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|ak 701 | Wirtschaft & Soziales

Nach oben liberal, nach unten paternalistisch 

Die FDP drückt der Ampelkoaltion immer stärker ihren Stempel auf

Von Deike Janssen

Angesichts sinkender Umfragewerte geht die FDP in die Offensive. Insbesondere ihr Vorsitzender, Bundesfinanzminister Christian Lindner, bringt seit Jahresbeginn so ziemlich jedes politische Mittel in die öffentliche Debatte ein, um die Interessen der eigenen Klientel zu bedienen. 

So will er den Solidaritätszuschlag streichen – und so den Wünschen des Kapitals und des obersten Prozents nachkommen. Denn der Zuschlag existiert seit 2021 für die unteren 90 Prozent ohnehin nicht mehr. Eine komplette Streichung des Solis wäre insofern eine indirekte Senkung insbesondere der Reichen- und Unternehmenssteuer.

Lindner will zudem das Lieferkettengesetz blockieren, damit deutsche Großkonzerne weiter durch Hungerlöhne, Kinder- und Zwangsarbeit im Ausland Profite erwirtschaften können. Die FDP legte nicht nur ein Veto gegen das EU-Lieferkettengesetz ein, sondern kündigte auch an, das lückenhafte deutsche Lieferkettengesetz verschlanken zu wollen.

Des Weiteren steht Lindner für eine Erhöhung der CO2-Abgabe, ohne durch das Klimageld (ak 700) eine minimale Entlastung zu schaffen. Er sagte kürzlich, die Einführung des Klimageldes auf 2026 verschieben zu wollen. Ein Klimageld würde jene effektiv entlasten, die sich klimafreundlich verhalten. Geht es nach Lindner, zahlen nun alle drauf. Die Preise für Benzin sind mit diesem Jahr beispielsweise um 4,2 Cent pro Liter gestiegen, die von Heizöl und Diesel um 4,7 Cent, und jährlich soll der Preis auf fossile Energie weiter steigen. 

Die reichsten zehn Prozent der Familien in Deutschland erhalten 13 Prozent der Fördersummen aus familienpolitischen Leistungen, die ärmsten zehn Prozent nur sieben Prozent.

Und die Lindner-FDP will den Steuerfreibetrag für Kinder erhöhen. Davon profitieren Familien mit guten und hohen Einkommen. Ein Beispiel, auf das es sich lohnt, ausführlicher einzugehen. Der Kinderfreibetrag im Steuerrecht wurde bereits zum Jahresanfang angehoben und soll nun nach Plänen des Finanzministeriums rückwirkend auf 6.612 Euro steigen, zuzüglich eines Freibetrags für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf von 2.928 Euro. Gut- und Spitzenverdiener*innen können dann pro Monat einen Betrag von bis zu 795 Euro einsparen. Gleichzeitig stagniert das Kindergeld bei 250 Euro, Familien im Bürgergeldbezug sollen zukünftig gar Totalsanktionen drohen, und Familien im Asylverfahren erhalten durch die geplante »Kindergrundsicherung« bald 20 Euro weniger im Monat

Während Gut- und Spitzenverdienende gezielt durch Steuervorteile dazu animiert werden, Kinder groß zu ziehen, sollen ärmere und arbeitslose Familien und solche im Asylverfahren oder in Duldung davon abgehalten werden, Kinder zu bekommen. Das Problem dabei ist nicht die Erhöhung des Kinderfreibetrages, sondern das System, in dem es unterschiedliche Existenzminima für Kinder je nach Steuer-, Sozial-, Unterhalts- oder Asylrecht gibt.

Die reichsten zehn Prozent der Familien in Deutschland erhalten laut einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung 13 Prozent der Fördersummen aus familienpolitischen Leistungen, während die ärmsten zehn Prozent der Familien nur sieben Prozent der Summe erhalten. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für familienpolitische Leistungen seit Jahren an. Davon profitieren vor allem reiche Familien, während die große Mehrheit mit Sozialstaatsabbau und der Verarmungspolitik der Ampel konfrontiert ist. In der zutiefst ungleichen Struktur nach Einkommen und Staatsbürgerschaft zeigen sich die zwei Gesichter der Familienförderung: Sie ist nach oben liberal und nach unten paternalistisch, fürsorglich gegenüber den Reichen und sparsam und sanktionierend gegenüber den Armen, Geflüchteten und Arbeitslosen.

Die FDP drückt ihre klassische Klientelpolitik zugunsten der Reichen, Besitzenden und Unternehmen durch. In der Öffentlichkeit zeigt sie sich als der Inbegriff des Neoliberalismus – ohne Herz für Kinder, für die Soziales maximal ein notwendiges Übel (»Sozialklimbim«) und bestenfalls eine Dienstleistung ist. Um diesem Elend der herrschenden Klasse etwas entgegenzusetzen, bräuchte es eine echte Kindergrundsicherung anstelle einer Familienpolitik für die oberen zehn Prozent, ein richtiges Lieferkettengesetz statt Kinderarbeit für deutsche Profite sowie klimafreundliche Entlastungen und kostenlose Öffis für alle anstatt CO2-Preistreiberei. 

Deike Janssen

ist Sozialarbeiterin und Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Referentin bei der Arbeiterwohlfahrt und ist aktiv in der Linken und der BAG Kindheit und Jugend sowie in einer feministischen Organisation.