der Crew 38 in Deutschland ebenfalls verboten wurde. Die 38 steht hier für »Crossed Hammers«.

Neben den Abzeichen und der Losung »Hammerskins forever – forever Hammerskins« (HFFH bzw. 8668) gibt es den Cross-Hammers-Gruß, der natürlich den Vollmitgliedern vorbehalten ist und nicht von anderen durchgeführt werden darf. Diesen Gruß kann man sich im Übrigen auch in »The Wall« ansehen. Es ist eine streng hierarchische Struktur, mit »National Officers Meetings« (NOM) bzw. »European Officers Meetings« (EOM) und der Vorgabe, regelmäßig die Brüder in den USA zu besuchen.

Die Hammerskins sind also ein internationales Netzwerk aus White-Power-Nazis, die sich ähnlich wie Rocker organisieren und sich ein immenses Regelwerk auferlegen, weil sie sich dadurch als Elite fühlen. Hauptsächliches Betätigungsfeld war lange Zeit das Geschäft mit dem Rechtsrock. Seit etwa zehn Jahren ist das Feld des rechten Kampfsports hinzugetreten. Der mutmaßliche Europa-Chef der Hammerskins, Malte Redeker, gilt als Mit-Initiator des extrem rechten Kampfsportnetzwerks »Kampf der Nibelungen«. Sowohl das Musik-Geschäft als auch das Organisieren von Kampfsport-Events passen zum Profil der Hammerskins mit ihrer starken Ausrichtung auf die überregionale und internationale Vernetzung. Denn in beiden Bereichen heißt Vernetzung nicht nur Vergrößerung des Absatzmarktes, sondern es ist auch immer wieder notwendig, sich neue Veranstaltungsorte zu suchen. Das könnte den Hammerskins in der jetzigen Situation zugutekommen, zum Beispiel wenn das Chapter Westwall dann eben ins benachbarte Frankreich zu Konzerten fährt.

Antifaschistische Recherche

Auch wenn die Hammerskins seit 35 Jahren ihre Bruderschaft pflegen, blickte man eine Zeit lang bei ihrer Erwähnung zuweilen in erstaunte Gesichter: »Die gibt es noch?« Das lag zum einen sicherlich an ihrem nach Innen gerichteten Selbstverständnis. Zum anderen aber wohl auch daran, dass die Vorstellung »klassischer Nazi-Skins« in Springerstiefeln und Bomberjacke heute etwas antiquiert erscheint – auch wenn die Hammerskins mit der Zeit gegangen sind und das mit dem Skinhead-Style nicht mehr ganz so eng sehen.

Es ist dem Rechercheportal Exif zu verdanken, dass sich an dieser Wahrnehmung in den letzten zwei Jahren etwas geändert hat und die Gefahr, die von der Bruderschaft ausgeht, zurück ins Bewusstsein der interessierten Öffentlichkeit gelangte. Und nicht nur das: Ohne die Beharrlichkeit der Autor*innen von Exif wäre der Druck für das aktuelle Verbot vermutlich nicht hoch genug gewesen.

Denn wäre es gewollt gewesen, hätte ein Verbot sicherlich deutlich früher erfolgen können, zum Beispiel im Zuge des Verbots von Blood & Honour im Jahr 2000. Der Eindruck drängt sich jedoch auf: Man wollte nicht. Genauso wenig wie man Combat 18 verbieten wollte – oft bezeichnet als »bewaffneter Arm« von Blood & Honour. Auch hier waren es die hervorragenden Recherchen von Exif, die auf das Problem aufmerksam machten, bis Combat 18 im Januar 2020, also 20 Jahre später, dann doch verboten wurde.

Über die Gründe lässt sich freilich nur spekulieren. Quellenschutz in Bezug auf V-Leute dürfte eine Rolle spielen. Aber vor allem wohl auch die Vorstellung von Sicherheitsbehörden, dass man einen Haufen gewaltbereiter Neonazis besser unter Kontrolle halten kann, wenn sie nicht verboten sind. Im Fall von Combat 18 und den Hammerskins ein wirklich fataler Irrtum.

Exif – Recherche & Analyse

ist eine unabhängige, antifaschistische Rechercheplattform, die sich mit der rechten und neonazistischen Szene befasst. Zum Thema Hammerskins finden sich hier ausführliche regionale Recherchetexte sowie Überblicksdarstellungen: exif-recherche.org

Anmerkung:

1) Zitiert nach dem Artikel von Exif-Recherche in AIB 132, vom 19.1.2022: »Hammerskins – Inszenierung eines Männerbundes«.