analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|ak 701 | Alltag |Reihe: Komm bitte!

Komm bitte, Urlaub

Von Kuku Schrapnell

Blick von oben auf einen Strandabschnitt im Abendlicht. Am Strand sitzen mehrere Menschen, teils an der Wasserkante, Sonnenschirme sind zu sehen, ein paar Menschen schwimmen im Meer
Urlaub: die schönste Jahreszeit. Foto: Jan Ole Arps

Urlaub ist für die meisten Menschen die beste Zeit im Jahr und das auch völlig zu Recht. Dabei ist total egal, ob es der Wochenendausflug ist oder die zwei Wochen Ostsee im Sommer, das Sabbatical oder einfach ein schamloses Ausnutzen der eigenen Arbeitslosigkeit. Egal, ob auf dem eigenen Balkon (wer sich den noch leisten kann) oder am anderen Ende der Welt (wer auch immer sich das leisten kann), Urlaub fetzt, einfach weil, wer im Urlaub ist, nicht arbeiten muss.

Dabei arbeiten die meisten Menschen sogar gern. Das im Schnitt beliebteste Hobby der Deutschen war in den letzten drei Jahren »Im Garten arbeiten«, dicht gefolgt von »Shopping & Einkaufen gehen«. Dass es sich bei beidem um eine »bestimmte produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw.« handelt, sollte klar sein. Wer beim Shopping daran zweifelt, lässt wahrscheinlich das immer gleiche Hosenmodell von seiner Frau nachkaufen.

Wenn unsere Hobbys auch schon Arbeit sind, ist es also weniger die Arbeit selbst als die Form der Arbeit, die uns so sehr vom nächsten Urlaub träumen lässt. So weit so gut. Dass es mit der Lohnarbeit so einige Probleme gibt, wusste auch schon Marx, und das muss hier nicht nochmal erklärt werden. Viel wichtiger ist an dieser Stelle die Frage, was das Ganze mit unserem Urlaub macht. Denn leider ist es kein bisschen so, dass Urlaub nur die bloße Abwesenheit von Arbeit ist.

So urteilte das Bundesarbeitsgericht schon 1965, dass der Urlaubsanspruch erst erfüllt ist, wenn die Arbeitnehmer*innen zwei Wochen am Stück mal nicht malochen waren. Denn auch die Wissenschaft sagt, dass neben der Qualität des Urlaubs eben auch die Länge entscheidend ist, um sich richtig erholen zu können. Etwa zwei bis drei Wochen braucht der Körper, um nach der Fremdtaktung des Arbeitstages wieder in den eigenen Rhythmus zu kommen.

Dabei stellt sich natürlich die Frage, warum man wieder raus aus dem eigenen Rhythmus soll, wenn man gerade erst wieder rein gefunden hat. Also beginnt der Erholungsurlaub meiner Meinung nach erst ab der dritten oder vierten Woche. Das scheinen auch früher mehr Menschen genauso gesehen zu haben. So ist seit den 1980ern die durchschnittlich am Stück genommene Urlaubszeit kontinuierlich gesunken, während gleichzeitig die Arbeitsbelastung immer weiter stieg. Der Neoliberalismus, der alte Schlawiner, lässt grüßen.

Und dann ist es noch nicht einmal so, dass es einen Ausgleich nach hinten raus gibt, weil sich der Arbeitsstress ja noch mit in den Urlaub reinzieht. Stattdessen wird erwartet, dass die Arbeitskraft dann ja schon wiederhergestellt ist und mit doppeltem Eifer dort weiter gemacht wird, wo man aufgehört hat. Dabei wäre, aus erholungspolitischer Sicht viel empfehlenswerter, ritualisiert erstmal in den Bummelstreik zu treten, um von der im Urlaub gewonnen Entspannung noch möglichst lange etwas zu haben. Wer möchte auch nicht erstmal den Kolleg*innen alle Reisefotos zeigen und ausgiebig erzählen, was man alles so gemacht oder eben auch nicht gemacht hat.

Dass Freizeit ein hohes Gut ist, haben auch die Gewerkschaften erkannt. Arbeitszeitverkürzungen und sogar die Vier-Tage-Woche stehen als Ziel von Arbeitskämpfen im Raum. Dabei wäre es auch angeraten, neben mehr Urlaubstagen und einem längeren Urlaubsanspruch, auch für die entsprechende Qualität zu sorgen. Gerade in klassischen Familien bleibt die Arbeit während den Reisen so ungleich verteilt, wie zuhause auch. Wer kocht, wäscht und die Kinder versorgt, ist auch in der Ferienwohnung meist die Frau.

Wer also für einen befreiten Urlaub kämpfen will, darf nicht dem Haupt- und Nebenwiderspruchsdenken auf den Leim gehen. Stattdessen, es war zu befürchten, ist die Frage nach Erholung eine, die sich durch alle menschlichen Beziehungen zieht. So können noch so viele Psycholog*innen feststellen, dass die meisten Menschen besser entspannen, wenn sie verreisen. An der Tatsache, dass man sich das Reisen auch leisten können muss, ändert das wenig.

Die Urlaubsfrage bleibt also noch ungelöst. Denn sowohl das Vertrauen in die Technik und die Hoffnung auf den »fully automated luxury gay space communism« hat sich bisher weder erfüllt, noch scheint die Technik gerade für unsere Seite zu arbeiten. Aber auch der Arbeitswahn, der ausgerechnet viele Linke immer wieder überfällt, so dass sie ihre Freizeit weniger für Erholung als mehr für Selbstausbeutung und Aktivismus nutzen, steht einem guten Urlaub im Wege. Wie wir aus dem Schlamassel wieder rauskommen? Ich weiß es nicht, aber vielleicht fahren wir ja dieses Jahr mal alle zusammen weg.

Kuku Schrapnell

ist neben ihrem neuen Job als schwule Sex-Kommunistin auch Trans-Aktivistin, gut aussehend und Wahl-Ostdeutsche.