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Sozialismus und Barbarei

In vielen jüngeren Weltuntergangs­filmen ist die letzte Hoffnung eine linke Utopie – why?

Von Matthias Merkur

Landschaftsszene aus "The Last of us", in der die Protagonist*innen ein Flugzeugswrack betrachten
Selten friedliche Szene aus der Serie »The Last of us«, die bei Sky gestreamt werden kann. Foto: 2021 Home Box Office, Inc. All rights reserved

Mit der Hoffnung ist es so eine Sache. Meiner Meinung nach sollten Linke sich eher davon fernhalten, zumindest als Antrieb ihrer politischen Aktivitäten. Nichts ist auf die Dauer lächerlicher als linkes Hoffnungshopping, während es insgesamt nur bergab geht. Nach ein paar enttäuschten Hoffnungen zu viel wird auch gern mal nach rechts oder ins Private abgebogen. Andererseits: Ganz ohne Hoffnung ist es auf die Dauer auch schwierig.

Was tun? In meiner letzten Krankheitsepisode habe ich mich ganz der Düsternis hingegeben und Apokalypse-Serien gebinged, passt ja gut in die Zeit. Erstmal »Fallout«, die neue Serienverfilmung eines Computerspiels, bei dem es grob gesagt darum geht, sich in einer mittelfernen Zukunft, etwa 200 Jahre nach der nuklearen Apokalypse, durch das Wasteland an der Erdoberfläche zu ballern. Die Serie interpretiert das Spiel eher frei und greift vor allem die zentralen Elemente der Spielwelt auf, in der Bunkerbewohner*innen, die Nachfahren der Reichen aus der pränuklearen Zeit, sich in der gewalttätigen Welt da oben zurechtfinden müssen. Sie treffen auf brutale Räuberbanden, einen bizarren Ritterorden und eine Art Untoten-Spezies, alles im 50er-Jahre-Look, bunt und überdreht, die Postapokalypse für Hipster quasi. War nett.

Zweite Station: »The Last of Us«. Bereits letztes Jahr erschienen, wurde hier ebenfalls ein Egoshooter verfilmt, der selbst schon für seine cineastische Qualität gelobt worden war. Schön düster spielt das Ganze in einer Welt, in der die meisten Menschen von einer Pilz-Pandemie in grauenvolle Zombies verwandelt wurden, die nun die Überlebenden, die in durchmilitarisierten Enklaven ausharren, jagen. Auch hier weiß man nie, wer die schlimmeren Gegner*innen sind: die Zombies, die fiesen Militärs oder die zunächst antiautoritären Widerständler*innen, die immer skrupelloser agieren und sich schnell in neue Gewaltherrscher verwandeln können. Diese Welt durchstreift das aus Film und Fernsehen bekannte Gespann aus pubertierendem Mädchen und wortkargem Brummbär, der die meisten Hindernisse mit brachialer Gewalt aus dem Weg räumt.

Bei »Fallout« ist eine weggebombte sozialistische Stadtrepublik Bezugspunkt für viele Figuren, bei »The Last of Us« ist der einzige funktionierende Ort eine kommunistische Kommune in Wyoming.

Als letztes Werk in meiner Katastrophentrilogie habe ich, kaum wieder gesund, dann »Civil War« im Kino geschaut. Was soll man sagen: ein Roadmovie/Kriegsporno/Bildungsroman, bei dem ein Trupp zynischer Journalist*innen durch die in Gewalt versinkenden USA reist, um noch ein letztes Foto, ein letztes Interview mit dem stürzenden Präsidenten zu machen. Im Anschluss weiß man nicht, ob der Film nur zynisches Formexperiment ist oder der endgültige Abgesang auf den Journalismus. Ein gelungener Abschluss meines Weltuntergangsmonats.

Was bei all diesen Auseinandersetzungen mit der Welt am oder jenseits des Abgrunds auffällt: Die einzigen Orte, die Hoffnung versprechen, sind kommunistisch. Bei »Fallout« ist eine leider weggenukte sozialistische Stadtrepublik Fluchtpunkt und Antrieb für viele Figuren. Bei »The Last of Us« ist der einzige funktionierende Ort eine kommunistische Kommune mitten in Wyoming. Ok, bei »Civil War« gibt es keine linke Utopie als Sehnsuchtsort, aber im Film finden sich immerhin Verweise auf zumindest nominell linke Akteure: die Portland Maoists zum Beispiel, die den Präsidenten bekämpfen.

Was hat das alles zu bedeuten? Warum tauchen in den zerfallenden US-Filmwelten plötzlich – und meistens positiv – kommunistische Bezüge auf? Ist da vielleicht doch noch Hoffnung auf eine bessere, sozialistische Gesellschaft im Umlauf? Oder schlägt sich hier lediglich der zarte Aufschwung linker Ideen in den USA als Zitat nieder – oder die Langeweile über den blanken Zynismus früherer Endzeitfilme? Oder: Weiß Hollywood mehr, und lässt sich die freie Assoziation der Produzent*innen erst nach dem gewaltvollen Kollaps des Kapitalismus verwirklichen? Vielleicht bieten kommende Serienprodukte ja Antworten auf diese spannenden Fragen.

Matthias Merkur

lebt in Berlin und meint, die Zukunft der Linken steht in den Sternen.