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Utopisch gedacht

Aufgeblättert: »Mellopolis ’48 – Eine Reportage« von Jakob Schäfer

Von Johann-Friedrich Anders

Das Buch ist eine fiktive Reportage aus Mellopolis, der »Stadt der Zukunft«. Die geschilderte sozialistische Utopie ist noch keine kommunistische Gesellschaft, aber sie verdient das Attribut »sozialistisch« (oder auch »anarchistisch«). Bisher sind positive Utopien Darstellungen von neuen Ordnungen, in denen es keine gesellschaftlichen Konflikte mehr gibt. Da es keine gesellschaftlichen Probleme gibt, gibt es auch keinerlei Entscheidungsgremien (etwa Räte). Das ist in Schäfers Utopie anders; und das ist etwas Neues. Bei ihm steht im Vordergrund die Darstellung von grundlegenden Streitfragen darüber, wohin es konkret in Zukunft gehen soll. Schäfers Reporter berichtet über Kontroversen, die in lokalen, regionalen und nationalen Kongressen, gegebenenfalls in Volksabstimmungen, diskutiert und entschieden werden; er schildert gesellschaftliche Debatten darüber, wie man leben will. Im Anschluss an die Fiktion folgt ein theoretischer Teil. Dort macht Schäfer klar, wie notwendig heute eine sozialistische Utopie ist. Danach legt Schäfer das politisch-philosophische Fundament seiner Utopie dar und untermauert es mit neueren Erkenntnissen aus Archäologie, Anthropologie und Ethnologie. Schäfer untersucht sodann, was die Problemlösungsvorschläge der Bestseller-Autoren Yuval Noah Hariri, Harald Welzer und Richard David Precht taugen. Schäfer beendet seine theoretischen Darlegungen mit sechs Kernpunkten eines erfolgversprechenden Kampfs für den Bruch mit dem Kapitalismus.

Jakob Schäfer: Mellopolis ’48 – Eine Reportage. Vision einer Gesellschaftsordnung nach der Überwindung des Kapitalismus. new academic press, Wien 2023. 128 Seiten, 12,90 EUR.