analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 715 | International

Deutschlands Schuldenberg in Kamerun

Reparationen können die Auswirkungen von Kolonialismus und Klimawandel bekämpfen

Von Oumarou F. Mfochivé

Historisches bild von einem Werbewagen mit, auf dem hinten eine große Afrika-Karte verzeichnet ist, mit den ehemaligen deutschen Kolonien. Darunter die Aufschrift "Ohne Kolonien keine Rohstoffe, ohne Rohstoffe keine Arbeit, Kolonien heraus"
»Ohne Kolonien keine Rohstoffe«: Plakat für die Rückkehr zum deutschen Kolonialismus, 1933. Hakenmüller / Wikimedia , CC BY-SA 4.0

Während die Auswirkungen der Klimakrise in den Industrieländern zunehmend sichtbar werden, sind sie in vielen Teilen der Welt, insbesondere in Ländern des Globalen Südens, schon seit Langem bittere Realität. Die aktuelle Klimakrise ist eine unbestreitbare Tatsache und das direkte Ergebnis eines ökonomischen Systems, das auf Plünderung und Versklavung während der Kolonialzeit beruht und mittels ökonomischer und ökologischer Ausbeutung sowie »Entwicklungspolitik« von Staaten wie Deutschland bis heute betrieben wird.

Auch wenn sie sich aufgrund begrenzter »Entwicklungshilfe« heute »Geber-Staaten« nennen – die Länder des Globalen Nordens profitieren bis heute von der Ausbeutung der Ressourcen des Südens. Sie haben ein System der »Strukturanpassungspolitik« etabliert, das angeblich dazu dient, Länder aus ihrer Wirtschaftskrise herauszuführen. Die von Weltbank und Internationalem Währungsfonds für die Vergabe von Krediten auferlegten Programme bedeuteten vor allem einen Kahlschlag bei den Staatsausgaben: Sozialsysteme, Bildung, Gesundheit sowie Subventionen eigener Industrien sollten gestrichen werden. Einnahmen gehen bis heute in die Rückzahlung der Schulden.

Davon profitierten vor allem die Unternehmen aus dem Globalen Norden, die weiterhin günstigen Zugang zu den Ressourcen aus dem Globalen Süden erhalten und gleichzeitig Absatzmärkte für ihre Produkte. Durch ungerechte Handelspraktiken und Unternehmensmacht sichern die Länder des Globalen Nordens ihre geopolitische Vorherrschaft ab. Die ungleiche globale Wirtschaftsstruktur bleibt durch solche Maßnahmen erhalten, inklusive der daraus resultierenden klimatischen und humanitären Notsituationen.

Ein Beispiel dafür ist Kamerun, von 1884 bis 1916 eine deutsche Kolonie. In der deutschen Bevölkerung weitgehend unbekannt, war diese Zeit durch die systematische Brutalität der deutschen Kolonialherrschaft gekennzeichnet. Die Gewalt beschränkte sich nicht auf politische Unterdrückung, sondern erstreckte sich auf ein ganzes System wirtschaftlicher und ökologischer Ausbeutung unter völliger Missachtung der lokalen Bevölkerung und ihrer traditionellen Lebensweisen.

Die Kolonialverwaltung begann mit einer großflächigen Enteignung von Land, um dort eine exportorientierte Handels- und Plantagenwirtschaft aufzubauen. Es wurden kommerzielle Monokulturen wie Kakao, Tabak oder Palmöl eingeführt, die verheerende Auswirkungen auf die Böden Kameruns hatten. Die rasche Ausdehnung der Plantagen, insbesondere im westlichen Hochland, hat zu verstärkter Bodenerosion und zum Verlust der biologischen Vielfalt geführt.

Der deutsche Kolonialismus hatte nicht nur ökologisch, sondern auch sozial verheerende Folgen. Die Enteignung ganzer Gemeinschaften und deren Ausschluss von ihren Ländern führten zu einer massiven Ungleichheit und der Ausbreitung von Armut. Auf den Plantagen von Gütern, die für den Export ausgerichtet waren, setzten die Deutschen auch systematisch Zwangsarbeit ein.

Es ist Zeit, zurückzuzahlen

Bis heute hat die Kolonialherrschaft ihre Spuren in Kamerun hinterlassen. Das Land ist besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels und unfähig, die anhaltenden sozioökonomischen Ungleichheiten zu bekämpfen. All diese Veränderungen haben die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme gegenüber dem Klimawandel erheblich verringert und eine Umweltanfälligkeit geschaffen, die bis heute anhält. Der durch die Aneignung von Rohstoffen und Arbeitskraft entstandene Reichtum floss zurück nach Deutschland und diente der kohlebasierten Industrialisierung. Dadurch steht Deutschland heute weltweit an vierter Stelle bei den historischen Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen – obwohl es nur etwa ein Prozent der Weltbevölkerung ausmacht.

Obwohl viele Länder des Globalen Nordens die größten historischen Verursacher des Klimawandels sind, trägt der Globale Süden die Hauptlast der Krise – mit dramatischen Folgen wie erzwungene Migration, Ernährungsunsicherheit und wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die gegenwärtige Klimakrise lässt sich nicht lösen, ohne zuvor eine umfassende Schulden- und Gerechtigkeitsfrage zu klären. Es geht dabei nicht nur um fehlende finanzielle Mittel, sondern um die Auflösung eines Systems, das Länder des Globalen Südens durch Schulden in Abhängigkeit, Ungleichheit und extraktivistische Wirtschaftsstrukturen zwingt.

Die gegenwärtige Klimakrise lässt sich nicht lösen, ohne zuvor eine umfassende Schulden- und Gerechtigkeitsfrage zu klären.

Die Antwort darauf sind Klimareparationen – nicht als bevormundende Entwicklungshilfe oder Almosen, sondern als Instrument, um Gerechtigkeit wiederherzustellen, um die illegitimen finanziellen Schulden des Südens gegenüber dem Norden zu beenden und den Ländern des Globalen Südens ihre wirtschaftliche und politische Selbstbestimmung zu ermöglichen.

Bei Klimareparationen geht es um das Erkennen der strukturellen Ursachen und die Einleitung entsprechender Maßnahmen. Die strukturellen Wurzeln der aktuellen Krise müssen benannt werden: Kolonialismus und seine Kontinuitäten, auch Neokolonialismus genannt, sowie die Klimaungerechtigkeit. Zur Anerkennung gehört es konsequenterweise auch, sich zu entschuldigen.

Doch bei der Anerkennung und der Entschuldigung kann es nicht bleiben – davon abgeleitet entstehen finanzielle und moralische Verpflichtungen, auch wenn jahrhundertelanges Leid nicht wieder gut gemacht werden kann. Es braucht rechtlich bindende Mechanismen, um den Kampf gegen den Klimawandel zu finanzieren, Verluste und Schäden zu kompensieren und Gerechtigkeit wiederherzustellen. Solche Maßnahmen sind schon seit längerer Zeit Teil der internationalen Klimaverhandlungen, doch deren Fonds sind notorisch unterfinanziert – bilaterale Optionen sind von daher notwendig.

Und zuletzt muss eine Wiederholung von Ungerechtigkeit verhindert werden. Das braucht eine grundlegende Überarbeitung des derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Systems. Das beginnt bei den Regeln des internationalen Handels und der Schuldenpolitik, beinhaltet aber auch Verpflichtungen vonseiten der Verursacher, die Dekarbonisierung rascher voranzubringen. Nur so können die (neo)koloniale Ausbeutung von Mensch und Natur beendet und eine gerechtere Verteilung von Macht und Ressourcen erreicht werden.

Oumarou F. Mfochivé

ist Experte für Klimagerechtigkeit und ist Teil des Klima-Teams beim Konzeptwerk Neue Ökonomie. Er befasst sich mit Klimaschulden und Reparationen. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit dem Zusammenhang zwischen Migration und Klimawandel.