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|ak 681 | Alltag

Tanzen auf Asphalt

Kneipen und Clubs haben jetzt wieder geöffnet, das weiß man spätestens, seit Elon Musk in Berlin feiern war – irgendwie auch schade

Von Nancy Schulze

Man sieht eine Ballerina, die in der Luft einen Spagat macht, im Freien auf der Straße, im Hintergrund sind Häuser zu sehen.
So sieht es nicht aus, wenn unsere Autorin tanzt, aber es fühlt sich so an. Foto: Daria Rom/Unsplash

Die Ersten, die schließen mussten, die Letzten, die wieder öffnen durften – das hat man oft in den vergangenen zwei Jahren über das Schicksal der Clubs gelesen oder gehört. Kneipen hatten es auch nicht leicht. Und so sehr ich es den Betreiber*innen in der Vergnügungswirtschaft gönne, dass nun wieder Partys geschmissen und in Innenräumen getrunken werden darf, so schade ist es doch um die Räume, die sich in der Pandemie geöffnet hatten und die sich nun wieder schließen. Gemeint ist das ausufernde Rumhängen vorm Späti, das sich Erobern der Parks – teilweise auch gegen die Bullen, die sinnlose Auswüchse des in dem Fall vorgeblichen Infektionsschutzes durchzusetzen versuchten – und ja, auch das Tanzen auf Asphalt.

Etwas wehmütig denke ich etwa an den 1. Mai 2020 zurück, als wir uns zum ersten Mal seit Beginn des ersten Lockdowns wiedersahen, an einer chaotischen Demonstration teilnahmen und schließlich mit Handy-Musik auf der Wiener Straße in Berlin-Kreuzberg die Nacht durchtanzten. Es war wunderschön, kostenlos – und epidemiologisch total unbedenklich, obgleich zu diesem Zeitpunkt nicht legal.

Solche Momente wird es nun nicht mehr geben. Wer jetzt noch auf der Straße tanzt, macht sich verdächtig oder einfach lächerlich. Wie um ein Ausrufezeichen hinter diese Rückkehr zur eingehegten Feierei zu setzen, verkündete der US-Milliardär und Apartheidsprössling Elon Musk, der Anfang April eine offenbar ziemlich geile Nacht in Berlin hatte, die Hauptstadt »rocke«. Musk war zwar nicht ins Berghain gekommen (inzwischen weiß das die halbe Welt), feierte aber offenbar in KitKatClub und Sisyphos.

Obgleich ich schon das ganze Leben in dieser Stadt friste, war auch ich noch nie im Berghain – nicht meine Musik. Das letzte Mal vor der Pandemie zog es uns in Südblock und SO 36: Als »MMM Bob« von den Hansons lief, sind wir reingehauen. Wenige Tage später wurde alles dichtgemacht. Ein Zurück gibt es nicht, und der kleine Pandemie-Zauber des Tanzens auf Asphalt ist nun auch vorbei, bye bye.

Nancy Schulze

steht auf Punk und Pop und verabscheut (linke) Kulturarroganz.