analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 666 | Deutschland

Flagge zeigen!

Von Anselm Schindler

Diese Fahnen zu zeigen, dürfte zukünftig in Deutschland leichter fallen – die PKK aber bleibt weiter verboten. Foto: kurdishstruggle/Flickr, CC BY 2.0

Fast vier Jahre lang kämpften die kurdische Community und Kurdistan-Solidaritätsbewegung dagegen an, dass die Polizei in vielen Städten Deutschlands gegen Aktivist*innen vorging, wenn sie auf Demos und in den Sozialen Medien Symbole der kurdisch-nordsyrischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG und YPJ) verwendeten. Der Ärger begann im März 2017 mit einem Rundschreiben des Bundesinnenministeriums, in dem argumentiert wurde, dass die in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK die Symbole der YPG und YPJ für sich vereinnahme – und das Zeigen der Fahnen deshalb dem Zeigen der PKK-Fahne gleichkomme. Das Ministerium empfahl den Behörden, das Zeigen der Symbole von YPG und YPJ nicht mehr zu erlauben.

Viele von uns haben das nicht auf sich sitzen lassen und die Fahnen trotzdem gezeigt. Demos wurden deshalb gekesselt und angegriffen, es kam im ganzen Bundesgebiet zu mehreren hundert Verfahren, die oft mit hohen Geldstrafen endeten. Strafen, gegen die wir in Revision gegangen sind, in der Hoffnung, dass die Urteile der Amtsgerichte von einer höheren Instanz gekippt werden. Genau das ist Anfang Dezember auch passiert: Das Bayerische Oberlandesgericht sprach einen kurdischen Aktivisten frei, der die Fahne der YPJ auf einer Demo gezeigt hatte. Es gebe keine Belege dafür, dass die Fahne der Frauenverteidigungseinheiten rechtlich als Symbol der verbotenen PKK einzuordnen sei, urteilte das Gericht – und widersprach damit der Einschätzung des Innenministeriums.

Das Urteil schlug Wellen, auch über Kurdistan-solidarische Kreise hinaus und sorgte für Erleichterung. Verständlich, denn es ist ein Erfolg wenn sich hunderte betroffene Aktivist*innen diesbezüglich nicht mehr mit Gerichtsbriefen und -terminen herumschlagen müssen. Gleichzeitig müssen wir mit der Freude vorsichtig sein, denn gewissermaßen ist das Urteil auch ein Pyrrhussieg, weil der Kern der Sache, das PKK-Verbot, unangetastet bleibt.

Was die Behörden versuchen, ist, brave Aktivist*innen heranzuziehen, die sich von den »bösen Terrorist*innen« der PKK distanzieren.

Gerade jetzt besteht die Gefahr, dass wir den Disziplinierungsmaßnahmen der Repressionsbehörden auf den Leim gehen. Was die Behörden versuchen, ist, brave Aktivist*innen heranzuziehen, die sich von den »bösen Terrorist*innen« der PKK distanzieren.

Es ist der Versuch, den Spalt zwischen den legalen Teilen der kurdischen Freiheitsbewegung und der PKK zu vergrößern und die Bewegung von ihren radikalen Wurzeln zu trennen. In Kurdistan ist auf größerer Ebene ähnliches zu erkennen: Das geopolitische Ziel der dominanten Nato-Staaten ist es dort, Rojava, neben der kurdischen Autonomieregion des Irak, zu einer weiteren prowestlichen Enklave zu machen. Und auch hier geht es im Kern darum zu disziplinieren und die Bewegung von ihrem revolutionären Kurs abzubringen.

Die PKK ist die Kraft, die der Kurdistan-Politik der Nato-Staaten einen Strich durch die Rechnung macht. Weil sie gegen den Nato-Staat Türkei einen bewaffneten Kampf führt und weil sie immer wieder auf eine eigenständige Linie drängt: Die der demokratischen Selbstverwaltung der Völker des Mittleren Ostens, auf eine eigenständige Politik wie sie in Rojava seit 2012 versucht wird. Auf Autonomie statt auf Unterwerfung durch die großen Machtblöcke. Das ist der eigentliche Grund, warum die PKK in so vielen westlichen Staaten verboten ist und warum auch die, die ihr nahe stehen oder sie unterstützen, mit Repression überzogen werden.

Wenn es das Ziel der Imperialisten ist, die Rojava-Revolution und die Solidaritätsbewegung mit Rojava von der PKK zu trennen, dann heißt das für uns, dass wir höllisch aufpassen müssen. Dann heißt das, dass es falsch ist, sich mit Rojava zu solidarisieren aber zur PKK, zu ihrem Kampf und zur Repression gegen sie, zu schweigen. Um auf die Fahnenprozesse in der bayerischen Provinz zurückzukommen bedeutet das, dass das Urteil in München nur ein Teilerfolg ist. Es bedeutet, dass wir uns im nächsten Schritt darauf konzentrieren müssen, effektiveren und breiteren Widerstand gegen das PKK-Verbot zu organisieren.

Anselm Schindler

ist im Netzwerk Defend Kurdistan und bei der Kommunistischen Partei Österreich (KPÖ) aktiv und schreibt regelmäßig zu internationalen Konflikten.