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|ak 682 | Alltag |Reihe: Komm bitte!

Komm bitte, Heartstopper

Von Kuku Schrapnell

Zwei Protagonisten der Serie Hearstopper umgeben von Zeichentrick-Laub.
Eigentlich schon wieder ein »Komm bitte« zum Thema Foto: Kitsch, diesmal mit Charlie (rechts) und Nick (links). Foto: Netflix

Wer die Serie Heartstopper noch nicht kennt, nimmt sich vor dem Weiterlesen bitte die zweieinhalb Stunden Zeit, um die acht Folgen lange, queere Teenie-Romanze zu gucken, weil ich bin zu begeistert, um nicht hemmungslos zu spoilern. Danke. Hier stand zwar vor gar nicht allzu langer Zeit die »Komm bitte, Kitsch«-Kolumne, und da habe ich schon geschrieben, was ich an Kitsch liebe, aber das hier ist ganz anders und wirklich wichtig. Außerdem habe ich Corona, und da finde ich es nur fair, dass ich schreiben darf, was ich will, egal, was ihr darüber denkt.

Bei Heartstopper geht es um drei queere Lovestories. Im Mittelpunkt stehen Charlie, ein schwuler Nerd, und Nick, der seine Bisexualität entdeckende Rugbystar der Jungenschule. Ein Klischee so überraschend wie eine Leiche in einem Krimi. Dazu kommen das lesbische Pärchen Tara und Darcy und die langsam aufflammende Liebe zwischen dem transgeschlechtlichen Mädchen Elle und ihrem besten Freund Tao. Damit ist der Cast schon um einiges differenzierter und spannender als die meisten klassisch schwulen Liebesschmachtgeschichten.

Was vor allem heraussticht: Heartstopper bleibt wundervoll positiv. Die schlimmsten Probleme, wie das Mobbing von Charlie oder Elles transfeindliche Erfahrungen liegen in der Vergangenheit. Die Themen kommen zwar auf und werden behandelt, aber eben als Vergangenes. Stattdessen geht es in der Serie um Fragen von Heilung und Outing. Selbst Konflikte mit internalisierter Queerfeindlichkeit sind mit der Kraft der Freundschaft und Liebe zu bewältigen. Und obendrauf ist einfach alles unfassbar süß: Alle fassen sich ständig ein Herz, reden und räumen Konflikte aus, sind bei allem unfassbar zärtlich.

Die wichtigsten Charaktere sind zwar lesbisch, bi, schwul oder transgeschlechtlich, die Serie erzählt aber trotzdem keine queere Geschichte. Denn queer ist ein politischer Begriff und Politik findet sich nicht in der Zuckerwattewelt von Heartstopper zwischen Farbsymbolik und kleinen Cartoon-Animationen. Alle Konflikte bleiben ganz privat. Die Diskriminierung findet durch den Bully statt, der halt gemein ist, oder durch den ungeouteten Mitschüler, der halt noch nicht zu sich stehen kann. Dahinter stehen in der Serie keine gesellschaftlichen Machtverhältnisse, sondern ganz persönliche Beziehungen.

Und wo wir gerade bei Beziehungen sind: Auch die Beziehungsformen sind nicht sonderlich queer, sondern gehen ganz normal von der monogamen Zweierbeziehung aus, ja, von der ersten großen Liebe, die man in der Schule trifft und die ein Leben lang hält.

Kurz: Die Serie vereint eigentlich alles in sich, was wir radikalen queeren Aktivist*innen schon immer dem bürgerlichen Lager vorgeworfen haben. Zwar wird sie nie transfeindlich wie ein Jan Feddersen oder rassistisch wie eine Alice Schwarzer (oder wars umgekehrt?), aber wenn wir ehrlich sind, würden die Mittelschichtseltern dieser süßen jungen Queers wohl schon mit Kevin Kühnert gegen Enteignungen stimmen.

Warum also liebe ich als überzeugte Kommunistin diese Serie so? Weil die Schauspieler*innen so gut sind? Weil der Soundtrack so catchy ist? Oder einfach, weil Kitsch genau so funktionieren muss? Weil eigentlich alle queeren Menschen wissen, dass es so in Wirklichkeit nicht läuft?

Denn eigentlich wissen wir alle, dass die Schule in der Kleinstadt selten der Ort ist, an dem wir die große Liebe finden und dass die Diskriminierung, die wir erleben, über das eine Arschloch hinausgeht und sich bis in die Tiefenstrukturen unserer Gesellschaft zieht. Es reicht ein kurzer Blick in die Welt, um zu sehen, wie die erkämpften Rechte und Freiheiten queerer Menschen gerade wieder unter Beschuss stehen.

Vielleicht ist die Serie gerade deswegen so erfolgreich, weil sie diese eine kleine Utopie so offensichtlich im Kitsch aufblühen lässt. Weil das so viele Sehnsüchte bedient, die wir alle als queere Teenies einmal hatten. Weil es zeigt, dass da, wo wir verletzt wurden, in einer anderen Welt auch etwas Schönes hätte sein können. Und vielleicht auch einfach nur, weil es eine wunderschön erzählte Liebesgeschichte ist, und was will man denn bitte gegen die Liebe haben?

Kuku Schrapnell

ist neben ihrem neuen Job als schwule Sex-Kommunistin auch Trans-Aktivistin, gut aussehend und Wahl-Ostdeutsche.